Erwin Karl Julius Hentschel (* 22. Januar 1923 in Kiel, Schleswig-Holstein; † 11. April 2013 in Kiel) war ein Brigadegeneral des Heeres der Bundeswehr.

Jugend, Wehrmacht und Nachkriegszeit

Hentschel wuchs in Kiel, Rotterdam, Rerik bei Rostock und Königsberg als einziges Kind des Schiffsingenieur Karl Hentschel und seiner Frau Martha auf. Er meldete sich 1940 mit 17 Jahren freiwillig zur Wehrmacht. Er nahm 1941 als Fahnenjunker am Vormarsch zu Fuß von Ostpreußen bis Novgorod teil. Nach Einsätzen in Mohrungen (Ostpreußen) als Ausbilder und Amsterdam bei den Besatzungstruppen war er 1942 als Leutnant Kompaniechef in der Schlacht um Moskau. Von 200 Soldaten seiner Kompanie überlebten 25. Hentschel kam halb erfroren ins Lazarett. 1943 wurde er erneut Kompaniechef bei den Rückzugsgefechten und erlitt einen Bauchschuss.

Ab Januar 1944 führte er die 6. Kompanie des Grenadierregimentes 915 der 372. Infanteriedivision in Nordfrankreich. Am 6. Juni lag die Kompanie bei der Landung der Alliierten im Abschnitt Omaha Beach der 29. US-Infanteriedivision und wurde fast vollständig vernichtet. Hentschel kam schwer verwundet in Kriegsgefangenschaft nach Oklahoma und Tennessee. Er wurde u. a. von einem jüdischen deutschen Arzt, der bei der US-Armee diente, operiert und gerettet. Im Januar 1946 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen.

Aus der Königsberger Schulklasse von Hentschel sollen nach seinen Angaben von 25 Schülern nur 5 überlebt haben. Später vermutete er, dass viele junge Offiziere, die aufgrund der Propaganda des Regimes mit falschen Vorstellungen an die Front kamen, von den eigenen Unteroffizieren beim ersten Feindkontakt erschossen wurden, weil die Gefahr bestand, dass sie mit ihrer Begeisterung das Leben ihrer Soldaten gefährdeten. Hentschel wurde das Eiserne Kreuz II. Klasse und I. Klasse verliehen. Zudem war er Träger des Verwundetenabzeichens.

Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft arbeitete Hentschel als Hilfsarbeiter in einer Abbruchfirma. 1947 machte er das Abitur im Internat Schloss Plön nach. Anschließend machte er in Kiel eine Lehre als Bankkaufmann. 1952 wurde er mit 29 Jahren der jüngste Prokurist der Commerzbank.

Bundeswehr

1955 trat Hentschel als Hauptmann in die neu gegründete Bundeswehr ein. Von 1956 bis 1966 wurde er in Bonn, Kassel, Nienburg, Gießen, Marburg und Köln in verschiedenen Funktionen eingesetzt. 1966 bis 1973 war Hentschel als Oberstleutnant erst Kommandeur des Panzergrenadierlehrbataillons 92 und danach Stabschef an der Panzertruppenschule in Munster.

Vom 1974 bis 1980 war Hentschel zunächst als Oberst Kommandeur der Panzerbrigade 18. Während der Schneekatastrophe im Winter 1978/1979 wurde er nach Ausrufung des Notstandes der Oberkommandierende aller Truppen in Schleswig-Holstein, forderte mehrere Dutzend Schneefräsen aus Bayern, 70 Bergepanzer und zahlreiche weitere Gerätschaften der Bundeswehr aus ganz Norddeutschland an und leitete in Absprache mit den Landräten die gesamten Rettungsarbeiten. Vermutlich aufgrund dieser Verdienste wurde er als einer der wenigen Offiziere ohne Generalstabsausbildung kurz danach zum Brigadegeneral befördert.

Zuletzt war Hentschel von Oktober 1980 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1983 stellvertretender Divisionskommandeur der 12. Panzerdivision in Veitshöchheim. Er erhielt das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und den US-Orden Legion of Merit.

Privates

Hentschel war verheiratet mit der Sonderschullehrerin Christiane Engelhardt aus Mohrungen in Ostpreußen. Sie hatten fünf Kinder, darunter der Grünen-Politiker Karl-Martin Hentschel, 13 Enkel und 18 Urenkel. Während der 27 Jahre bei der Bundeswehr musste die Familie 10-mal umziehen. Nach der Pensionierung betrieb Hentschel mit seiner Frau von 1985 bis 2004 eine Pension mit 25 Betten am Schönberger Strand (Kieler Bucht).

Quellen

  • André Deinhardt: Panzergrenadiere – eine Truppengattung im Kalten Krieg: 1960 bis 1970. Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München 2012, ISBN 978-3-486-70464-8, Seite 143
  • Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie 1979. Wehr-und-Wissen-Verlagsgesellschaft, 1979, ISBN 3-8033-0293-5.
  • Wilhelm Jeschke: Brigadegeneral a. D. Erwin Hentschel. in Der Panzergrenadier, Heft 34, 2/2013
  • Helmut Konrad von Keusgen: Omaha Beach – Die Tragödie des 6. Juni 1944. H.E.K. Creativ Verlag, Garbsen 2007, ISBN 978-3-932922-17-6
  • Helmut Böger: Die Geschichte von Leutnant Erwin Hentschel – Mein längster Tag. in Bild, 1. Juni 2014, https://www.bild.de/news/inland/d-day/mein-laengster-tag-36209520.bild.html, abgerufen am 30. August 2022
  • Peter Messner: Der Anfang vom Ende des Krieges, in Die Bundeswehr 5/2004
  • tg: Erwin Hentschel gestorben – Der Kommandeur in der Schneekatastrophe, SHZ 17. April 2013, https://www.shz.de/lokales/neumuenster/artikel/der-kommandeur-in-der-schneekatastrophe-40724149, abgerufen am 8. August 2022
  •  ?: Heute vor 25 Jahren versank das ganze Land im Schnee! Ohne die Brigade 18 wäre die Katastrophe nicht bewältigt worden, SHZ 28. Dezember 2003
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