Die English-Billiards-Weltmeisterschaft oder auch World Billiards Championship ist ein internationales Turnier in der Disziplin English Billiards, im Englischen oft auch nur kurz „Billiards“ genannt. 1870 erstmals ausgetragen, wird es seit 1980 jährlich gespielt und ist weltweit eine der ältesten sportlichen Weltmeisterschaften, deren Geschichte bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Die Veranstaltung war bis zum Jahr 2010 als World Professional Billiards Championship bekannt.

Geschichte

Die beiden prominentesten Spieler des Spiels English Billiards im frühen 19. Jahrhundert waren Jack Carr und Edwin Kentfield. Carr forderte Kentfield zu einem Meisterschaftsspiel heraus. Ironischerweise starb Carr am Vorabend des Spiels und Kentfield erhielt kampflos den Titel. Diesen behielt er 24 Jahre lang unangefochten. 1849 eroberte John Roberts Sr. den Titel, indem er Kentfield zu einem Spiel herausforderte. Es gab viel Streit um den Tisch und die Taschen und Kentfield beschloss zur Titelverteidigung nicht anzutreten. Er zog es vor, ein pensionierter Champion zu sein, als ein geschlagener. So fiel, in Ermangelung eines Gegners, Roberts Sr. der Titel des Weltmeisters zu. Er sollte ihn für 21 Jahre behalten.

Ende der 1860er Jahre machten die beiden Jünglinge William Cook und John Roberts Jr (Roberts’ Sohn) in der Billardszene Furore. Cook schlug Roberts Jr. 1869 in einem Match und forderte anschließend Roberts Sr. zum Titelkampf heraus. Weil es das erste tatsächlich durchgeführte Spiel um eine Weltmeisterschaft war, einigten sich die Spieler auf eine Reihe spezieller Regeln. Roberts setzte durch die Taschenbreite auf 3 Zoll (≈ 76 mm) zu reduzieren (Originalgröße 3⅝ Zoll ≈ 92 mm). Das „D“ und die Spots wurden so gelegt, dass sie Cooks Spielstärke vom Spot schwächten. Trotzdem war Roberts frühmorgens um 01:38 Uhr geschlagen. Cook gewann den Titel, den neu geschaffenen Pokal, £ 100 und einen Malteserkreuzorden. Sogar der Prince of Wales wohnte dem Spiel in der St. James’ Hall bei. Dieses Match beendete die Vorherrschaft von Roberts Sr. und eine Generation neuer Spieler übernahm das Spiel.

Dieses Spiel war die Initialzündung regelmäßiger Weltmeisterschaften und führte zu zahlreichen Herausforderungen um den Titel. Roberts Jr. und Cook waren die dominierenden Spieler dieser Zeit. Gelegentlich wurden Herausforderungen nicht angenommen, wodurch der Herausforderer gemäß der Regeln nach zwei Monaten zum Weltmeister erklärt wurde. Es gab auch immer noch Unstimmigkeiten bezüglich der Regeln. Viele Spieler bevorzugten den „spot-barred“-Stil, andere die „all-in“-Regeln. Der „spot-barred“-Stil verhindert wiederholtes Versenken der Roten, eine Taktik der „all-in“-Variante, die das Spiel für Zuschauer langweilig machte. Diese Taktik war eine besondere Stärke von William Peall, und er stimmte natürlich zu Gunsten des „all-in“-Spiels.

Es gab drei „all-in“-Wettbewerbe abseits der Weltmeisterschaft, welche Roberts immer noch hielt. Sein Titel wurde nie herausgefordert. Billy Mitchell und Peall waren die erfolgreichsten Spieler der späten 1880er und frühen 1890er Jahren. Im Jahre 1892 versuchte die Billiards Association, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Sie genehmigte zwei Meisterschaften, eine „spot-barred“ und eine „all-in“. Roberts ignorierte die beide Wettbewerbe, aber die Turniere fanden trotzdem statt. Der „Meisterschaftstisch“, den Roberts Sr. entworfen hatte, wurde aufgegeben und stattdessen wurde wieder der normale Tisch verwendet. Peall hielt den „all-in“-Titel unangefochten, während Mitchell im „spot-barred“ dominierte.

Nach 5 Jahren ohne Herausforderungen, änderte die Billiards Association 1899 erneut die Regeln. Nach zwei Stößen vom Spot aus musste die Rote zurück auf den Mittelpunkt gesetzt werden, um endlose Wiederholungen von „all-in“-Spielern entgegenzuwirken. Peall akzeptiert dies, obwohl die neue Regel zu Lasten seines Spielvermögens ging. Insgesamt förderte dies den Aufstieg der modernen Version des „English Billiards“, wie es heute noch, mit geringfügigen Abweichungen, gespielt wird.

Bis 1910 gab es viele Herausfordererturniere, aber im Jahre 1911 wurde der Wettbewerb so verändert, dass ein jährliches Turnier stattfand, um den Zustrom neuer Profispieler zu bewältigen. 1934 gewann Walter Lindrum das Turnier. Danach wurde die Weltmeisterschaft für mehrere Jahrzehnte nur unregelmäßig als Herausforderungsspiele (1951 und 1968) gespielt. In den 1970er Jahren fanden diese Herausforderungsmeisterschaften wieder regelmäßig statt. Zeitweise gab es mit der Meisterschaft der World Professional Billiards & Snooker Association (WPBSA) und des Billiards and Snooker Control Council (BASCC) zwei konkurrierende Turniere. Die BASCC stellte ihre Meisterschaft aber Mitte der 1970er-Jahre ein. Dominierender Spieler jener Zeit war Rex Williams.

Seit 1980 wird das Turnier jährlich wieder im K.-o.-System ausgetragen. Die ersten beiden Ausgaben in diesem System gewann Fred Davis, der dadurch im Alter von 66 und 67 Jahren professioneller Weltmeister wurde. Die weiteren 1980er waren von den Spielern her recht offen. Neben Davis konnten nur Rex Williams und Norman Dagley zwei Weltmeistertitel in diesem Jahrzehnt gewinnen. Mit Robby Foldvari (Weltmeister 1986) und dem zweifachen Vize-Weltmeister Eddie Charlton hatten auch Australier in dieser Zeit Erfolge zu feiern. Ab den 1990er-Jahren prägten der Inder Geet Sethi und insbesondere der Engländer Mike Russell das Turnier. Nach und nach gesellten sich zu diesem Führungsduo mehrere weitere Spiele, darunter Peter Gilchrist sowie mehrere Inder. Die 2010er dominierten dann vor allem der mittlerweile für Singapur spielende Gilchrist sowie der Engländer David Causier. Neben Gilchrist wechselte auch Mike Russell für einige Zeit ins asiatische Katar.

Zwischen 2012 und 2014 war die Weltmeisterschaft eine Fusion der professionellen Weltmeisterschaft, nun vertreten durch den erst 2011 gegründeten Verband World Billiards, und der IBSF World Billiards Championship. Die IBSF beendete die Kooperation aber nach nur drei Jahren. Aus dieser Fusion entstammt auch die Idee, die Weltmeisterschaft in zwei verschiedenen Formaten auszutragen (dabei wurden „Punkte“, „Zeit“ und „Long-Up“ gespielt). Seit 2018 beschränkt sich die Weltmeisterschaft auf das Zeitformat, wobei die Ausgaben 2020 und 2021 im Zuge der COVID-19-Pandemie entfielen.

Ergebnisse

Hauptquellen: English Amateur Billiards Association, A History of Billiards von Clive Everton, Cue Sports India

Anfänge als Herausforderungsturnier

Datum Sieger Ergebnis Finalist
1825 Edwin Kentfield kl. Jack Carr
1849 John Roberts Sr. kl. Edwin Kentfield
Februar 1870 William Cook 1200:1083 John Roberts Sr.
April 1870 John Roberts Jr. 1000:552 William Cook
Mai 1870 John Roberts Jr. 1000:752 Alfred Bowles
November 1870 Joseph Bennett 1000:905 John Roberts Jr.
Januar 1871 John Roberts Jr. 1000:637 Joseph Bennett
Mai 1871 William Cook 1000:985 John Roberts Jr.
November 1871 William Cook 1000:942 Joseph Bennett
April 1872 William Cook 1000:799 John Roberts Jr.
Februar 1874 William Cook 1000:784 John Roberts Jr.
Mai 1875 John Roberts Jr. 1000:837 William Cook
Dezember 1875 John Roberts Jr. 1000:865 William Cook
April 1876 William Cook ernannter Champion
Mai 1877 John Roberts Jr. 1000:779 William Cook
Juli 1878 William Cook ernannter Champion
November 1880 Joseph Bennett 1000:949 William Cook
Januar 1881 Joseph Bennett 1000:910 Tom Taylor
September 1881 William Cook ernannter Champion
Februar 1885 John Roberts Jr. ernannter Champion
März 1885 John Roberts Jr. 3000:2908 William Cook
Juni 1885 John Roberts Jr. 3000:1360 Joseph Bennett

Inoffizielle „All-in“-Weltmeisterschaft

Datum Sieger Ergebnis Finalist
Oktober 1887 Billy Mitchell 15000:13733 William Peall
März 1888 William Peall 15000:5753 Billy Mitchell

„Championship of the World“-Turnier

Datum Sieger Ergebnis Finalist
Januar 1889 Billy Mitchell
Februar 1890 William Peall
März 1891 William Peall

Weltmeisterschaft der Billiard Association

Datum Sieger Ergebnis Finalist
„All-in“
April 1892 William Peall 5000:1755 Billy Mitchell
„Spot-barred“
April 1892 Billy Mitchell 3000:2697 John North
Februar 1893 Billy Mitchell 9000:7525 John North
Januar 1894 Billy Mitchell 9000:8163 Charles Dawson

Herausforderungs-WM der Billiard Association

Datum Sieger Ergebnis Finalist
Januar 1899 Charles Dawson 9000:4715 John North
April 1900 Charles Dawson 9000:6775 Harry Stevenson
Januar 1901 Harry Stevenson 9000:6406 Charles Dawson
April 1901 Charles Dawson 9000:5796 Harry Stevenson
November 1901 Harry Stevenson ernannter Champion
März 1903 Charles Dawson 9000:8700 Harry Stevenson
1908 Melbourne Inman ernannter Champion
März 1909 Melbourne Inman 9000:7662 Albert Williams
April 1909 Harry Stevenson ernannter Champion
Oktober 1910 Harry Stevenson 18000:16907 Melbourne Inman

Weltmeisterschaft des Billiard Control Club

Datum Sieger Ergebnis Finalist
1911 Harry Stevenson 18000:16914 Melbourne Inman
1912 Melbourne Inman 18000:9675 Tom Reece
1913 Melbourne Inman 18000:16627 Tom Reece
1914 Melbourne Inman 18000:12826 Tom Reece
1919 Melbourne Inman 18000:9468 Harry Stevenson

Weltmeisterschaft des Billiards Association and Control Club/Council

Datum Sieger Ergebnis Finalist
1920 Willie Smith 16000:14500 Claude Falkiner
1921 Tom Newman 16000:10744 Tom Reece
1922 Tom Newman 16000:15167 Claude Falkiner
1923 Willie Smith 16000:15180 Tom Newman
1924 Tom Newman 16000:14845 Tom Reece
1925 Tom Newman 16000:10092 Tom Reece
1926 Tom Newman 16000:9505 Joe Davis
1927 Tom Newman 16000:14763 Joe Davis
1928 Joe Davis 16000:14874 Tom Newman
1929 Joe Davis 18000:17219 Tom Newman
1930 Joe Davis 20198:20117 Tom Newman
1932 Joe Davis 25161:19259 Clark McConachy
1933 Walter Lindrum 21815:21121 Joe Davis
1934 Walter Lindrum 23553:22678 Joe Davis

Herausforderungsweltmeisterschaften der Nachkriegszeit

Datum Sieger Ergebnis Finalist
Turniere des Billiards and Snooker Control Council
Juni 1971 Leslie Driffield 9029:3342 Jack Karnehm
Januar 1973 Leslie Driffield 9024:4696 Albert Johnson
Turniere der World Professional Billiards & Snooker Association und Vorläufer
1951 Clark McConachy 9274:6691 John Barrie
1968 Rex Williams 5499:5234 Clark McConachy
1971 Rex Williams 9250:4058 Bernard Bennett
September 1973 Rex Williams 8360:4336 Jack Karnehm
September 1974 Rex Williams 7017:4916 Eddie Charlton
1976 Rex Williams 9015:5149 Eddie Charlton

K.-o.-System-Weltmeisterschaften der WPBSA

Datum Sieger Ergebnis Finalist
Mai 1980 Fred Davis 5978:4452 Rex Williams
November 1980 Fred Davis 3037:2064 Mark Wildman
1982 Rex Williams 3000:1785 Mark Wildman
1983 Rex Williams 1500:605 Fred Davis
1984 Mark Wildman 1045:1012 Eddie Charlton
1985 Ray Edmonds 3:1 Norman Dagley
1986 Robby Foldvari 3:1 Norman Dagley
1987 Norman Dagley 3:1 Robby Foldvari
1988 Norman Dagley 7:4 Eddie Charlton
1989 Mike Russell 2242:1347 Peter Gilchrist
1991 Mike Russell 1352:957 Robby Foldvari
1992 Geet Sethi 2529:718 Mike Russell
1993 Geet Sethi 2139:1140 Mike Russell
1994 Peter Gilchrist 1539:645 Mike Russell
1995 Geet Sethi 1661:931 Devendra Joshi
1996 Mike Russell 2534:1848 Geet Sethi
1998 Geet Sethi 1400:1015 Mike Russell
1999 Mike Russell 2000:832 Peter Gilchrist
2001 Peter Gilchrist 1287:863 Mike Russell
2002 Mike Russell 2251:1273 Peter Gilchrist
2003 Mike Russell 6:4 Peter Gilchrist
2004 Mike Russell 2402:1349 David Causier
2005 Chris Shutt 1620:1365 Mike Russell
2006 Geet Sethi 2073:1057 Lee Lagan
2007 Mike Russell 2166:1710 Chris Shutt
2008 Mike Russell 1823:1342 Geet Sethi
2009 Pankaj Advani 2030:1253 Mike Russell
2010 Mike Russell 1738:1204 Dhruv Sitwala
2011 Mike Russell 1500:558 David Causier

Weltmeisterschaft als Kooperation zwischen World Billiards und IBSF

Jahr Format Sieger Ergebnis Finalist
2012 Punkte Rupesh Shah 6:2 Matthew Bolton
Zeit Pankaj Advani 1895:1216 Mike Russell
2013 Punkte David Causier 6:1 Alok Kumar
Long-Up Peter Gilchrist 1500:1085 David Causier
2014 Punkte Pankaj Advani 6:2 Peter Gilchrist
Zeit Pankaj Advani 1928:893 Robert Hall

Weltmeisterschaft von World Billiards

Jahr Format Sieger Ergebnis Finalist
2015 Punkte David Causier 6:1 Robert Hall
Long-Up David Causier 1501:1277 Peter Gilchrist
2016 Punkte David Causier 8:6 Dhruv Sitwala
Zeit Mike Russell 2224:1115 David Causier
2017 Punkte David Causier 8:4 Sourav Kothari
Long-Up David Causier 1500:779 Peter Gilchrist
2018 Zeit Sourav Kothari 1134:944 Peter Gilchrist
2019 Zeit Peter Gilchrist 1307:967 Sourav Kothari
2020 und 2021: keine Austragung (COVID-19-Pandemie)
2022 Zeit David Causier 1776:1092 Peter Gilchrist
2023 Zeit Austragung im Oktober 2023

Siehe auch

  • Siegerliste auf der Website der English Amateur Billiards Association (englisch)
  • Siegerliste bei der Cue Sports India (englisch)

Einzelnachweise

  1. 1 2 Pankaj Advani seals World Professional Billiards Championship win auf The Guardian-online. Abgerufen am 9. Mai 2012.
  2. 1 2 World Professional Billiards Championship 2010 auf Cue Sports India. Abgerufen am 9. Mai 2012.
  3. 1 2 Pankaj Advani wins world billiards title. In: bbc.com. BBC News, 28. Oktober 2022, abgerufen am 28. Oktober 2022 (englisch).
  4. Letter from the Chairman auf World-Billiards.com. Abgerufen am 24. September 2015.
  5. The Professional Champions of English Billiards. English Amateur Billiards Association, 18. Oktober 2013, abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  6. Clive Everton: A History of Billiards. englishbilliards.org, 2012, ISBN 978-0-9564054-5-6, S. 46–58.
  7. Roll of Honour. Cue Sports India, 2011, abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  8. Sunil Subbaiah: Rupesh Shah wins second world title. The Times of India, 28. Oktober 2012, abgerufen am 28. Oktober 2022 (englisch).
  9. David Causier New World Billiards Champion 2013 (Memento vom 21. April 2014 im Internet Archive). auf IBSF News vom 25. Oktober 2013. Abgerufen am 20. April 2014.
  10. IBSF Long up Billiards Championships in Leeds, England 2013 auf esnooker.pl. Abgerufen am 20. April 2014.
  11. Advani stuns Gilchrist to clinch World Billiards title. The Times of India, 24. Oktober 2014, abgerufen am 30. Oktober 2014.
  12. Advani: first ever player to bag billiards triple double. The Hindu, 30. Oktober 2014, abgerufen am 30. Oktober 2014.
  13. World Championships (150-up) in Leeds, England 2015 auf www.wbeventsonline.com. Abgerufen am 29. Oktober 2015.
  14. World Championships (Long up) in Leeds, England 2015 auf www.wbeventsonline.com. Abgerufen am 29. Oktober 2015.
  15. Dave Causier today won his fourth World Billiards Championship Auf: World-Billiards.com. Abgerufen am 23. Oktober 2016.
  16. Mike Russell defeated defending champion Dave Causier Auf: World-Billiards.com. Abgerufen am 28. November 2016.
  17. 2017 LITEtask World Billiards Championship Auf: World-Billiards.com. Abgerufen am 10. November 2017.
  18. 2018 World Billiards Championship auf www.wbeventsonline.com. Abgerufen am 30. Dezember 2018.
  19. 2019 World Billiards Championship auf www.wbeventsonline.com. Abgerufen am 30. Mai 2021.
  20. 2022 Grand Cuvee World Championship bei World Billiards. Abgerufen am 21. März 2023 (englisch).
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