Die Evangelische Laurentiuskirche (auch: Obere Kirche) in Biebergemünd-Bieber im Main-Kinzig-Kreis (Hessen) ist die mittelalterliche Dorfkirche des Ortes. Die Kirchengemeinde gehört zum Kirchenkreis Kinzigtal der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.
Geschichte
Die ehemalige Wehrkirche steht auf einem ummauerten Friedhof am Hang oberhalb des Ortes. Sie wurde 1339 als „Totenhofkirche“ erstmals erwähnt. Das Patrozinium lag in vorreformatorischer Zeit beim Heiligen Martin. Die Kirche gehörte zum Erzbistum Mainz. Kirchliche Mittelbehörde war das Archidiakonat St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, Dekanat Rodgau.
Mit der Reformation in der Grafschaft Hanau-Münzenberg in der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sie lutherisch. Für die Gläubigen reformierter Konfession, vor allem zugezogene Bergleute, wurde im 18. Jahrhundert eine zweite Kirche in Bieber gebaut, die Untere Kirche.
Mit der Hanauer Union, dem Zusammenschluss der beiden evangelischen Landeskirchen 1818, wurde eines der Kirchengebäude überflüssig. Die Evangelische Laurentiuskirche dient seit 1966 nur noch als Friedhofskapelle und besonderen gottesdienstlichen Veranstaltungen. Die Untere Kirche ist heute die evangelische Gemeindekirche.
Bauwerk
Im Kern handelt es sich um eine romanische Saalkirche mit eingezogenem Chorturm, die allerdings mehrfach erheblich umgebaut wurde. Der Turm stammt wohl noch aus dem 12. Jahrhundert. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche 1636 durch Brand schwer beschädigt, aber um 1660 wieder aufgebaut. Dabei wurde das romanische Kirchenschiff verbreitert. Auch das Altartriptychon stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Brand. Es zeigt im Schrein eine Kreuzigungsgruppe und auf den Seitenflügeln innen sowie außen die vier Evangelisten und wurde von dem in Karlstadt am Main tätigen Maler Sebastian Vogt gemalt. 1756 wurde im rechten Winkel im Süden des bestehenden Gebäudes ein neuer Flügel nach Plänen von Jacob Sigismund Waitz von Eschen angesetzt und Portale und Fenster barock überformt, wodurch die Kirche zu einer Querkirche wurde. Die Kanzel stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Die heutigen, bemalten Emporen wurden 1797 eingebracht.
Die Kirche ist ein Kulturdenkmal aufgrund des Hessischen Denkmalschutzgesetzes.
Retabel
Das barocke Retabel mit der Darstellung einer Kreuzigung stammt von 1660. Nach mehrfachen Ausbesserungen wurde es 2013 restauratorisch voruntersucht und 2015–2019 im Landesamt für Denkmalpflege Hessen restauriert.
Orgel
Die seitenspielige Brüstungsorgel bauten die Gebr. Ratzmann im Jahr 1890 mit mechanischen Kegelladen. Der fünfachsige Prospekt wird durch Pilaster gegliedert. Drei Rundbogenfelder werden durch zwei zweigeschossige Flachfelder verbunden. Die beiden Rundbogenfelder außen werden von flachen Segmentbogen, das überhöhte Mittelfeld von einem Dreiecksgiebel abgeschlossen. Orgelbauer Andreas Schmidt, Gelnhausen, restaurierte die weitgehend erhaltene Orgel im Jahr 2017/2018. Das Instrument verfügt über zehn Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. Die Disposition lautet wie folgt:
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- Koppeln: II/I, I/P, II/P
- Spielhilfe: Tuttitritt
Glocken
Vor dem Ersten Weltkrieg verfügte die Laurentiuskirche über zwei Bronzeglocken der Fa. Henschel & Sohn, Kassel aus dem Jahre 1858, die 1917 zu Kriegszwecken eingeschmolzen wurden. Nach dem Krieg beschaffte man das jetzige Geläut. Dabei handelt es sich um zwei der relativ seltenen Stahlglocken der Fa. Buderus aus Wetzlar, die von der Glockengießerei Rincker in Sinn vertrieben wurden. Durch den charakteristischen Teiltonaufbau besitzen die Glocken ein spezielles, aber durchaus resonanzstarkes Klangbild. Die Instrumente hängen in einem historischen Holzglockenstuhl an geraden Stahljochen und werden von elektromechanischen Läutemaschinen der Herforder Elektromotoren-Werke (HEW) angetrieben. Das Glockenduett ist klanglich auf das dreistimmige Geläut der benachbarten evangelischen Unteren Kirche abgestimmt, mit dem es ein zusammenhängendes, fünfstimmiges Plenum in der einzigartigen Tonfolge d′-fis′-ais′-h′-e′′ bildet.
Nr. | Name | Inschrift | Gussjahr | Durchmesser in mm | Nominal |
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1 | Ewigkeitsglocke | „Ich ruf zur Ewigkeit“ sowie „Geg. v. Buderus Wetzlar & F. W. Rincker Sinn“ |
1920 | 1.400 | d′ |
2 | Betglocke | „Haltet an am Gebet“ sowie „Geg. v. Buderus Wetzlar & F. W. Rincker Sinn“ |
1920 | 1.170 | fis′ |
Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler – Hessen II. Regierungsbezirk Darmstadt. (Bearb.: Folkhard Cremer u. a.). 3. Auflage. München 2008, S. 77.
- Waltraud Friedrich: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen, Main-Kinzig-Kreis II. Wiesbaden 2011, S. 188f, ISBN 978-3-8062-2469-6.
- Götz J. Pfeiffer: Ein barockes Schmuckstück in der ev. Oberen Kirche zu Biebergemünd-Bieber. Das Retabel von 1660 des Karlstädter Malers Sebastian Vogt. In: Gelnhäuser Heimat-Jahrbuch 2018, S. 88–93.
- Christiane Weber: Biebergemünd, Bieber, Retabel. In: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hg.): Denkmalpflege und Kulturgeschichte 4-2019, S. 7f.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Götz J. Pfeiffer: Ein barockes Schmuckstück in der ev. Oberen Kirche zu Biebergemünd-Bieber. Das Retabel von 1660 des Karlstädter Malers Sebastian Vogt. In: Gelnhäuser Heimat-Jahrbuch. 2018, S. 88–93.
- ↑ Götz J. Pfeiffer: Barocke Kunst voller Rätsel Das Schrein-Retabel mit den Gemälden von Sebastian Vogt aus Karlstadt in der ev. Oberen Kirche zu Bieber. In: MKK-Mitteilungsbatt. Zentrum für Regionalgeschichte. Band 42, 2018, S. 4–9.
- ↑ Kathrin Ellwardt: Kirchenbau zwischen evangelischen Idealen und absolutistischer Herrschaft. Die Querkirchen im hessischen Raum vom Reformationsjahrhundert bis zum Siebenjährigen Krieg. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2004, ISBN 3-937251-34-0
- ↑ Friedrich.
- ↑ Weber, S. 7.
- ↑ Weber, S. 8.
- ↑ Weber, S. 7.
- ↑ Orgel in Bieber, Laurentiuskirche. Abgerufen am 10. Februar 2023.
Koordinaten: 50° 9′ 33,2″ N, 9° 19′ 43,5″ O