Das Eulenspiegelhaus am Bäckerklint 11 in Braunschweig war ein Fachwerkhaus im sogenannten „Flohwinkel“ des historischen Weichbildes Altstadt. Es wurde um 1630 erbaut und wie die gesamte, es umgebende Bebauung durch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges, insbesondere den vom 15. Oktober 1944 vollständig zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Geschichte

Eigentümer von Gebäuden, die auf dem Grundstück gestanden haben, waren u. a.: Herman v. Wendhusen (1386–1400), Tilen v. Eltze (1403–1412), Hennig v. Boltzem (1423–1457), Tilen Hanedorp (1457–1471), Hennig Mathias (1486–1507), den Flor und Nothvogel (1517–1586) und Mathias Angerstein (1623–1669). Angerstein hatte 1630 ein neues Fachwerkhaus errichten lassen und es mit den Initialen M.A. versehen.

Das 6 Fenster breite, zwei-geschossige, traufständige Haus mit den Assekuranznummern 875, 876 lag auf der Ostseite des Bäckerklints. Aufgrund des farblosen Verputzes des Fachwerks, erschien das Haus eher unscheinbar und schmucklos, gelangte aber ab etwa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den einsetzenden Fremdenverkehr in Braunschweig ins Zentrum des Interesses. Mehrere Streiche Till Eulenspiegels haben Braunschweig zum Schauplatz und so wurde dieser Umstand zur Förderung des Fremdenverkehrs genutzt. Obwohl das Haus Bäckerklint 11 erst 1630 errichtet worden war – also knapp 300 Jahre nach den überlieferten Ereignissen – wurde 1869 zunächst eine von dem Bildhauer Julius Meyer geschaffene hölzerne Eulenspiegelstatue an der südlichen Hausecke, in Höhe der ersten Etage, angebracht. Der Verputz wurde nach und nach entfernt und die Schnitzereien an Balken und Knaggen farbig gefasst. Auch wies ein großer Schriftzug, zuerst über dem Erdgeschoss angebracht, später in der Mitte des obersten Schwellbalkens unter der Dachgaube mit der Inschrift EULENSPIEGELHAUS auf die Legende hin.

Legende: Eulenspiegel als Bäckergeselle

Der Legende nach soll der aus dem Dorf Kneitlingen, 20 km südöstlich Braunschweigs, stammende Schalksnarr Till Eulenspiegel um das Jahr 1350 einige seiner Streiche in Braunschweig gespielt haben, darunter auch einen, der bei einem Bäcker am Bäckerklint spielte und wo Till Eulenspiegel statt Brot zu backen, aus dem Teig „Eulen und Meerkatzen“ (auf Niederdeutsch, das damals in der Stadt gesprochen wurde: Ulen un Apen) formte und buk. Das Haus des Bäckers soll auf dem Grundstück gestanden haben, auf dem das um 1630 errichtete Gebäude stand, das in Anspielung auf dieses Ereignis „Eulenspiegelhaus“ genannt wurde.

„Eulen und Meerkatzen“

Die Bäckerei im Erdgeschoss stellte bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg täglich Gebäck in Form von Eulen und Meerkatzen her und verkaufte um 1939 täglich bis zu 300 Stück davon. Noch heute kann man bei einigen Bäckern in Braunschweig „Eulen und Meerkatzen“ kaufen. 1931 war der Verkaufsraum von dem Künstler Adolf Otto Koeppen neu ausgemalt worden. Koeppen hatte auch das von Ernst August Roloff 1942 herausgebrachte Kinderbuch Achtung, hier lacht Eulenspiegel! illustriert sowie die Gastwirtschaftsräume des dem Eulenspiegelhaus direkt gegenüber gelegenen Mummehauses künstlerisch gestaltet.

Auf dem kleinen Platz vor dem Eulenspiegelhaus wurde 1906 der von Arnold Kramer entworfene und von dem Bankier Bernhard Meyersfeld gestiftete Eulenspiegelbrunnen errichtet, der noch heute dort steht. Eine lebensgroße Eulenspiegel-Figur sitzt dort erhöht und kreisrund umgeben von Eulen und Meerkatzen.

Freilichtaufführungen

In den 1930er Jahren nutzte das Braunschweigische Landestheater die malerische Kulisse des Bäckerklints, insbesondere das Eulenspiegelhaus mit dem Eulenspiegelbrunnen, für Freilichtaufführungen populärer Theaterstücke, die zum Teil die Streiche Till Eulenspiegels zum Thema hatten.

Das Gebäude, das heute auf dem Grundstück Bäckerklint 11 steht, stammt von 1977/78.

Literatur

  • Heinrich Edel: Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Bild. In: Braunschweigische Heimat 1928, Heft 3, 19. Jahrgang, Braunschweig 1928, S. 123–152.
  • Rudolf Fricke: Das Bürgerhaus in Braunschweig. In: Das deutsche Bürgerhaus. Band 20, Ernst Wasmuth, Tübingen 1975, ISBN 3-8030-0022-X.
  • Norman-Mathias Pingel: Eulenspiegelhaus. In. Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Ergänzungsband. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1996, ISBN 3-926701-30-7, S. 43.
  • Henning Steinführer: Der Braunschweiger Eulenspiegelbrunnen. Braunschweig 2014, ISBN 978-3-00-045363-2.
  • Verein von Freunden der Photographie zu Braunschweig (Hrsg.): Braunschweig „Einst und Jetzt“ dargestellt in Wort und Bild. Verlag Albert Limbach, Braunschweig 1897, S. 74–75.
Commons: Eulenspiegelhaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rudolf Fricke: Das Bürgerhaus in Braunschweig. S. 151.
  2. 1 2 Heinrich Meier: Nachrichten über Bürgerhäuser früherer Jahrhunderte (Schluss). In: Braunschweigisches Magazin. herausgegeben von Paul Zimmermann, Nro. 9, 25. April 1897, S. 70
  3. Inschrift auf Deutsche Inschriften Online 56, Stadt Braunschweig II, A1, Nr. 266† (Sabine Wehking), auf inschriften.net.
  4. Heinrich Edel: Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Bild. S. 125.
  5. Die 61. Historie sagt, wie sich Eulenspiegel in Braunschweig bei einem Brotbäcker als Bäckergeselle verdingte und wie er Eulen und Meerkatzen backte auf projekt-gutenberg.org
  6. 1 2 Norman-Mathias Pingel: Eulenspiegelhaus. S. 43.
  7. Henning Steinführer: Der Braunschweiger Eulenspiegelbrunnen. S. 31.

Koordinaten: 52° 15′ 55,9″ N, 10° 30′ 56″ O

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