Ein Beispiel wird als Erläuterung oder Beweis für etwas Allgemeines oder als musterhafter Einzelfall oder Vorbild herangezogen. Laut Duden ist ein Beispiel ein „beliebig herausgegriffener, typischer Einzelfall als Erklärung für eine bestimmte Erscheinung oder einen bestimmten Vorgang; Exempel“.
Etymologie
Der zweite Wortbestandteil -spiel ist wie in Kirchspiel im Spätmittelhochdeutschen volksetymologisch an Spiel angelehnt worden. Das Grundwort dazu lautete im Althochdeutschen spel für ‚Erzählung, Rede‘, im Altenglischen spell für Erzählung, Geschichte, Rede, Ausspruch‘ und Altnordischen spjall (auch ‚Zauberspruch‘) oder gotischen spill für ‚Sage, Fabel‘. Im Außergermanischen sind im Griechischen apeilḗ (ἀπειλή) ‚ruhmredige Verheißung, Drohung‘ sowie im Lettischen pelt ‚schmähen, verleumden, tadeln‘ vergleichbar, so dass von einer gemeinsamen Wurzel (s)pel- ‚laut, nachdrücklich sprechen‘ ausgegangen werden kann. In der englischen Sprache wird heute noch mit spell ‚Zauberwort‘ und gospel ‚Evangelium‘ (altenglisch: gōdspel ‚Evangelium‘, wörtlich ‚gute Botschaft‘) bezeichnet.
Das mit bī- (‚bei‘) zusammengesetzte westgermanische Kompositum bīspil ‚lehrhafter Spruch, Gleichnis‘ mittelhochdeutsch bīspel, mittelniederdeutsch bīspē̌l, bīspil, mittelniederländische bispel bezeichnete ‚zur Belehrung erdichtete Geschichte, Fabel, Gleichnis, Sprichwort‘; das Altenglische bīspell ‚Beispiel, Gleichnis‘ bedeutete ‚das nebenbei Erzählte‘. Martin Luther verwendet Beispiel vor allem im Sinne von ‚lehrreiches Faktum zur Nachahmung oder zur Abschreckung‘. Unter Einfluss vom lateinischen exemplum entwickelte sich seit dem 16. Jahrhundert die Bedeutung ‚Vorbild, Muster‘. Unter französischem Einfluss beruhen die Verbindungen zum Beispiel (nach par exemple) und ohne Beispiel (nach sans exemple) beispielsweise in dem Adverb ‚zum Beispiel‘ Ende des 17. Jahrhunderts sowie das Adjektiv beispiellos ‚einmalig, noch nicht dagewesen, unerhört‘ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und beispielhaft ‚vorbildlich, mustergültig‘ Anfang des 20. Jahrhunderts.
Rhetorische Stilfigur
Nach Gert Ueding bezeichnet ein Beispiel (lateinisch exemplum) in der Rhetorik einen Kontext von Beweisen und Argumenten. Für Quintilian ist das Exemplum ein der Rede zugefügter, veranschaulichender Beleg, oder auch „die Erwähnung eines zur Überzeugung von dem, worauf es dir ankommt, nützlichen, wirklichen oder angeblich wirklichen Vorgangs“. Allerdings muss im Gegensatz zu Indizien der Zusammenhang zum Redegegenstand erst noch durch den Autor, bzw. den Redner hergestellt werden. Sie habe aber nicht „bloß Beweis- oder Belegfunktion“, sondern solle „am einsichtigen, anschaulichen, möglicherweise allgemein bekannten Fall einen schwer zugänglichen, spröden oder abstrakten Sachverhalt“ erleuchten und hat somit „auch schmückende, unterhaltende, also emotional bewegende Wirkung“ und gehöre zu den rhetorischen Figuren.
Die Rhetorik unterscheidet dabei drei Typen von Beispielen:
- Das Beispiel aus dem gegenwärtigen Leben, aus der unmittelbaren Zeitgeschichte. Der Glaubwürdigkeit würde nach Ueding hier einen hohen Wert eingeräumt, „da es aus einer wahren Begebenheit stammt, die allgemein bekannt ist oder nachgewiesen werden kann“.
- Das Beispiel aus der Geschichte. Das historische Exempel würde wohl am meisten gebraucht, da es „nicht nur auf Wahrheit beruhe, sondern darüber hinaus autoritätshaltig“ sei. Es ist – so Ueding – „auch das durch die Geschichte schon bewährte, durch vorbildliche historische Personen bekräftigte, in seinen Auswirkungen weitgehend überschaubare Geschehen, das die Überzeugungskraft der Tradition mitbringt“.
- Das poetische Exempel; seine Glaubwürdigkeit sei geringer, „weil ihm historische Wahrheit gar nicht oder nur in einem sehr vermittelten Sinne zukommt.“ Doch könne es „eine existenzielle, religiöse oder allgemein geistige Wahrheit vermitteln“ und so „in vielen Bereichen der öffentlichen Rede wirksamer, ja glaubwürdiger sein als das empirisch stichhaltige Faktum.“ Beispielsweise wird in Ferdinand Freiligraths Gedicht Hamlet von 1844, das mit der Zeile beginnt „Deutschland ist Hamlet“, der zaudernde Hamlet mit der politischen Situation des vormärzlichen Deutschlands verglichen.
Trivia
Die Angabe von Beispielen erfolgt im deutschen Sprachgebrauch häufig mit der Formulierung zum Beispiel, die dann oft mit z. B. abgekürzt wird. Die korrekte Schreibweise ist mit Punkten und Leerzeichen, in Österreich ist auch die Schreibweise ohne Punkte und Leerzeichen (zB) zulässig.
Siehe auch
Literatur
- Günther Buck: Kants Lehre vom Exempel. In: Archiv für Begriffsgeschichte 11 (1967), S. 148–183.
- Alexander Gelley (Hrsg.): Unruly Examples. On the Rhetoric of Exemplarity. Stanford University Press, Stanford, CA 1995, ISBN 0-8047-2490-3.
- Jens Ruchatz, Nicolas Pethes, Stefan Willer (Hrsg.): Das Beispiel. Epistemologie des Exemplarischen. Kadmos, Berlin 2007, ISBN 978-3-86599-038-9.
- Christian Lück, Michael Niehaus, Peter Risthaus, Manfred Schneider (Hrsg.): Archiv des Beispiels. Vorarbeiten und Überlegungen. Diaphanes, Zürich-Berlin 2013, ISBN 978-3-03734-252-7.
- Daniel Schäfer: Langlebige Beispiele. Überlegungen zur Funktion und Gestaltung historischer Exempla für ein hohes Alter in der diätetischen Literatur der frühen Neuzeit. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 188–203.
Einzelnachweise
- ↑ Beispiel auf duden.de, abgerufen am 12. September 2011
- ↑ Altenglisch Kurzform. Abgerufen am 29. April 2017.
- ↑ Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Berlin 1993, ISBN 3-05-000626-9. Taschenbuchausgabe: Ungekürzte, durchgesehene Ausgabe, 7. Auflage. dtv, München 2004, ISBN 3-423-32511-9, Online bei DWDS
- ↑ Gert Ueding: Rhetorik des Schreibens. Eine Einführung. Weinheim, 4. Auflage. 1996, S. 63–83, online auf mediaculture online
- ↑ Wiktionary Eintrag zu z. B. Abgerufen am 8. Juni 2017.
- ↑ Österreichisches Wörterbuch. 43. Auflage. Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2018, ISBN 978-3-209-10546-2, S. 856.
Weblinks
- Archiv des Beispiels Datenbank zur Erforschung des Beispielgebrauchs in den Wissensdiskursen der Moderne.
- z. B. Zeitschrift zum Beispiel Literatur-, medien- und kulturwissenschaftliche Online-Zeitschrift zur Erforschung von Beispielen und ihrem Gebrauch.