Als Echtzeit-Strategiespiel (englisch real-time strategy, abgekürzt RTS) wird ein populäres Computerspiel-Genre bezeichnet, in dem interaktiv alle Spielteilnehmer ihre Aktionen den Aspekten eines strategischen Spieles (also Problemanalyse und -diagnose, Aufstellen von Handlungsalternativen und Implementieren der richtigen Maßnahme) unterwerfen und, im Gegensatz zu rundenbasierten Strategiespielen, simultan (also in Echtzeit) ausführen. Die Aufgabe des Spielers ist es also, die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit am richtigen Ort durchzuführen, um das Spielziel zu erreichen.

Das Augenmerk solcher Spiele aus der Frühphase des Genres lag im militärischen Bereich (Aufbau und Verwaltung einer Armee zur Zerschlagung des Gegners), wobei dieser in geringem Maße um wirtschaftliche (Ressourcenabbau und -management) und technologische Aspekte (Erforschung höherer Technologien) erweitert wurde. Der Begriff Echtzeit-Strategiespiel wurde jedoch im Laufe der Zeit zunehmend verwässert, da zum einen Entwickler, Publisher, Spielemagazine und Spieler ihn auf diverse Produkte anwendete, die nur bedingt in das Genre passten (z. B. Aufbaustrategiespiel), und zum anderen aufgrund der Hybridisierung von Echtzeit-Strategiespielen der jüngeren Generation, die Elemente aus anderen Genres (Rollenspiele, Ego-Shooter etc.) übernahmen. Entsprechend schwierig ist also eine Taxonomierung des Genres: So können entweder ihm zahlreiche Subgenres untergeordnet werden, so etwa Echtzeit-Taktikspiele, Wirtschaftssimulationen, Tower Defense, Globalstrategiespiel, MOBAs etc., oder es gilt neben diesen und anderen (etwa rundenbasierten Strategiespielen) selbst als Subgenre von Computer-Strategiespielen.

Seit Ende der 1990er stellt es hinter den Ego-Shootern das wichtigste Computerspielgenre dar, gemessen an Verkaufszahlen und der Präsenz auf LAN-Partys. In manchen Gesellschaften ist es zudem überproportional populär, so zum Beispiel in Südkorea, wo Fernsehsender Matches des Strategiespiels Starcraft übertragen.

Geschichte

Ursprünge

Als wahrscheinlichster Kandidat für das erste Computer-Strategiespiel gilt das runden- und textbasierte Civil War von 1968. Erste Echtzeitelemente in Computerspielen mit strategischer Spielmechanik tauchten Anfang der 1970er Jahre mit der Entstehung von Onlinespielen in den sogenannten Multi User Dungeons und 1972 im ersten hybriden Video-Strategiespiel Invasion auf. Diese Spiele enthielten aber kaum Spielelemente heutiger Echtzeit-Strategiespiele und waren diesen noch wenig ähnlich.

Das erste Spiel, welches die heute typische Mechanik des zeitgleichen Steuerns von mehreren Einheiten in einem graphisch dargestellten Kampfgebiet umsetze, war Schlachtfeld (1979) für das Philips G7000 (auch bekannt unter War of Nerves oder Battlefield). Weitere Elemente von Echtzeit-Strategiespielen finden sich in frühen Spielen wie Utopia (1981) für das Intellivision, Stonkers (1984) für den ZX Spectrum, und The Ancient Art of War (1984) für Heimcomputer.

Eine nächste Entwicklungsstufe wurde mit dem ersten kommerziellen Online-Strategiespiel Modem Wars (1988) erreicht, das viele der heute bekannten Elemente zur taktischen Steuerung in einem Echtzeit-Spiel einführte, wie das Zusammenstellen von Verbänden und automatisches Pathfinding in unterschiedlichen Landschaften. Ende der 1980er Jahre kamen dann Strategiespiele auf, die in den Action-Sequenzen mit Echtzeit-Elementen arbeiteten. Eines der ersten Spiele in diesem Bereich war das Sezessionskrieg-Strategiespiel North & South (1989).

Als erstes Echtzeit-Strategiespiel mit annähernd allen heute bekannten Spielelementen gilt das 1989 für das Sega Mega Drive entwickelte Herzog Zwei, in dem beide Spielparteien in Echtzeit auf einer Übersichtslandkarte Einheiten aufbauten und gegeneinander agierten. 1990 erschien Powermonger von Bullfrog, das bereits eine voll dreh-, schwenk- und zoombare 3D-Perspektive bot, wie sie erst ein Jahrzehnt später wieder in solchen Spielen Einzug halten sollte. 1991 erschien mit Mega lo Mania ein weiterer Vorläufer des Genres.

Einen gewissen Abschluss fand die frühe Phase der Echtzeit-Strategiespiele mit Dune II (1992) von den Westwood Studios, das die heute bekannte Steuerung mit Maus und Tastatur einführte und damit den Quasi-Standard für nachfolgende Spiele setzte. Es gilt als Inspiration für zahlreiche weitere Spiele und gab dem Genre erst seinen heutigen Namen. Als Ursprung des Genrekonzept RTS selbst wird Westwood-Mitbegründer Brett W. Sperry genannt, welcher den Ausdruck ‘real-time strategy’ für Dune II prägte:

“It wasn't until some time after the game was in development that I decided to call it ‘real-time strategy’– it seems obvious now, but there was a lot of back and forth between calling it a ‘real-time war game’, ‘real-time war’, ‘wargame’, or ‘strategy game’. I was deeply concerned that words like ‘strategy’ and ‘wargame’ would keep many players from even trying this completely new game dynamic. Before 1992, wargames and strategy games were very much niche markets – with the exception of Sid Meier's work – so my fears were justified. But in the end, it was best to call it an ‘RTS’ because that is exactly what it was.”

„Das Spiel war schon eine Weile in der Produktion als ich entschied, es ‚Echtzeit-Strategie‘ zu nennen – das scheint heutzutage naheliegend, aber damals gab es viel Hin und Her, ob wir es ‚Echtzeit-Kriegsspiel‘, ‚Echtzeit-Krieg‘, ‚Kriegsspiel‘ oder ‚Strategiespiel‘ nennen sollen. Ich war sehr besorgt, dass Wörter wie ‚Strategie‘ und ‚Kriegsspiel‘ viele Spieler davon abhalten würden, diese vollkommen neue Spieldynamik überhaupt einmal auszuprobieren. Vor 1992 waren Kriegs- und Strategiespiele absolute Nischenmärkte – mit Ausnahme der Arbeiten von Sid Meier –, daher war meine Furcht begründet. Aber am Ende war es das Beste, es als ‚RTS‘ [Anm.: Real-time strategy] zu bezeichnen, denn genau das ist es.“

Brett W. Sperry: in: A History of Real-Time Strategy Games von Bruce Geryk (GameSpot)

Wachsende Popularität ab Mitte der 1990er

Richtig populär wurde diese Spielform durch den ersten Teil der Command-&-Conquer-Serie (1995), ein Jahr nachdem das stark an Dune II angelehnte Warcraft (1994) erschienen war. Als erstes Spiel einer zweiten Generation der RTS wird Total Annihilation gezählt, welches das Genre mit einigen Innovationen voranbrachte, u. a. 3D-Physik und 3D-Grafik. Zu einem weiteren Aufstieg des Genres verhalfen vor allem auch Age of Empires (1997) und StarCraft (1998).

Technischer Wandel zu 3D Ende der 1990er

Die starre 2D-Perspektive der ersten Strategiespiele wurde später in eine echte dreidimensionale Landschaft verwandelt, die zoom- und drehbar ist. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die Veröffentlichung des Spiels Homeworld, das erstmals den Handlungsraum des Genres vollständig in den dreidimensionalen Raum führt, was vollkommen neue Taktiken und Spielweisen ermöglicht.

2000er

Der Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD) gab 2003 für das Strategiespielgenre einen Marktanteil von rund 20 % an; die Echtzeitspiele dürften hier den Löwenanteil halten. Dies zeigt sich auch daran, dass Echtzeit-Strategiespiele insgesamt mit 14 Gold- und 10 Silber-Awards des VUD prämiert wurden (die auf Verkaufszahlen basieren), während rundenbasierte Spiele hier seltener auftauchen. Laut der Entertainment Software Association (ESA) ist das Strategiespielgenre sogar das bestverkaufte Computerspiel-Genre mit einem Marktanteil von 27 % (Stand 2004). Die Age-of-Empires-Serie wurde etwa 30 Millionen Mal gekauft, die Command-&-Conquer-Serie bereits über 25 Millionen Mal und StarCraft seit seiner Veröffentlichung 1998 etwa 17 Millionen Mal.

Auf großen internationalen LAN-Partys stellen die Echtzeit-Strategiespiele mit den Sportspielen die einzigen ernsthaften Konkurrenten zu den Ego-Shootern, wenn auch an deutlich sekundärer Stelle.

2010er: Einfluss durch andere Genres

Mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten, die zu einer wesentlichen grafischen Verbesserung der Ego-Shooter führten und der steigenden Internetgeschwindigkeit bei sinkenden Kosten, die den Weg für MMORPG ebneten, wuchs der Konkurrenzdruck auf die Echtzeit-Strategiespiele. Diese profitieren von den zunehmenden technischen Möglichkeiten weniger, wobei das klassische Spielprinzip bereits in vielen Spielen ausgereizt zu sein scheint. Deshalb öffneten sich die Entwickler zunehmend anderen Genres und verknüpften Elemente des Echtzeit-Strategiespiels mit denen anderer Genres (s. u.). Deutlich größerer Beliebtheit erfreuen sich heute sogenannte Multiplayer Online Battle Arenas (MOBA). Dieses als Abart der Echtzeit-Strategiespiele entstandene Genre vereint klassische Echtzeitstrategie mit Rollenspiel-Elementen und Spieler-gegen-Spieler-Mechaniken (PvP). Die Verwandtschaft der Genres spürt man jedoch nicht nur im klassischen Spielablauf, sondern auch in den Wurzeln der MOBAs. So ist das allgemein als erstes MOBA bezeichnete Spiel Defense of the Ancients (DotA) eine Modifikation des Echtzeit-Strategiespiels Warcraft 3.

Typische Elemente und Begriffe von Echtzeit-Strategiespielen

Diese Art von Strategiespielen grenzt sich in ihrer Spielweise stark von anderen Computer-Strategiespieltypen wie z. B. den Wirtschaftssimulationen (z. B. Anno 1602) ab, die auch strategische Elemente besitzen und in Echtzeit geschehen.

Die folgenden gekennzeichneten Elemente von Echtzeit-Strategiespielen müssen in keinem Vertreter des Genres zwingend vorkommen; dennoch lässt sich ein Großteil dieses Merkmalinventars in den meisten modernen Echtzeit-Strategiespielen wiederfinden.

Viele Spiele bieten heute zum Teil umfangreiche Karteneditoren, um eigene Kampagnen, Szenarien und Karten zu gestalten.

Echtzeit

Das Ablaufen des Spiels in Echtzeit der Echtzeit-Strategiespiele ist die Kerneigenschaft des Genres: diese setzt den Spieler unter großen Zeitdruck und verlangt neben strategischer Weitsicht auch schnelle Reaktion und Übersicht in chaotischen Situationen, Karten oder Kämpfen. Häufig wird deshalb Aufbau der Wirtschaft sowie der Steuerung der Einheiten schematisiert und stark vereinfacht, z. B. im Gegensatz zu Rundenbasierten Strategiespielen.

Kartensicht

Nahezu sämtliche Echtzeitstrategie-Spiele haben begrenzte, rechteckige Karten, die durch verschiedene Höhenstufen und Untergründe (Wasser, Land, Eis) gestaltet werden und dem Spieler einen Überblick in Perspektive von oben liefert.

Kartensicht bezeichnet im Speziellen, welche Sichtmöglichkeiten der Spieler auf die Karte besitzt.

Grundsätzlich hat jedes Gebäude und jede Einheit des Spielers eine Line of Sight (LOS) (deutsch: Sichtlinie), innerhalb welcher diese Einheit fremde Einheiten und ihre Umgebung sichten kann. Die Sichtlinie ist meist nicht identisch mit der Kampfreichweite von Einheiten.

Einmal durch die Sichtlinie einer Einheit des Spielers (oder die eines verbündeten Spielers) gesichtete Abschnitte der Karte bleiben dauerhaft sichtbar. Entscheidend ist nun, ob innerhalb dieses Gebiets der Nebel des Krieges (engl.: fog of war, FOW) auftaucht, wenn das Gebiet wieder aus der Sichtlinie der Einheit gerät. Das Gelände eines Gebietes im Kriegsnebel ist vom Spieler weiterhin sichtbar, aber nicht das Geschehen (z. B. Truppenbewegungen) auf diesem.

Spiele ohne Kriegsnebel ermöglichen dem Spieler, ein (unrealistisch) gutes Wissen um die Geschehnisse auf der Karte zu entwickeln, wenn der Großteil der Karte erforscht ist.

Ein weiterer Unterschied in der Kartensicht ergibt sich, ob die Karte von vorneherein vollständig aufgedeckt ist oder nicht. Bei ersterem ist die gesamte Karte von Beginn an mit dem Kriegsnebel bedeckt, bei letzterer Variante sind noch nicht erkundete Gebiete mit vollständigem Schwarz gefüllt, das heißt, der Spieler besitzt keinerlei Erkenntnis weder über das Gelände noch das Geschehen in diesen Gebieten.

Der Nebel des Krieges wurde mit Warcraft II ein bekannteres Konzept, einige Strategiespiele wie Laser Squad beinhalteten dieses Konzept schon Jahre früher. Der Kriegsnebel versteckte dabei langsam wieder das entdeckte Gebiet, wenn keine Einheit mehr in Sichtweite war. Im ersten Warcraft-Teil und auch in Dune II aus dem Jahre 1992 blieben die einmal aufgedeckten Gebiete weiterhin einsehbar, auch wenn sich das Gebiet längst nicht mehr in Sichtweite von eigenen Einheiten befand. Bei Stronghold Crusader 2 ist die gesamte Karte bereits zu Beginn vollständig aufgedeckt und es gibt keinen Nebel des Krieges, sodass der Spieler die Karte weder erkunden noch ausspähen muss, um Informationen über Ressourcenvorkommen oder die Spielzüge seiner Gegenspieler zu erlangen. Lediglich einige wenige „versteckte Lager“ mit ein paar direkt verwendbaren Ressourcen müssen in die Sichtlinie von Einheiten kommen, um entdeckt zu werden.

Ressourcen und schematisierte Wirtschaft

Echtzeit-Strategiespiele arbeiten häufig mit einer geringen Auswahl an Rohstoffen (auch: Ressourcen, im Jargon auch Res oder Ressis abgekürzt), die als Grundlage für den Bau aller Gebäude und Einheiten sowie der Entwicklung sämtlicher Technologien dienen.

Rohstoffe können meistens in verschiedenen Formen abgebaut oder gewonnen werden. Typische und häufig zu findende Rohstoffe sind etwa Gold, Geld oder „Credits“, die manchmal auch den einzigen Rohstoff stellen, sowie Nahrung, Holz, Stein oder sonstige Baumaterialien, Eisen, Metall, Kristall oder andere (Phantasie-)Rohstoffe und Chemikalien (z. B. Tiberium bei Command and Conquer).

Die Verarbeitung von Rohstoffen entfällt oftmals oder verläuft stark automatisiert durch bestimmte Gebäude. Die Rohstoffe werden oftmals auf einem imaginären Rohstoffkonto gesammelt und bedürfen nur selten entsprechender Lagergebäude (Dune II, Command & Conquer).

Die Rohstoffe sind in ihrer Anzahl begrenzt, ihre Vorkommen über die gesamte Spielkarte verteilt; ein Hauptmerkmal ist daher das Sichern von und der Kampf um Rohstoffe, Handels- oder Transportwege. Hauptgrundlage einer erfolgreichen Strategie in allen (Echtzeit-)Strategiespielen ist es, den Nachschub an Ressourcen zu sichern, wodurch sich meistens Kämpfe gegen potentielle „Rohstoff-Diebe“ anschließen.

In einigen Spielen wird außerdem die Variante gewählt, dass die militärische Kontrolle um Rohstoffvorkommen oder Gelände reicht, um solche zu erhalten, und der Ressourcenzuwachs steigt, je mehr Rohstoffvorkommen oder Gebiet sich in der Kontrolle des Spielers befinden, d. h. verliert der Spieler mehrere Quellen, so fällt auch sein Zuwachs an Ressourcen schwächer aus. Bekannte Beispiele hierfür sind Warhammer 40.000: Dawn of War, Company of Heroes und Earth 2150.

Spielphasen

Anfangsphase

Die Wettbewerbsfähigkeit eines Mitspielers wird meistens in den ersten 10 Minuten ermittelt. Diese entscheiden, ob der Spieler in der Lage ist, sich die nötigen Rohstoffe zu beschaffen, um in der Folgezeit mit den anderen Spielern mitzuhalten. Dieser Moment ist in unterschiedlichen Spielen verschieden gewichtet, und auch die Dauer der Anfangsphase ist unterschiedlich lang. In einigen Spielen und Spielmodi ist der Spieler bereits zu Beginn des Spiels oder in wenigen Minuten fähig, den Gegner anzugreifen oder sich zu verteidigen, während er in anderen Spielen dazu längere Aufbauphasen benötigt.

Merkmale der Anfangsphase sind für gewöhnlich jedoch:

  • Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft
    Es wird die nötige Anzahl von Ressourcensammlern erstellt, um den dauerhaften Rohstofffluss zu sichern, der für die strategische Wettbewerbsfähigkeit nötig ist.
  • Ausbau der eigenen Basis
    An der eigenen Startposition (Basis) werden alle benötigten Gebäude gebaut und das Gebiet mit verschiedenen Hindernissen und Verteidigungsanlagen ausgerüstet. Je nach Spiel sind die Basen verschieden groß und ausgedehnt. In späteren Phasen des Spiels werden außerdem öfter Sekundärbasen gebaut, doch viele Spiele begünstigen eine einzige Primärbasis.

Die Grundstruktur ist damit die eines sich verschanzenden Verteidigers, der gegen einen Angreifer kämpft.

  • Erkundung der Karte
    Meistens mit einfachen und/oder schnellen Militäreinheiten wird die nähere Umgebung auf der Karte nach Rohstoffen und strategisch wichtigen Punkten abgesucht. Die Erkundungsmethoden ergeben sich aus der Kartensicht.

Eine mögliche Taktik in der Anfangsphase ist der sogenannte Rush:

Dabei probiert ein Spieler einen Angriff in einer Anfangsphase des Spiels mit billigen oder schnell zu bauenden Militäreinheiten. Diese Taktik kann bei einem Fehlschlag zu Nachteilen im nachfolgenden Spielverlauf führen, bei Erfolg allerdings die gegnerische Wirtschaft spielentscheidend schwächen oder sogar zu seiner unmittelbaren Niederlage führen.

Eine weitere Taktik ist der Tech Rush:

Hierbei werden sowohl die Offensive als auch die Defensive stark vernachlässigt, um möglichst schnell entscheidende technologische Vorteile zu erhalten. Zwar ist der Tech Rush naturgemäß anfällig gegenüber dem Rush, bringt aber im späteren Spiel bei Erfolg meist entscheidende Vorteile, wodurch der Gegner relativ einfach besiegt werden kann. Natürlich muss dazu eine Technologie-Spielmechanik implementiert sein.
Haupt- und Kampfphase

In dieser Phase findet der Großteil des Spiels statt. Diese Phase ist zeitlich kaum festzulegen und kann sich noch in verschiedene (meistens spielbedingte) Einzelphasen unterteilen.

Da der Spieler innerhalb dieser Phase auch die meisten Möglichkeiten besitzt, lassen sich die möglichen Geschehnisse nur ungefähr kategorisieren. Zudem entwickeln gerade jetzt viele Computerspiele ihre speziellen taktischen und strategischen Besonderheiten.

Typische Spielmechanik

Folgende Merkmale lassen sich in vielen Spielen nachweisen:

  • Kampf um die Vorherrschaft und den Sieg
    Die Spieler kämpfen gegeneinander (nur sehr selten miteinander gegen den Computer, dagegen öfter in Mannschaften gegeneinander) um das Erreichen des Spielziels. Deshalb findet eine Reihe taktischer Schlachten oder Manöver statt, vom Kampf um die Infrastruktur, dem Überfall auf Ressourcensammler hin zum Frontalangriff auf die gegnerische Basis.
  • Technologischer Ausbau und Spezialisierung
    In einigen Spielen ist die Weiterentwicklung von Einheiten und Gebäuden möglich, entweder in der Form von
    • allgemeinen Einheitenupgrades (Einheitenaufwertung), das heißt, alle Einheiten eines Truppentypus zu verbessern (bspw. in einen nächsthöheren zu verwandeln, alle Einheiten des jeweiligen Typus mit einer neuen Waffe ausstatten …) oder
    • speziellen Einheitenupgrades, das heißt eine individuelle Einheit zu verbessern
      oder sonstigen Verbesserungen der eigenen Zivilisation. In der Hauptphase spezialisiert sich der Spieler auf bestimmte Technologien und Strategien.
  • Langsamer Abbau der Wirtschaft
    Mit dem zunehmenden Schwinden der Ressourcen und dem oft zu Ende des Spiels sehr komfortablen Rohstoffkonto nehmen die strategischen Elemente weiter zu, bis meistens nur noch eine Rumpfwirtschaft vorhanden ist und das Management der Wirtschaft einen nur noch kleinen Raum einnimmt.

Häufige Spielziele

Neben den Szenarien, die meistens spezielle oder eine Anzahl verschiedener Spielziele (winning conditions) vorsehen, gibt es eine Reihe populärer Spielziele und Spielmodi.

  • Das klassische Spielziel ist die Vernichtung aller oder eines Großteils der Einheiten des Gegners.
    Dieses Spielziel kann differenziert werden in die Vernichtung sämtlicher Einheiten, nur der Militäreinheiten, nur der Basen usw.
  • Die Strategiespielvariante von Capture the Flag (CTF) (engl. „Erobere die Flagge“), hier auch King of the Hill (KotH) (engl. „König des Hügels“) genannt, ist meistens die Aufgabe, ein gewisses Gebiet oder bestimmte Gegenstände auf der Karte für eine bestimmte Zeit zu kontrollieren.
  • Seltener gilt es, eine bestimmte Punktzahl (innerhalb eines Zeitlimits) zu erreichen.
    Punkte (oder auch Score) ist eine vom Spielsystem nach Kriterien wie besiegten Gegnern, erhaltenen Ressourcen usw. an den Spieler vergebene Wertung. Diese variiert stark von Spiel zu Spiel.

Zudem gibt es einige Spielvarianten, die manchmal auftauchen:

  • Sogenannte Fastmaps (oder auch Funmaps) sind sehr kleine Karten, die meistens mit hohen Anfangsressourcen gespielt werden. Bei diesen wird absichtlich die Anfangsphase stark verkürzt oder ausgelassen, und auch die Gesamtspieldauer ist stark reduziert.
  • Bei einem Deathmatch („Todeskampf“) starten die Spieler auf normalen Karten, allerdings mit wesentlich mehr Rohstoffen und/oder Einheiten.

Besonders die Mehrspielerkarten sind meistens symmetrisch gehalten mit einer gleichmäßigen Verteilung der Rohstoffe.

Mehrspielermodi

Die meisten Spiele haben sowohl einen Modus, in dem man in verschiedenen Schwierigkeitsstufen gegen eine künstliche Intelligenz spielt (Single-Player), als auch einen, in dem man gegen andere menschliche Spieler antritt (Multiplayer).

Meistens werden zudem sogenannte Kampagnen angeboten, in denen der Spieler im Single-Player eine Reihe fiktionaler oder realem nachempfundene Szenarien nachspielen kann, die einem thematischen und/oder temporalen Ablauf folgen. Die Kampagnen sind oft aufwendig mit geskripteten, unerwarteten und in normalen Spielen nicht vorhandenen Ereignissen versehen und enthalten zudem häufig Videosequenzen und weitläufige Hintergrundgeschichten.

Im Mehrspieler wird hingegen meistens auf die Spieleranzahl ausbalancierten oder zufallsgenerierten Karten gespielt.

Das Mehrspieler beschränkte sich anfänglich auf Verbindungen via Modem oder Nullmodem-Kabel, bei dem meistens zwei bis vier Spieler zusammen spielen konnten. Mit fortschreitender Entwicklung und Preisverfall der PC-Technologie wurden schnell LAN-Verbindungen populär. Auf großen LAN-Partys spielen Echtzeit-Strategiespiele neben Ego-Shootern eine große Rolle.

In neuerer Zeit gewinnt das Internet eine immer größere Bedeutung als Spieleplattform. Dadurch sind nahezu alle Echtzeitstrategie-Spiele heute auch Online-Spiele. Im Internet finden sich viele Clans, die Echtzeit-Strategiespiele spielen.

Die Spiele können dabei für Zuschauer als Shoutcast oft auch kommentiert übertragen werden: entweder live oder durch Abspielen eines Replays eines aufgezeichneten Spiels.

Variationsbreite bei Echtzeit-Strategiespielen

Die Bandbreite erhältlicher Echtzeit-Strategiespiel reicht sehr weit, und das Gameplay ist trotz einiger gleicher Spielprinzipien jeweils sehr unterschiedlich. Weitere Aspekte zur Einordnung von Echtzeit-Strategiespielen sind:

Micromanagement vs. Macromanagement

Bei Spielen, die sich auf das Macromanagement konzentrieren, befehligt der Spieler große Armeen bzw. Wirtschaften, deren Abläufe im Einzelnen durch Computerroutinen automatisiert sind. So besteht die Aufgabe des Spielers etwa mehr darin, die Anzahl der Militäreinheiten zu proportionieren oder sie in Gruppen einzuteilen, aber nicht darin, einzelnen Einheiten Befehle oder Angriffsziele zuzuweisen. Beispiel: Supreme Commander.

Bei Spielen, in denen das Micromanagement im Vordergrund steht, kontrolliert der Spieler – bedingt durch ein Einheitenlimit oder hohe Einheitenkosten – vergleichsweise wenige Einheiten. Diese Spiele erfordern vom Spieler, sich mehr mit den individuellen Stärken und Schwächen seiner Einheiten zu beschäftigen. Beispiele: Warcraft III, Warhammer 40.000: Dawn of War, Company of Heroes.

Hybride Spiele versuchen, beide Aspekte miteinander zu verbinden, indem sie dem Spieler erlauben, Entscheidungen auf einer strategischen und auf einer taktischen Karte zu treffen. Die Spiele der Total-War-Reihe finden beispielsweise runden-basiert auf einer strategischen Karte mit Provinzen statt. Kommt es zu einem Gefecht, hat der Spieler die Möglichkeit, dieses in Echtzeit auf einer taktischen Geländekarte auszutragen. Die Spiele der Hegemony-Reihe dagegen finden auf einer einzigen durchgehenden Geländekarte in Echtzeit statt, wobei der Spieler jedoch jederzeit über die Möglichkeit verfügt, von der strategischen Sicht in die taktische Sicht zu zoomen und wieder zurück.

Stärke des Wirtschaftsaspektes

Wenngleich bei allen Strategiespielen selbstverständlich die Strategie im Vordergrund steht, ist ein weiterer Maßstab, wie wichtig wirtschaftliches Management ist und wie viel prozentuale Anteile der Spielzeit der Spieler der Wirtschaft widmen muss.

Bei Spielen mit starkem Wirtschaftsaspekt sind erfolgreiche Strategien davon abhängig, inwiefern es dem Spieler zuvor gelingt, einen ausgewogenen und dauerhaften Fluss von Ressourcen zu sichern. Gelingt ihm dies nicht, wird er womöglich trotz taktischer Überlegenheit verlieren. Der Spieler besitzt Vorräte von verschiedenen Gütern (zum Beispiel Holz), und Einheiten und Gebäude benötigen – je nach ihrer Natur – gewisse Mengen an verschiedenen Gütern, um gebaut zu werden. Geldwirtschaft spielt – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Bei einigen Spiele – wie beispielsweise der Hegemony-Reihe – findet der Wirtschaftsaspekt hingegen Ausdruck in einem Logistik- und Versorgungssystem, welches zusätzlich zu den rein militärischen Spielmechaniken gemanagt werden muss.

Bei Spielen mit geringem Wirtschaftsaspekt sind wirtschaftliche Themen nahezu ausgeklammert. Die Herstellung oder der Abbau von Ressourcen verlaufen automatisiert und im Hintergrund; eine schwache oder starke Wirtschaft hat nicht unbedingt Auswirkungen auf den Verlauf des Spiels. Die Wirtschaft läuft hierbei vollständig mit Geld ab, also Einheiten und Gebäude werden quasi gekauft und nicht gebaut. Eine Beschaffung einzelner Materialien findet nicht statt. Gibt es im Spiel verschiedene Rohstoffquellen, so bringen sie immer Geld und unterscheiden sich allenfalls in Ergiebigkeit und Abbaugeschwindigkeit.

Für diesen Maßstab mag Command & Conquer als Beispiel für ein Spiel mit geringem und Age of Empires als Beispiel für ein Spiel mit starkem Wirtschaftsaspekt dienen.

Handlungsort und -zeit

Häufig anzutreffende Hintergründe für Strategiespiele sind:

Verwandte Genres

Die Einteilung in Genres ist im Computerspielbereich keinesfalls immer eindeutig, und es gibt deshalb nur wenige originäre Echtzeit-Strategiespiele. Der Gleichzeit- und Strategieaspekt ist ohne Umstände vereinbar mit den Elementen anderer Spieltypen. Häufige Überschneidungen finden sich mit den folgenden Genres:

Rundenbasierte Strategiespiele sind meistens komplexer aufgebaut und bauen auf tiefergründige Zusammenhänge, die der unbegrenzte Zeitrahmen erlaubt. Trotz der unmittelbaren Nähe zu diesem Genre unterscheidet sich das Gameplay deshalb erheblich: Echtzeit-Strategiespiele benötigen Reaktionsvermögen und Geschick, während ihre rundenbasierten Pendants eher auf Übersicht und Planungsvermögen bauen. Beispiele: Master-of-Orion-, Civilization- und X-Com-Reihe. Außerdem gibt es noch Mischprinzipien, wie etwa die Total-War-Reihe.
Unter diese Kategorie fallen einige wenige, aber erfolgreiche Spiele wie Myth, Sudden Strike oder Syndicate. Diese Spiele arbeiten nicht mit Einheitentypen oder Zivilisationen, die der Spieler aufbaut, sondern auf wenigen Spielcharakteren, die der Spieler in einer taktischen Situation lenkt, ohne vorherigen Aufbau oder Truppenproduktion. Hier finden sich Ähnlichkeiten im Interface, der Kartensicht und der Gleichzeitigkeit, die Spielziele und Szenarien sind aber gänzlich anders gelagert.
Viele der heutigen Wirtschaftssimulationen handeln bereits in Gleich- bzw. Echtzeit, und viele von ihnen bieten die Möglichkeit, auch militärisch gegen den Gegner vorzugehen, etwa wie die Anno- oder die Siedler-Reihe. Viele Aufbaustrategie-Spiele laufen ebenfalls in Echtzeit ab, zum Beispiel Cities: Skylines oder Banished.
Wenn die Spielfiguren einen stärker individuellen Charakter annehmen, ergeben sich Übergänge zum Computer-Rollenspiel. So haben in Gangsters: Organisiertes Verbrechen und Gangsters 2 alle Gangmitglieder nicht nur unterschiedliche Fähigkeiten, sondern auch einen persönlichen Namen und ein eigenständiges Aussehen. Ihre Schlagkraft kann durch die entsprechende Ausrüstung verbessert werden.

Echtzeit-Strategiespiele (Auswahl)

Auswahl bekannter Entwickler und Studios

Personen

  • Joseph Bostic (Dune II, Command & Conquer)
  • Rick Goodman (Age of Empires, Empire Earth, Inhaber von Stainless Steel)
  • Aaron E. Powell (Dune II, Command & Conquer)
  • Brian Reynolds (Civilization, Alpha Centauri, Rise of Nations, Rise of Legends)
  • Bruce Shelley (Age of Empires, Civilization, Sid Meier's Pirates!)
  • Brett W. Sperry (Westwood, Dune II, Command & Conquer)
  • Louis Castle (Westwood, Dune II, Command & Conquer)
  • Chris Taylor (Total Annihilation, Supreme Commander)

Unternehmen

Commons: Echtzeit-Strategiespiel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. David H. Ahl, Civil War in BASIC Computer Games – Microcomputer Edition, S. 46, Creative Computing Print, 1978, ISBN 0-916688-07-0
  2. GameStar, Ausgabe 6/2016, Seite 98
  3. PLATO: The Emergence of Online Community (Memento des Originals vom 4. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Matrix News, Jan 1994
  4. https://web.archive.org/web/20141114203712/http://www.allgame.com/game.php?id=17383
  5. Christian Wirsig: Das große Lexikon der Computerspiele. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2003, S. 148–149, ISBN 3-89602-525-2
  6. 1 2 Simon Egenfeldt-Nielsen, Jonas Heide Smith, Susana Pajares Tosca: Understanding Video Games: The Essential Introduction. Routledge, Taylor & Francis, New York, London, 2009, ISBN 978-0-415-97720-3, S. 67–71.
  7. Kevin Oxland: Gameplay and Design. Addison-Wesley, London, 2004, ISBN 978-0-321-20467-7, S. 31.
  8. Damien McFerran: Herzog Zwei. (PDF; 1,8 MB) In: Issue 28. Retro Gamer, 2005, abgerufen am 24. Januar 2011 (englisch).
  9. Scott Sharkey: Herzog Zwei in 1up.com's essential top 50. (Nicht mehr online verfügbar.) 1up.com, archiviert vom Original am 13. September 2004; abgerufen am 27. September 2007 (englisch).
  10. Top ten real-time strategy games of all time. (Nicht mehr online verfügbar.) In: GameSpy. News Corp, 1. Februar 2004, archiviert vom Original am 16. Juni 2010; abgerufen am 2. Dezember 2008: You can't really talk about the real-time strategy genre without giving a nod to Dune II, the title that kicked off the phenomena.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  11. Bruce Geryk: A History of Real-Time Strategy Games. (Nicht mehr online verfügbar.) In: GameSpot. CNET, archiviert vom Original am 10. Januar 2004; abgerufen am 31. März 2008.
  12. Geoffrey Keighley: The Total Annihilation: The Story So Far. (Nicht mehr online verfügbar.) GameSpot, 2007, archiviert vom Original am 7. August 2007; abgerufen am 8. Januar 2011 (englisch).
  13. Bruce Geryk: A History of Real-Time Strategy Games: The Second Generation. (Nicht mehr online verfügbar.) GameSpot, 19. Mai 2008, archiviert vom Original am 10. September 2013; abgerufen am 4. Januar 2011 (englisch): TA was one of the first games to have 3D terrain and units. Once you got into the game, though, Total Annihilation was nothing less than a revelation. And a revolution. What designer Chris Taylor and his team did was to take the real-time strategy game and improve it so that players could actually command their units with the level control they might have in a turn-based strategy game.
  14. TDA: The History of Real Time Strategy, Part 3.2: Polygons and Pixels, continued. gamereplays.org, 6. Juni 2008, abgerufen am 23. März 2011 (englisch): Homeworld was the first fully three-dimensional RTS game to be released.
  15. Strategiespiele: Meistverkaufts Genre – theesa.com (Memento vom 16. Februar 2007 im Internet Archive)
  16. Beschreibung der Serie im Anhang der Pressemitteilung
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