Dur (von lateinisch durus ‚hart‘; französisch mode majeur, englisch major, italienisch modo maggiore, spanisch modo mayor) bezeichnet in der Musik ein Tongeschlecht. Dieses kann sich auf eine Tonart, eine Tonleiter oder einen Akkord beziehen.
Dur und Moll verdrängten im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Bezeichnungen Modus major und Modus minor (cantus durus und cantus mollis) für die Tongeschlechter der Kirchentonarten. Seitdem spricht man auch vom dur-moll-tonalen Tonsystem, kurz Dur-Moll-System. Dur, Moll und die Kirchentonarten bilden die klassischen diatonischen Tonleitern.
- Dur:
- Moll:
Kennzeichnend für den Dur-Charakter ist das Intervall einer großen Terz zwischen Grundton und Terz des betrachteten Tonmaterials. Die große Terz über dem Grundton wird auch Durterz genannt.
Der Höreindruck von Dur wird oft als „hell, klar“ (lat. durus = „hart“) beschrieben, wogegen Moll oft als „dunkel, weich“ (lat. mollis = „weich“) bezeichnet wird. Diese Charakterisierungen sind mit Vorsicht zu verwenden. Insbesondere weitergehende Assoziationen wie z. B. Dur mit fröhlich oder Moll mit traurig gleichzusetzen können zwar zutreffen, dürfen aber auf gar keinen Fall verallgemeinert werden, weil der musikalische Gesamteindruck noch von einer Vielzahl anderer Komponenten abhängen kann. So spielen u. a. melodisch-harmonische Progressionen und Figuren, Tempo, Instrumentation, Dynamikparameter, aber auch Text (falls vorhanden), eine maßgebende Rolle. So werden z. B. Mozarts Rondo alla Turca oder Beethovens Klavierstück Für Elise kaum als „traurig“ wahrgenommen, obwohl beide Kompositionen in Moll-Tonarten stehen. Dagegen wird Herbert Grönemeyers Song Der Weg, auch wenn das Stück in Dur steht, als eine sehr traurige Komposition betrachtet.
Zur Rechtschreibung von Tonartennamen siehe den Abschnitt Schreibweisen im Artikel Tonarten.
Etymologie
Die Ausdrücke Dur und Moll gehen zurück auf die mittelalterliche Hexachordlehre, die u. a. zwischen dem Hexachordum molle und dem Hexachordum durum unterschied.
Beim Hexachordum durum benötigte man, vom Ton G ausgehend, eine höhere Variante des Tones B, das B durum (unser heutiges H) als dritte Stufe, während man beim Hexachordum molle, vom Ton F ausgehend, diesen höheren Ton als vierte Stufe vermeiden musste (Tritonus) und stattdessen das tiefere B molle einsetzte.
Zur Unterscheidung notierte man vor den tieferen Ton B einen kleinen Buchstaben b mit rundem Bauch (b rotundum), vor das höhere B einen Buchstaben b mit eckigem Bauch (b quadratum), aus dem sich später ein H entwickelte. Die heutige Form der Versetzungszeichen (ein ♭ für den tieferen Ton, ein ♯ für den höheren) geht ebenfalls darauf zurück. Dem entsprechen auch die italienischen Bezeichnungen „bemolle“ für das ♭-Vorzeichen und „bequadro“ für das ♮-Auflösungszeichen.
Die Assoziation der Tongeschlechter mit Charakteristika wie „hart“ (= Dur) und „weich“ (= Moll) kam erst sehr viel später mit dem Verschwinden der Kirchentonarten und der Manifestation des Dur-Moll-Systems auf, hat sich aber in der Musiklehre verfestigt und wird selbst in etymologischen Wörterbüchern immer noch vertreten.
Durtonleiter
Als Abfolge einer Tonreihe von Ganz- und Halbtonschritten betrachtet, hat die Durtonleiter (oder Durskala) folgende Struktur: 1-1-½-1-1-1-½ (oder als zwei Tetrachorde gedacht: 1-1-½ 1-1-½). Hiermit entspricht sie in ihrer Intervallfolge dem ionischen Modus. Seit dem 16. Jahrhundert ist sie noch vor der Mollskala die meistverwendete Tonleiter der abendländischen Musik. Für das abendländische Gehör ist sie die geläufigste Tonleiter. Die zwölf Durtonleitern werden jeweils nach ihrem Anfangston benannt. So ergeben z. B. die Stammtöne C, D, E, F, G, A, H, c die C-Dur-Tonleiter.
Charakteristisch für die Durtonleiter sind die Halbtonschritte zwischen dem dritten und vierten sowie dem siebten und achten Ton. Die übrigen Intervalle sind Ganztonschritte. Der siebte Ton hat die Funktion eines Leittons.
Auf der Tastatur eines Klaviers ergeben die weißen Tasten, beginnend mit C, eine C-Dur-Tonleiter:
Hörbeispiel:
Tabelle mit Darstellung aller Durtonleitern
Jedes Tabellenfeld entspricht einer Stufe der chromatischen Tonleiter. Gebräuchlich sind Tonarten mit bis zu sechs (in Ausnahmefällen sieben) Vorzeichen, das sind also 13 (bzw. 15): die zwölf in der Tabelle dargestellten Tonleitern sowie – mit enharmonischer Umdeutung von Des – Cis-Dur. Tonarten mit mehr Vorzeichen sind zwar theoretisch möglich, aus Gründen der Lesbarkeit aber ungebräuchlich.
Die Durtonleitern sind innerhalb einer Oktave so dargestellt, dass gleichen Tonstufen gleiche Farben entsprechen. Schwarz dargestellt sind Wiederholungen der Tonleiterstufen außerhalb der betreffenden Oktave.
Siehe auch: Quintenzirkel
Beziehungen zu Moll
Mollparallele
Zu jeder Durtonart gibt es eine Paralleltonart in Moll, auch Mollparallele genannt, die die gleichen Töne enthält (und damit auch mit den gleichen Vorzeichen notiert wird) und eine kleine Terz tiefer beginnt (z. B. C-Dur – a-Moll). Dadurch entsteht die für Moll typische Abfolge von Ganz- und Halbtonschritten.
Auch zur Dur-Pentatonik gehört eine parallele Moll-Pentatonik, deren Grundton eine kleine Terz tiefer liegt. Der Blues lässt sich nicht so leicht in Dur und Moll einteilen, weshalb Bluestonleitern keine Parallelen haben.
Mollvariante
Die Varianttonart einer Durtonart beginnt auf dem gleichen Grundton, besitzt jedoch aufgrund der im Moll unterschiedlichen Stufenfolge andere Vorzeichen. Die Mollvariante liegt daher im Quintenzirkel stets drei Schritte abwärts im Vergleich zur zugrundeliegenden Durtonart: So wird z. B. E-Dur mit vier Kreuzen, e-Moll aber mit einem Kreuz vorgezeichnet.
Tabelle mit Darstellung aller Molltonleitern
Jedes Tabellenfeld entspricht einer Stufe der chromatischen Tonleiter.
Die Molltonleitern sind innerhalb einer Oktave so dargestellt, dass gleichen Tonstufen gleiche Farben entsprechen. Schwarz dargestellt sind Wiederholungen der Tonleiterstufen außerhalb der betreffenden Oktave.
Siehe auch: Quintenzirkel
Anordnung und Verwandtschaft der Dur- und Molltonarten
Vorzeichen: | 7 ♭ +fes |
6 ♭ +ces |
5 ♭ +ges |
4 ♭ +des |
3 ♭ +as |
2 ♭ +es |
1 ♭ b |
0 ♭/♯ |
1 ♯ fis |
2 ♯ +cis |
3 ♯ +gis |
4 ♯ +dis |
5 ♯ +ais |
6 ♯ +eis |
7 ♯ +his |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Dur-Tonarten: | Ces | Ges | Des | As | Es | B | F | C | G | D | A | E | H | Fis | Cis |
Moll-Tonarten: | as | es | b | f | c | g | d | a | e | h | fis | cis | gis | dis | ais |
Siehe auch: Quintenzirkel
Durdreiklang
Die Bestandteile des Durdreiklanges (siehe auch Akkord) sind Grundton, große Terz und Quinte.
Akustische Grundlagen des Durdreiklangs
Dass man einen Durdreiklang als harmonisch empfindet, kann man mit der Tatsache erklären, dass uns die Obertonreihe als naturgegebenes Klangphänomen vertraut ist und dass der Durdreiklang den Tönen der 4. bis 6. Ordnung dieser Obertonreihe entspricht.
Stark vereinfachtes Beispiel: Wenn ein tiefer Ton A gespielt wird, so klingen eine Reihe von Obertönen mit.
- Obertonreihe von A:
- A (110 Hz), A (220 Hz), E (330 Hz), A (440 Hz), C♯ (550 Hz), E (660 Hz), G (770 Hz), A (880 Hz)
Der 4., 5. und 6. Ton dieser Obertonreihe (A + C♯ + E) ergeben zusammen den Dreiklang A-Dur in der reinen Stimmung. Die heute gebräuchliche gleichschwebende Stimmung kann diesen vom Wohlklang her idealen Dreiklang nur annähern.
Der 3., 4. und 5. Ton (E + A + C♯) sowie der 5., 6. und 8. Ton (C♯ + E + A) entsprechen je einer Umkehrung des Durdreiklangs.
Der Durdreiklang ist also inklusive seiner Umkehrungen in der Obertonreihe enthalten und damit ein vollkommen natürlicher harmonischer Klang.
Früher endeten deshalb sogar viele in Moll gehaltene Werke (z. B. von Bach) mit einem Durakkord (sog. Picardische Terz), da nur dieser als wirklich schlussfähig angesehen wurde. Nur der Durdreiklang kann die für eine vollkommene Schlusswirkung gewünschte harmonische Ruhe herstellen: Eine Mollterz würde sich mit dem 5. Ton der über dem Grundton klingenden Obertonreihe reiben und deshalb als Trübung des reinen Klangs empfunden werden.
Die Stufendreiklänge von C-Dur
Mit dem Tonvorrat der Durtonleiter können drei Durdreiklänge gebildet werden. Diese befinden sich auf der ersten (Tonika), der vierten (Subdominante) und der fünften Stufe (Dominante).
Neben diesen Hauptstufendreiklängen können auch auf den Nebenstufen Dreiklänge errichtet werden. Dies sind drei Molldreiklänge und ein verminderter Dreiklang.
- Beispiel für die C-Dur-Tonleiter
Intervalle → | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 1 | 2 | 3 | 4 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Töne → | C | D | E | F | G | A | H | C | D | E | F | Dreiklang |
Stufe ↓ | ||||||||||||
1 | C | E | G | C-Dur | ||||||||
2 | D | F | A | d-Moll | ||||||||
3 | E | G | H | e-Moll | ||||||||
4 | F | A | C | F-Dur | ||||||||
5 | G | H | D | G-Dur | ||||||||
6 | A | C | E | a-Moll | ||||||||
7 | H | D | F | h vermindert |
Wenn man zu der oberen Tabelle noch die Halbtonschritte, die zwischen den Tönen liegen, mit berücksichtigt, dann kann relativ leicht abgeleitet werden, weswegen mit den sieben Tönen einer Durtonleiter nur drei Durdreiklänge möglich sind. (Jede Zeile der folgenden Tabelle kann man sich als einen Ausschnitt einer Klaviertastatur mit schwarzen Tasten vorstellen. Die Dreiklangstöne sind dort schwarz hervorgehoben.) Jede Zeile beginnt mit dem Grundton des entsprechenden Dreiklangs.
Halbtonschritte → | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Intervalle, bezogen auf den Grundton des Dreiklangs → |
1 | 2♭ | 2 | 3♭ | 3 | 4 | 4♯ 5♭ |
5 | 6♭ | 6 | 7♭ | j7 | Dreiklang |
Stufe nach dem Quintenzirkel sortiert ↓ |
|||||||||||||
4 | F | G | A | H | C | D | E | F-Dur | |||||
1 | C | D | E | F | G | A | H | C-Dur | |||||
5 | G | A | H | C | D | E | F | G-Dur | |||||
2 | D | E | F | G | A | H | C | d-Moll | |||||
6 | A | H | C | D | E | F | G | a-Moll | |||||
3 | E | F | G | A | H | C | C | e-Moll | |||||
7 | H | C | D | E | F | g | A | h vermindert |
Weitere Durtonleitern
Zu den Durtonleitern im weiteren Sinne (da sie ebenfalls eine große Terz zum Grundton enthalten) können auch die Kirchentonarten Lydisch und Mixolydisch sowie die phrygisch-dominante Tonleiter, das Zigeuner-Dur und das aus Gründen der Systematik eingeführte Harmonisch Dur gezählt werden.
Abweichungen
So prägend Dur und Moll für unsere Hörgewohnheiten sind, es gibt auch Musikkonzepte, die von der Einteilung in Dur und Moll abweichen, z. B. Ganztonskala, Zwölftonmusik oder Bluesskalen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Wieland Ziegenrücker: ABC Musik. Allgemeine Musiklehre. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4, S. 114–123.