Federpicken oder Federrupfen bezeichnet das Bepicken sowie Herausziehen von Federn beziehungsweise Federteilen, welches bei unterschiedlichen Vogelarten in Gefangenschaft auftritt. In der Massentierhaltung wurde es oft bei Hühnern und Puten beobachtet. Dabei wird Federpicken oft als Vorstufe von Kannibalismus beobachtet. Das Phänomen tritt sowohl in der konventionellen als auch in der ökologischen Hühnerei- und Geflügelproduktion auf und zählt zu den häufigsten Verhaltensstörungen bei Ziervögeln, wie Papageien und Sittichen.
Vögel neigen unter unnatürlichen Lebensbedingungen zu Federpicken und -rupfen, wobei sowohl selbstverletzendes Verhalten (Selbstrupfen), als auch Aggressionen gegen Artgenossen (Fremdrupfen), bis hin zum Kannibalismus, beobachtet werden konnten.
Das Federpicken wird als eine bei Tieren auftretende Variante der Anpassungsstörung bewertet, wobei die Störung des Verhaltens durch eine Überforderung der Tiere mit den Haltungsbedingungen eingestuft wird, die durch unterschiedliche Faktoren begünstigt wird.
Nur durch ein möglichst frühes Eingreifen durch die Halter kann das Fehlverhalten zeitnah reduziert oder eingestellt werden. Werden die auslösenden Bedingungen nicht korrigiert, so kann Federpicken zum Tod der Tiere und zu wirtschaftlichen Verlusten bei Großbetrieben führen.
Ursachen
Als zentrale Ursache des Federpickens wird ein gestörtes Verhalten beim Nahrungserwerb durch fehlerhafte Haltungsbedingungen angesehen. Wird die Schnabelaktivität bei der Nahrungsaufnahme nicht befriedigt, kommt es zur Umorientierung auf andere erreichbare Objekte, in diesem Fall die Federn der Artgenossen. Das präventive Schnabelkürzen war als Gegenmaßnahme in landwirtschaftlichen Betrieben bis 2017 gestattet und wurde dann in Deutschland verboten.
Darüber hinaus wurden Zusammenhänge zwischen Federrupfen und dem natürlichen Sandbadverhalten, der Gefiederpflege und dem Sozialverhalten der betroffenen Vögel festgestellt. Können diese Bedürfnisse nicht adäquat ausgelebt werden, so tritt, in Kombination mit mangelhaften Beschäftigungsmöglichkeiten, ein übersteigertes Putzverhalten, bis hin zur vollständigen Entfernung des Gefieders an einigen Körperpartien, auf.
Agonistisches Picken richtet sich in der Regel auf die Kopfregion und nicht auf das Gefieder. Eher ist davon auszugehen, dass das Picken gegen die Federn der Artgenossen aufgrund des nicht ausübbaren Bodenpickens zustande kommt.
Ohne Vorliegen einer Erkrankung, die mit Juckreiz einhergeht, wurden im Heimtierbereich folgende Faktoren benannt, die das Federrupfen begünstigen:
- Langeweile/ fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten
- Zu kleiner Käfig
- Zu wenig Bewegung
- Einzelhaltung
- Zu trockenes Raumklima
- Zu enge Bindung zu Halter, bzw. Halterin
- Häufige Standortwechsel
- Wechsel der wichtigsten Bezugspersonen
Bei Graupapageien bewertet eine Studie der Universität Leipzig das Federrupfen mittlerweile als haltungsbedingt hervorgerufene Verhaltensstörung.
Klassifikation
Ein möglichst frühes Eingreifen ist entscheidend, wenn es zu einer positiven Veränderung des unerwünschten Verhaltens kommen soll. Für Beschäftigte von Betrieben und Privatmenschen, die Vögel einzeln oder in Gruppen halten, lassen sich daher, nach aufsteigendem Schweregrad, folgende Gefiederschäden gegeneinander abgrenzen: Stufe 1
- erste Beschädigungen des Gefieders durch Picken am Stoßansatz, sowie am Rücken und Hals
- Federpicken an Bauch, Schenkeln und Flügeln
Stufe 2
- massive Gefiederschäden mit kahlen Stellen und frei liegenden Hautanteilen
Stufe 3
- überwiegend federloses Erscheinungsbild
- Auftreten von sichtbaren Verletzungen
- erhöhte Gefahr von Kannibalismus bei Herdenhaltung
Prävention durch artgerechtere Haltungsbedingungen
In landwirtschaftlichen Betrieben kann ein vermindertes Vorkommen von Federpicken durch die Vermeidung bestimmter Haltungsbedingungen erreicht werden. Dazu werden unter anderem folgende Bedingungen gezählt:
- Mangelhaftes Fütterungsmanagement
- Mangelhafte Futterzusammensetzung und Proteinversorgung
- Zu hohe Besatzdichten
- Unpassende Gruppengrößen
- Mangelndes Sitzstangenangebot
- Genetische Disposition
- unzureichende Einstreumenge und -qualität
Folgen
Das Federpicken und das Herausreißen der Federn kann bei den betroffenen Tieren zu Schmerzen, Furcht, Stress und einer erhöhten Sterberate führen.
In der Geflügelwirtschaft führt geschädigtes Federkleid nicht nur in der Freilandhaltung zu höheren Wärmeverlusten, was im Extremfall zum Erfrieren führen kann. Bei Stallhaltung steigt dagegen der Bedarf an Futter, um den Verlust der Wärme auszugleichen. Aus Sicht des Halters führt Federpicken somit zu wirtschaftlichen Problemen durch den Verlust von Tiere und einen erhöhten Futterbedarf.
Auch Heimvögel, rupfen und reißen mitunter so lange an ihrem Gefieder, bis sie sich selbst blutende Wunden zugefügt haben. Der frühzeitige Tod kann entweder durch Verbluten oder Infektionen, die in Folge von Federpicken entstanden sind, auftreten.
Abhilfe
In der Hühnerhaltung waren in Deutschland, waren 2019 geschätzt zehn Prozent der Hühner betroffen, damals etwa 4 Millionen Tiere. Durch den damit einhergehenden wirtschaftlichen Schaden, sind auch die Geflügelhalter daran interessiert das Federpicken, so gut wie möglich, einzuschränken.
Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich das Federpicken zwar nicht vollständig unterbinden lässt, es jedoch geeignete Maßnahmen gibt, durch die es sich in der Geflügelhaltung reduzieren lässt. An der Universität Göttingen fanden Geflügelwissenschaftler heraus, dass Halter deren Tiere, beispielsweise durch Picksteine, Stroh oder Weizenkörner in der Einstreu, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten, seltener zu Selbst- und Fremdrupfen neigen. Als zusätzliches Einstreuelement hat sich außerdem Luzerne als hilfreich erwiesen. Eine Reduktion der Lichtintensität kann ebenfalls zu einer Verbesserung der Lage beitragen.
Tierrechtsorganisationen wie die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt forderten schon lange artgerechtere Haltungsbedingungen, um dem Federpicken vorzubeugen. Sie kritisieren darüber hinaus sogenannte symptomatische Gegenmaßnahmen, zu denen die quantitative Lichtreduktion und das (mittlerweile abgeschaffte) Kürzen der Schnäbel gezählt wird.
Einzelnachweise
- 1 2 3 Christiane Keppler: Untersuchungen wichtiger Einflussfaktoren auf das Auftreten von Federpicken und Kannibalismus bei unkupierten Legehennen in Boden- und Volierenhaltungen mit Tageslicht unter besonderer Berücksichtigung der Aufzuchtphase. Prof. Ute Knierim, Universität Kassel, 2008, abgerufen am 9. Dezember 2015.
- ↑ Marion Staack, Bettina Gruber, Christiane Keppler, Katrina Zaludik, Knut Niebuhr, Ute Knierim: Neues aus der Ökologischen Tierhaltung 2008. Maßnahmen gegen Federpicken bei ökologisch gehaltenen Legehennen – Ergebnisse einer epidemiologischen Untersuchung. G. Rahmann, U. Schumacher, 2008, abgerufen am 9. Dezember 2015.
- 1 2 3 4 Federrupfen beim Vogel Tiermedizinportal, aufgerufen am 31. August 2022
- ↑ Federpicken & Kannibalismus: Depressive Hühner in Massentierhaltung Animal Equality, aufgerufen am 31. August 2022
- 1 2 Christiane Keppler: Gutachten zum Risiko von Federpicken und Kannibalismus in der Kleingruppenhaltung nach der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz, aufgerufen am 31. August 2022
- 1 2 Federrupfen Birds Online, aufgerufen am 31. August 2022
- 1 2 3 Geflügel. Gefiederzustand verrät viel über Verhaltensstörungen Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, aufgerufen am 31. August 2022
- ↑ 2017: Schnabelkürzen ab sofort verboten Agrarheute, aufgerufen am 31. August 2022
- ↑ Machbarkeitsstudie zum EXOPET-Projekt exemplarisch für die Spezies Psittacus erithacus Universität Leipzig, aufgerufen am 31. August 2022
- ↑ Federpicken bei Hühnern – Ursachen und mögliche Lösungen des Problems Hühner-Ratgeber, aufgerufen am 31. August 2022
- 1 2 Federpicken von Hühnern: „Depressive Hühner“ Die Tageszeitung, aufgerufen am 31. August 2022
- ↑ Massentierhaltung – Legehennen. Vermeidbarkeit und Forderungen. Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, abgerufen am 8. Dezember 2015.