Eisenbahnunfall bei Milavče | |||||||||||||||||||||||||||||||||
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Der Eisenbahnunfall bei Milavče war ein Frontalzusammenstoß zwischen zwei Reisezügen an der Ausweiche („Výhybna“) Radonice auf der Bahnstrecke Plzeň–Furth im Wald bei Milavče in Tschechien am 4. August 2021. Drei Menschen starben, 67 weitere wurden teils schwer verletzt.
Ausgangslage
Die Bahnstrecke Plzeň–Furth im Wald ist eingleisig und hat neben den Personenbahnhöfen zwei Ausweichstellen, wo sich Züge auf freier Strecke begegnen können. Die Streckengeschwindigkeit beträgt 100 km/h, im Bereich der Ausweichstelle Radonice sind wegen einiger enger Bögen lediglich 80 km/h zugelassen. Wegen der geringen zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist die Strecke bislang nur zwischen Plzeň hlavní nádraží und Stod mit einem Zugbeeinflussungssystem ausgerüstet, das beim Überfahren eines Halt zeigenden Signals eine Zwangsbremsung auslöst. Die Ausweiche Radonice ist unbesetzt und wird vom Bahnhof Domažlice ferngesteuert.
Der Schnellzug Ex 351 „Západní expres“ der České dráhy (ČD) war von München Hbf nach Praha hlavní nádraží unterwegs. In der Ausweiche Radonice sollte dieser Zug um 8:06 Uhr planmäßig mit dem Personenzug Os 7406 von Plzeň hlavní nádraží nach Domažlice město kreuzen. Der Schnellzug von München verkehrte pünktlich, dagegen hatte der Personenzug eine geringfügige Verspätung von etwa einer Minute.
Der Schnellzug war mit der Diesellokomotive 223 066 des Typs Siemens ER20 der Die Länderbahn (DLB) bespannt, der Wagenzug bestand an der Spitze aus zwei modernisierten Bautzener Wagen des UIC-Typs Z2 der ČD und nachfolgend aus zwei von den italienischen FS stammenden Eurofimawagen der DLB. Der entgegenkommende Personenzug war mit dem zweiteiligen Dieseltriebwagen 844 006 der ČD geführt.
Unfallhergang
Der Lokomotivführer des Schnellzuges missachtete sowohl das „Halt erwarten“ zeigende Einfahrsignal als auch das „Halt“ zeigende Ausfahrsignal der Ausweiche Radonice und fuhr mit knapp 80 km/h in den noch mit dem Personenzug besetzten Blockabschnitt Blížejov–Radonice ein. Etwa 200 Meter vor der Haltestelle Milavče stießen die Züge um 8:06 Uhr frontal zusammen. Der schwere Schnellzug schob den leichten Triebwagen noch 75 Meter in die Gegenrichtung, wobei der Triebwagen sowie die Lokomotive und der erste Wagen des Schnellzuges entgleisten.
Als Unfallursache wurde menschliches Versagen des Lokomotivführers des Schnellzuges festgestellt.
Folgen
Die Lokomotive und der voranlaufende Teil des Triebwagens wurden beim Aufprall irreparabel zerstört. In den Trümmern der Fahrzeuge starben die tschechischen Triebfahrzeugführer beider Züge und eine Reisende im Personenzug. Der erste Wagen des Schnellzuges wurde deformiert, die Wagenkastenstruktur hielt aber den Druckbelastungen weitgehend stand. In den weiteren Wagen brachen insbesondere die Fensterscheiben.
Der erste Notruf ging um 8.08 Uhr in der Rettungsleitstelle ein. Die Region Pilsen aktivierte den sogenannten „Traumaplan“. Alarmiert wurden auch deutsche Rettungskräfte aus dem benachbarten Landkreis Cham. Drei Hubschrauber des Luftrettungsdienstes und ein Hubschrauber der tschechischen Polizei flogen Schwerverletzte in Krankenhäuser in Domažlice, Klatovy, Stod, Pilsen und Prag. Zehn verletzte deutsche Staatsbürger wurden von den deutschen Rettungskräften übernommen und zur Behandlung in bayerische Krankenhäuser verbracht.
Der tschechische Verkehrsminister Karel Havlíček begab sich von Prag unverzüglich zum Unfallort. Anwesende Medienvertreter informierte er in Interviews vor Ort kompetent über das Geschehene.
Der Lokomotivführer des Schnellzuges galt zunächst als vermisst. Später wurde er tot in den Trümmern der Lokomotive entdeckt und durch die Feuerwehr herausgeschnitten. Acht Personen hatten schwere, lebensbedrohliche Verletzungen. Fünf weitere Menschen erlitten mittelschwere Verletzungen.
Nach dem Ende des Rettungseinsatzes wurde die Unfallstelle zügig beräumt und die Schäden am Gleis repariert. Am Abend des 6. August wurde die Strecke wieder freigegeben. Als erster Zug passierte der Os 7422 Plzeň hl. n.–Domažlice gegen 18.30 Uhr die Unfallstelle. Während der Sperrung wurden Reisende zwischen Blížejov und Domažlice mit Bussen befördert, Güterzüge wurden umgeleitet.
Im Jahr 2022 wurde durch die tschechische Untersuchungsbehörde Drážní inspekce der Unfalluntersuchungsbericht veröffentlicht. Darin wird die Anzahl der Verletzten mit 56 angegeben, der Sachschaden mit 178.108.332 Kronen.
Mediale Rezeption
Angesichts der Beteiligung eines aus Deutschland kommenden internationalen Reisezuges und der erheblichen Zahl betroffener deutscher Bürger wurde über das Unfallereignis auch in deutschen Medien umfangreich berichtet. Thematisiert wurde vor allem, dass die Sicherheitstechnik des tschechischen Bahnnetzes vorgeblich „vielerorts als veraltet“ gilt.
Tschechien hat indes mit dem Umbau des Streckenabschnittes Plzeň hlavní nádraží–Domažlice zur zweigleisigen Hochleistungsstrecke begonnen, wobei mittlerweile auch eine Fortführung in Deutschland gesichert ist. Für den Abschnitt Osvračín–Domažlice ist dabei eine vollständige Neutrassierung vorgesehen, die zukünftig Geschwindigkeiten bis 200 km/h zulässt. Investitionen in den Abschnitt mit dem Unfallort erfolgen deshalb seit einiger Zeit nicht mehr.
Literatur
- schr: Zusammenprall zweier Personenzüge in Westböhmen. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 10, 2021, S. 565.
- Jan Sůra: U Domažlic se srazil Západní expres s osobním vlakem, 3 mrtví a desítky zraněných, škoda přes 100 milionů. In: Zdopravy.cz. Avizer Z, 4. August 2021, ISSN 2570-7868 (tschechisch, zdopravy.cz [abgerufen am 16. April 2022]).
Weblinks
- Unfallstelle auf der OpenRailwayMap
Einzelnachweise
- 1 2 3 4 Závěrečná zpráva o výsledcích šetření mimořádné události. Česká republika – Drážní inspekce, Plzeň 9. März 2022 (tschechisch, dicr.cz [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 16. April 2022]).
- ↑ Prohlášení o dráze celostátní a dráhách regionálních 2021
- ↑ Minuta po minutě: Jak došlo k tragické srážce vlaků na Domažlicku. In: Seznam Zprávy. 5. August 2021, abgerufen am 7. August 2021.
- ↑ Menschliches Versagen hat Zugunglück verursacht. Süddeutsche Zeitung, 11. April 2022, abgerufen am 16. April 2022.
- ↑ Tote nach schwerer Zugkollision auf tagesschau.de
- ↑ Nach dem Zugunglück: Wie sicher sind tschechische Bahnstrecken? In: BR24 Nachrichten (online), 4. August 2021.
- ↑ Tote bei Zugkollision in Tschechien auf zdf.de.
Koordinaten: 49° 27′ 51″ N, 12° 59′ 7″ O