Das Fideikommiss (lat. fidei commissum) ist ein Auskunftsmittel des römischen Erbrechts, das seinen Ursprung in der Römische Republik findet. Hinsichtlich vieler seiner Merkmale besteht Ähnlichkeit zum Legat (Vermächtnis).
Ursprünglich handelte es sich beim Fideikommiss um eine den Todesfall des Erblassers betreffende, formlose und nicht klagbare Bitte gegenüber dem Erben oder einem bestimmten Dritten, die an die Erwartung geknüpft war, dass der Bedachte diese Bitte aus sittlichem Pflichtgefühl und loyaler Treue (bona fides) gegenüber dem Erblasser erfüllt. Erfüllungsgegenstand und damit Inhalt der Bitte war, dass das Zugewendete an einen zweiten Erben weitergereicht wird.
Ab der frühen Kaiserzeit (unter Augustus), wurde das Fideikommiss in einem außerordentlichen Gerichtsverfahren (extraordinaria cognitio), zunächst vor den Konsuln, im Anschluss daran vor dem praetor fideicommissarius klagbar und damit durchsetzbar.
Grundsätze der Einzelfideikommisse
Das Fideikommiss wirkte als zweigegliederter Akt. Der Erblasser, der über Testierfähigkeit verfügen musste (testamenti factio), hinterließ dem bedachten Erben nicht vorbehaltlos eine Erbschaft, vielmehr war die Zuwendung (häufig generationenübergreifend) mit einer Bitte beschwert, nach heutigem Verständnis einer Auflage vergleichbar, die Erbschaft oder Bruchteile daraus in der der Bitte gerechten Weise (an den Erbeserben oder Gesamtnachfolger) weiterzureichen. Wie beim Legat, konnten einem Fideikommiss auch einzelne Vermögensgegenstände unterfallen, Inhalt der Bitte konnte zudem die Freilassung von Sklaven sein.
Das Fideikommiss konnte dem Erblasser auch Zuwendungen ermöglichen, die er durch Legate nicht hätte bestellen können, etwa weil Gesetze wie die lex Furia oder die lex Voconia, in der Zeit der Republik entgegenstanden. Bedacht werden konnte jeder, der den Todeszeitpunkt (dies cedens) des Erblassers erlebte, was Voraussetzung für den Vollzug eines Fideikommisses war. Beschwert werden konnten Testamentserben (gewillkürte Erben), Intestaterben (gesetzliche Erben), Legatare (Vermächtnisnehmer), Fideikommissare (Kommissadressaten), aber auch andere, die etwas aus der Erbschaft erlangten (vgl. fideicommissum a debitore relictum) oder gar der Staat. Vergleichbare Beschwerungsregeln finden sich auch in modernen Rechtsordnungen, etwa im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, dort in § 2147 BGB.
Nach dem Vorbild des Damnationslegats wirkten Fideikommisse stets obligatorisch, hatten also keine dingliche Wirkung. Rechtsgeschäftliche Unwirksamkeit konnte resultieren, wenn Willensmängel vorlagen, unsittliche, unmögliche oder verbotswidrige Inhalte vereinbart wurden oder auch dann, wenn der Beschwerte stärker belastet werden sollte, als es die Zuwendung zu seinen Gunsten selbst überhaupt hergab. Mit Wirkung des senatus consultum Pegasianum durfte ein belasteter Erbe die Falcidische Quart für den Selbstbehalt abziehen.
Der Charakter des Rechtsinstituts verschärfte sich unter Augustus. In Einzelfällen unterstand es nun rechtlichem Zwang, wurde klagbar und die Entscheidungen wurden in außerordentlichen Verfahren (extraordinaria cognitio) zunächst von Konsuln, kurz später von speziellen Prätoren und in den Provinzen von Statthaltern gefällt. Das senatus consultum Pegasianum übertrug die augusteischen Ehegesetze, die vornehmlich bei Legaten Anwendung fanden, auf die Fideikommisse. Wie bereits in der Republik von den Vorklassikern zu den oben beschriebenen leges wurden in der klassischen Jurisprudenz Umgehungstatbestände geschaffen, um die erheblichen Erbrechtsbeschränkungen auszuhebeln. In der Nachklassik verschmolzen Fideikommiss und Legat zunehmend. Die Jurisprudenz der Zeit strebte bereits die Annäherung an die rechtliche Beschaffenheit der Legate an.
Da die Pflicht zur Einhaltung eines Formgebots nicht bestand, wurden Fideikommisse in Testamenten, Kodizillen oder auch lediglich mündlich oder in Form von Gebärden errichtet. Neben dem Verpflichtungsbekenntnis (fidei tuae committo) wurden die Bitten durch „ich frage an“ (peto, rogo) oder „ich will“ (volo) zum Ausdruck gebracht. In den pseudopaulinischen Sentenzen lässt sich nachlesen, dass empfehlende (commendo) oder unbestimmte (relinquo) Äußerungen unzulässig waren.
Erbschaftsfideikommisse
Im antiken Rom war die Nacherbfolge unbekannt, denn die gebräuchlichen Rechtsvorstellungen ließen nur temporär wirkende Erbenstellungen nicht zu. Mittels der partito legata konnten Erbschaften zwar aufgeteilt, nicht aber im Gesamten übertragen werden. Um gleichwohl Gesamtrechtsnachfolgen hintereinander schalten zu können, behalf man sich mit der „fideikommissarischen Sukzession“, bei der zwar nur der Erbe dem Erblasser rechtlich nachfolgt, dieser aber ein Pflichtenprogramm zur Weiterreichung von Teilen oder der gesamten Erbschaft auferlegt bekommt (fideicommissum heriditatis).
In der Kaiserzeit wurden Herausgabeansprüche geschaffen, womit für den Erbschaftsfideikommiss auch Rechtsschutz bestand. Schwierigkeiten taten sich allerdings dahingehend auf, als Forderungen und Verbindlichkeiten nicht zusammen mit der Erbschaft übergingen. Beim Legat waren lediglich Ausgleichslösungen im Innenverhältnis der Parteien vorgesehen, eine Akzessorietät der Rechte und Pflichten konnte daraus also nicht hergeleitet werden. Durch Senatsgutachten unterstützt bemühten sich die Juristen also um gesetzliche Regelungen, bei denen man sich der traditionellen Geschäftsformen der Mancipation (Veräußerung) und anschließender Stipulation (Erbschaftskauf) behalf. Da in diesem Wege Bedingungen vereinbart werden konnten, konnten Erben schadlos gehalten werden.
Da der Erbe aber die Gefahr des Bedingungsausfalls trug, er selbst im Außenverhältnis gegenüber den Nachlassgläubigern haftete, wurde das Erbe häufig ausgeschlagen. Erst mit dem senatus consultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) konnte Abhilfe geschaffen werden, denn fortan wurde der Erbnachfolger belastet (heredis loco). Und das ging so: Alle Parteien erhielten mit den actiones utiles Klagemöglichkeiten. Aktivlegitimiert waren die Erben, ebenso aber auch die vom Fideikommiss Bedachten – im Verhältnis des Fideikommisses zum Nachlass – also pro rata parte. Die fideikommissarische hereditatis petitio und die actio familiae eriscundae utilis schützten den Nachfolger gegenüber Erben, Teilerben und Mitfideikommissaren. Gegenüber den Nachlassgläubigern konnte sich der Erbe wiederum mit einer exceptio, später einer praescriptio zur Wehr setzen. Der Erbe hatte nunmehr keine Haftung mehr für Nachlassschulden zu fürchten.
Da Erbschaftsausschlagungen trotzdem weiterhin zu beobachten waren, dafür aber zumeist ökonomische Gründe ausschlaggebend waren, wurde mit dem senatus consultum Pegasianum ein Anreizsystem geschaffen, das Erbe anzunehmen. Es wurde nämlich sichergestellt, dass bei Fideikommissen zumindest die falzidische Quart beim Erben zu verbleiben hatte.
Siehe auch
Literatur
- Ulrike Babusiaux: Zum Rechtsschutz von Fideikommissen im Prinzipat. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 136, Heft 1, 2019. S. 140–213.
- Birgit Forgó-Feldner: Klauselgestaltungen in römischen Testamenten. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 138, Heft 1, 2021. S. 917–922.
- Thomas Finkenauer: Drittwirkende pacta im klassischen Recht. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 135, Heft 1, 2018. S. 178–260.
- Max Kaser: Das Römische Privatrecht. Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht. 2. Auflage. C. H. Beck, München 1955 (Zehnte Abteilung, Dritter Teil, Dritter Band, Erster Abschnitt) § 189, S. 630–636.
- Ulrich Manthe: Römisches Privatrecht. Einleitung in die lateinische Philologie, herausgegeben von Fritz Graf, Berlin, Boston, B. G. Teubner. 2011, S. 449–466.
Weblinks
- Literatur von und über Fideikommiss im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Anmerkungen
- ↑ Vieles zu den Verfahren und den Verfahrensbeteiligten ist aufgrund Quellenlage umstritten; vgl. hierzu, Ulrike Babusiaux: Zum Rechtsschutz von Fideikommissen im Prinzipat. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 136, Heft 1, 2019. S. 140–213.
- ↑ Im BGB findet sich eine vergleichbare Regelung zur in Rom noch unbekannten Nacherbschaft in § 2100 BGB.
- 1 2 3 4 5 Max Kaser: Das Römische Privatrecht. Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht. 2. Auflage. C. H. Beck, München 1955 (Zehnte Abteilung, Dritter Teil, Dritter Band, Erster Abschnitt) § 189, S. 630–636.
- ↑ Insoweit soll die lex Iulia et Papia, die bei Legaten auf die Testamentseröffnung als dies cedens abstellte, nicht anwendbar gewesen sein, was in der Forschung aber streitig diskutiert wird; Max Kaser verweist auf Ulpian 24.31 und den Codex Iustinianus 6.51.1.1c., wo Fideikommisse gerade nicht genannt werden.
- ↑ Ulpian, Digesten 30.77.
- ↑ Ulpian, Digesten 32.11.16.; Paulussentenzen, 4.1.8.; Gaius, 2.277 und 2.261.
- ↑ Institutiones 2.23.1; 2, 25 pr.
- ↑ Inst. Gai. 2.278; Ulpian 25.12.
- 1 2 Heinrich Honsell: Römisches Recht. 7., ergänzte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-642-05306-1. § 75 (S. 198).
- ↑ Ulpian 25.8.
- ↑ Gaius 2.270a.
- ↑ Paulussentenzen 4.1.5.
- ↑ Iulius Paulus, Digesten 32.21 pr.
- ↑ Ulpian 24.1.
- ↑ Wortlaut bei Ulpian, Digesten 36.1.1.2.; Gaius 2.253.
- ↑ Ulpian, Digesten 36.1.38 pr.
- ↑ Gaius 2.255.
- ↑ Hierzu ausführlich, Jan Dirk Harke: Die longi temporis praescriptio in der diokletianischen Reskriptenpraxis. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 139, Heft 1, 2022. S. 214–252.