Alfred Earle Birney OC FRSC (* 13. Mai 1904 in Calgary; † 3. September 1995 in Toronto, Ontario) war ein kanadischer Dichter, der bedeutende Werke zur kanadischen Poesie des 20. Jahrhunderts beitrug und seit seiner ersten Gedichtsammlung David and Other Poems (1942) konsequent die sprachlichen Ressourcen mit Leidenschaft und spielerischer Neugier erforschte. Während seiner schriftstellerischen Laufbahn war er experimenteller Dichter, der über zwanzig Gedichtbände veröffentlichte, die ebenso weit in Form und Stimme als auch in den Themen variierten. Seine Gedichte offenbaren seine ständige Sorge seine enzyklopädischen Erfahrungen über Kanadas geografische oder kulturellen Reichweiten, Natur, Reisen oder Studien der Liebe in einer wunderbar geschickten und geschmeidigen, aber immer ernsthaften Sprache wiederzugeben. Darüber hinaus befasste er sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit dem Leben und Werk von Dichtern wie Geoffrey Chaucer und Malcolm Lowry, aber auch über den Bergführer und Trapper Konrad Kain.
Leben
Birney verbrachte seine Kindheit in Alberta, zunächst auf einer Farm in Ponoka und später in Banff. Nach dem Grundschulbesuch arbeitete er als Packer und Bergführer in den kanadischen Rocky Mountains, ehe er in Creston den Abschluss der High School nachholte. Nach einer darauf folgenden Tätigkeit als Bankangestellter begann er 1922 ein Studium der Wissenschaften an der University of British Columbia (UBC) und später ein Studium der Anglistik mit einem Schwerpunkt in Alt- und Mittelenglisch an der UBC. Während seines Studiums war er Herausgeber der Studentenzeitung der UBC, The Ubyssey, wurde aus dieser Funktion aber durch die Universitätsverwaltung entlassen, was zu einer Kontroverse an der Universität führte. Zur Finanzierung seines Studiums arbeitete er als Maler, Verkäufer, Holzfäller und Vermessungsgehilfe sowie als Artikelschreiber und Werbetexter für die Point Grey Gazette. 1926 wechselte er an die University of Toronto und erwarb dort 1927 einen Master of Arts im Fach Englisch (M.A. English).
Nach dem Tod seines Vaters 1927 verzog Birney, der zu dieser Zeit ein überzeugter Anhänger des Marxismus-Leninismus war, nach San Francisco, wo er im Stadtteil Telegraph Hill lebte, und begann sein postgraduales Studium zu Erlangung eines Doctor of Philosophy (Ph.D.) an der University of California, Berkeley. Wegen der damals beginnenden Weltwirtschaftskrise musste er jedoch zunächst eine Tätigkeit als Dozent an der Englischabteilung der University of Utah annehmen, ehe er 1934 mit einem Stipendium der Royal Society of Canada (RSC) sein Ph.D.-Studiengang an der Universität London fortsetzte. Nach der Überfahrt mit einem Trampdampfer finanzierte er seinen dortigen Lebensunterhalt neben dem Stipendium auch als Mitarbeiter in der British Library sowie der Zentrale der Independent Labour Party (ILP). In der Folgezeit unternahm er auch Reisen nach Norwegen, wo er mit Leo Trotzki zusammentraf, und nach Berlin, wo er während eines Aufmarsches der NSDAP wegen der Verweigerung des Hitlergrußes vorübergehend festgenommen wurde.
1936 kehrte Birney nach Kanada zurück und erwarb dort seinen Ph.D. an der University of Toronto mit einer Dissertation über Geoffrey Chaucer. Nach weiteren Lehrtätigkeiten war er während des Zweiten Weltkrieges von 1942 bis 1945 Personaloffizier der Canadian Army. 1942 gewann Birney für David and Other Poems erstmals den Preis des Generalgouverneurs (Governor General’s Award for Poetry) und erhielt diesen Preis zum zweiten Mal 1945 für Now Is Time. Er war in der Folgezeit nicht nur als Dichter schriftstellerisch tätig, sondern auch als Dramatiker, Romanautor und Herausgeber.
Nach einer Tätigkeit als Dozent für kreatives Schreiben und Literatur, übernahm Birney 1946 eine Professur an der University of British Columbia und lehrte dort bis 1965. Für Turvey – A Military Picaresque (1949), einen düster-komischen Roman über den Zweiten Weltkrieg, gewann er 1950 den Stephen-Leacock-Award for Humour. 1953 wurde ihm von der Royal Society of Canada die Lorne-Pierce-Medaille für Literatur verliehen. An der UBC gründete und leitete er das erste Studienprogramm für kreatives Schreiben in Kanada, das an der UBC 1965 letztlich zur Gründung der ersten Abteilung für kreatives Schreiben an einer kanadischen Universität führte. Zu seinen Helfern beim Aufbau des Studienprogramms für kreatives Schreiben gehörten auch der Literaturwissenschaftler Warren Tallman und dessen Ehefrau Ellen King, die 1956 Dozententätigkeiten an der UBC begannen, sowie Roy Daniells, während der spätere Gewinner des Governor General’s Award for Fiction, Jack Hodgins, einer seiner Studenten war. 1965 wurde Birney, der in den 1960er Jahren auch junge Dichter wie Joe Rosenblatt unterstützten, erster Writer in Residence an der University of Toronto.
Für seine langjährigen Verdienste um die kanadische Literatur wurde Birney am 26. Juni 1970 mit dem Offizierskreuz des Order of Canada (OC) ausgezeichnet.
In seinen unterschiedlichen poetischen Arbeiten und Stilen wie konkreter und visueller Poesie, aber auch in seiner Sammlung aufgenommener Gedichte mit dem Percussionensemble Nexus (1982) demonstrierte Birney sein tiefes Engagement dafür, dass Sprache in jedem möglichen und beredten Weg eine Bedeutung hat. Zu seinen späteren Werken, die teilweise in dem 1970 von Brian Brett mitbegründeten Verlag Blackfish Press erschienen, gehörten Fix (1985), Words on Waves: Selected Radio Poems (1985) sowie Essays on Chaucerian Irony (1985). Nach seinen Memoiren Spreading Time: Remarks on Canadian Writing and Writers 1904-1949 (1989) erschien seine letzte Gedichtsammlung Last Markings (1991).
Werk
In der Identitätsdiskussion im Kanada der 1940er und 1950er Jahre ("Was ist Kanada?") spielte Birney eine Rolle. In seinem Gedicht „Can. Lit.“ (1947, überarbeitet 1966) sah er vor allem die Geschichtslosigkeit und das Fehlen von Tradition des Landes, dies im Unterschied zu den USA, als maßgeblich an:
„… We French, we English never lost our civil war/ Endure it still, a bloodless civil bore/ No wounded lying about, no Whitman wanted/ It’s only by our lack of ghosts we’re haunted.“
Veröffentlichungen
1937–1949
1950–1959
1960–1969
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1970–1979
1980–1991 und posthume Veröffentlichungen
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Literatur
- Peter Charles Noel-Bentley: A study of the poetry of Earle Birney. 1966
- dsb.: Earle Birney. An Annotated Bibliography. 1983
- Kathleen B. Braid: The development of idea and technique in the poetry of Earle Birney. 1967
- Frank Davey: Earle Birney. 1971
- Richard H. Robillard: Earle Birney. 1971
- Rod S. Brown: Three perspectives on the Depression. Morley Callaghan, Hugh MacLennan, Earle Birney. 1974
- Peter Aichinger: Earle Birney. 1979
- Debra Barr: Guide to the papers of Earle Birney in Canadian repositories. Compiled by Debra Barr for the Thomas Fisher Rare Book Library. 1987
- Elspeth Cameron: Earle Birney: a life. 1994
- Bruce Nesbitt: Earle Birney. 1974
- dsb.: Conversations with Trotsky. Earle Birney and the Radical 1930s. University of Ottawa Press 2017
Weblinks
- Eintrag in The Canadian Encyclopedia
- Eintrag in Canadian Poetry Online
- Earle Birney. A Brief Biography
- Eintrag in Canadian Writers
- Werke von Earle Birney Open Library
- Hintergrundliteratur zu Earle Birney (Open Library)
- Two Poems by Earle Birney