Führungskultur definiert und etabliert eine Gestaltungsform des Schullebens durch Führungspersonen im schulischen Kontext. Ideen und Angebote werden für Führungsverantwortliche und -mitverantwortliche in einem virtuellen Raum entwickelt und benannt, sie geben Impulse und regen den Diskurs an.

Definition

Unter Führungskultur im schulpädagogischen Kontext wird visionsgeleitetes Führungshandeln in ganzheitlicher Leitungsverantwortung als personales und soziales, sinnorientierendes, organisationales und systemisches Fühlen, Denken und Einwirken zur Erfüllung und Erreichung gemeinsamer Aufgaben und Ziele in geteilter Verantwortung verstanden.

Schulpädagogisches Umfeld

Gesellschaftlicher Wandel, neuere Forschungsergebnisse, evidenzbasierte Schuldaten und öffentliche Schulkritik verändern Ansprüche und Aufgaben schulischer Führungsverantwortung. Sie fordern das Bewusstmachen von Führungsidealen und -mustern und die Hinwendung zu kontextuellem Führungshandeln und partizipativem Gestalten von Schule. Zudem braucht es die Hinwendung zum gesellschaftlichen und politischen Umfeld der Schule als Fokus ihrer gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftlichen Aufgaben.

Dimensionen

Die nachfolgend genannten fünf „Dimensionen“ sind Anker für die Gestaltungsformen schulischen Leitungsdenkens und Führungshandelns (vgl. auch Kulturebenen-Modell).

Personale Dimension

Die personalen Gestaltungsformen gründen in Personwürde als Achtung des je Anderen als einer ethischen Kategorie und moralischen Haltung.

Kultur wird Teil von Führung, indem die führende Person selbst- und mitverantwortlich gegenüber den im Berufsfeld Mitarbeitenden denkt und handelt. Die Achtung von Freiheit als Verantwortung, von Menschenwürde und Menschenrechten, von Kinderrechten im Besonderen, sind für das Handeln grundlegend und anleitend.

Soziale Dimension

Die sozialen Gestaltungsformen prägen Führungskultur als vertrauensvolle, partizipative und wirkmächtige Beziehungsarbeit. Führen wird gesehen als wechselseitiger, sinnorientierter Prozess zur Erfüllung und Erreichung gemeinsamer Aufgaben und Ziele.

Kultur wird ein Teil von Führung, indem Menschen inspiriert und stimuliert werden, Werte zu teilen, Normen zu vereinbaren und Rituale zu pflegen.

Sinnorientierte Dimension

Die sinnorientierten Gestaltungsformen erzeugen durch Führungshandeln eine wahrnehmbare Kongruenz in Verbindung mit Werten (wie Verantwortung, Wertschätzung, Respekt, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Zufriedenheit, Gleichheit, Solidarität, Subsidiarität, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit). Diese Handlungswerte gründen sich in der Beziehung zum Ich, in der Beziehung zum Du (soziale Beziehungen), in der Beziehung zur Umwelt und in der Beziehung zum sinnvollen Tun (Aufgaben, Tätigkeiten). Sie sind erkennbar durch das Streben nach positiv konnotierten Zuständen sowie durch die Vermeidung von konnotativ unerwünschten Zuständen.

Kultur wird ein Teil von Führung, indem ihre Handlungswerte für das tatsächliche Handeln und Streben verantwortlich zeichnen und nicht nur wie Normen und Regeln eher das Unterlassen von Handlungen bestimmen (Konsequenzen bei Nichteinhaltung). Führungskulturgebundene Handlungswerte erstreben nicht klar definierte Ziele, eher Idealzustände als Realutopien und Handlungsorientierungen in Freiheit.

Organisationale Dimension

Die organisationalen Gestaltungsformen von Schulleitung orientieren sich vorrangig an den Herausforderungen der standortbezogenen Schul- und Unterrichtsentwicklung. Führung als Übernahme koordinativer Verantwortung für subsidiäre Entwicklung und Entscheidungen wird zu Kultur durch das lebendige Selbstverständnis von shared leadership als dialogisches Innen- und Gemeinschaftsleben der Schule.

Kultur wird ein Teil von Führung, indem sie sich entwickelt und gestaltet durch die Etablierung und Weiterentwicklung von zielgerichteten und wirksamen Binnenstrukturen (als Formen des gemeinsamen Lernens, Professionelle Lerngemeinschaften, intelligente Infrastruktur, kollektiv nutzbares Wissensmanagement u. a. m.) und transparenten Außenstrukturen (gelebte Schulpartnerschaft, aktive Medienarbeit, regionale Vernetzung, Schule als öffentlicher Begegnungsraum u. a. m.).

Systemische Dimension

Die systemischen Gestaltungsformen betrachten schulisches Handeln in einem ganzheitlichen Kontext. Führung ist gekennzeichnet durch verantwortungsvolle systemische Reflexion der Schule und ihres Umfelds, geleitet etwa durch systemische Reflexion von Evidenzen und Zielbildern.

Kultur wird ein Teil von Führung, indem sie die Außensicht und -darstellung der Schule in ihren pädagogischen Zielsetzungen, den gepflegten Unterrichtsformen sowie in den künstlerischen, sozialen und geistigen Lebensäußerungen der Schulgemeinschaft betrachtet.

Einzelnachweise

  1. Michael Schratz, Christian Wiesner, David Kemethofer, Ann C. George, Erwin Rauscher, Silvia Krenn, Stefan G. Huber: Schulleitung im Wandel: Anforderungen an eine ergebnisorientierte Führungskultur. In: Michael Bruneforth, Ferdinand Eder, Konrad Krainer, Claudia Schreiner, Andrea Seel, Christiane Spiel (Hrsg.): Nationaler Bildungsbericht Österreich 2015, Band 2: Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen. Leykam, Graz 2016, S. 221262.

Literatur

  • Walter A. Fischer, Michael Schratz: Schule leiten und gestalten: Mit einer neuen Führungskultur in die Zukunft. 2., aktualisierte Auflage. Studienverlag, Innsbruck 1999, ISBN 978-3-706514439.
  • Sharon D. Kruse, Karen Seashore Louis: Building strong school cultures: A guide to leading change. Corwin Press, Thousand Oaks California 2009, ISBN 978-1-412951821.
  • Armin Lohmann: Effektiv Schule führen: Wie Schulleitungshandeln die Schul- und Unterrichtsqualität steigert. Carl Link Verlag, Köln 2013, ISBN 978-3-556062463.
  • Erwin Rauscher: Schule sind WIR: Bessermachen statt Schlechtreden. Residenz-Verlag, St. Pölten 2012, ISBN 978-3-701732784.
  • Christian Wiesner: Von der Unbelehrbarkeit der Theorien. In: Erwin Rauscher (Hrsg.), Von der Lehrperson zur Lehrerpersönlichkeit. Studienverlag, Innsbruck 2015, ISBN 978-3-7065-5808-2.
  • Margret Ruep, Michael Schratz: Wert und Werte von Führung in der Schule. In: Journal für LehrerInnenbildung. (11) H. 1, S. 31–37.
  • C. Otto Scharmer, Katrin Käufer: Von der Zukunft her führen: Von der Egosystem- zur Ökosystem-Wirtschaft; Theorie U in der Praxis. Carl-Auer, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-8497-0042-3.
  • H. Edgar Schein: Organisationskultur. EHP, Bergisch Gladbach 2010, ISBN 978-3-897970144.
  • Wilfried Schley, Michael Schratz: Developing Leaders, Building Networks, Changing Schools through System Leadership. In: John MacBeath, Tony Townsend (Hrsg.): International Handbook of Leadership for Learning. Springer, New York 2010, ISBN 978-9400713499, S. 267–296.
  • Michael Schratz, Martin Hartmann, Wilfried Schley: Schule wirksam leiten. Analyse innovativer Führung in der Praxis. Waxmann, Münster 2010, ISBN 978-3-830923138.
  • Michael Schratz, Hans A. Pant, Beate Wischer: Unterrichtsqualität und ihre Bedingungen auf dem Prüfstand. In: Michael Schratz, Hans A. Pant, Beate Wischer (Hrsg.): Was für Schulen! Unterrichtsqualität – Beispiele guter Praxis. Klett Kallmeyer, Seelze 2015, ISBN 978-3-780048349, S. 8–15.
  • Michael Schratz, Christian Wiesner, David Kemethofer, Ann C. George, Erwin Rauscher, Silvia Krenn, Stefan G. Huber: Schulleitung im Wandel: Anforderungen an eine ergebnisorientierte Führungskultur. In: Michael Bruneforth, Ferdinand Eder, Konrad Krainer, Claudia Schreiner, Andrea Seel, Christiane Spiel (Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2015, Band 2: Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen. Leykam, Graz 2016, doi:10.17888/nbb2015-2-7, S. 221–262.
  • Karen Seashore Louis, Boudewijn van Velzen (Hrsg.): Educational policy in an international context: Political culture and its effects. Palgrave Macmillan, New York 2012, ISBN 978-0-230340411.
  • Louise Stoll, Hunter Moorman, Sybille Rahm: Building leadership capacity for system improvement in Austria. In: Beatriz Pont, Deborah Nusche, David Hopkins (Hrsg.): Improving School Leadership: Case studies on system leadership. Band 2. OECD, Paris 2008, S. 215–252.
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