Parmigianino (* 11. Januar 1503 in Parma; † 24. August 1540 in Casalmaggiore, Parma; eigentlich Girolamo Francesco Maria Mazzola) war ein italienischer Maler und Radierer des Manierismus.
Biografie
Kindheit
Francesco Mazzola wurde am 11. Januar 1503 als achter Sohn einer Handwerker- und Künstlerfamilie geboren. Sein vollständiger Namen lautete auf dem (lateinischen) Taufschein Jeronimus Franciscus Maria filius Philipi de Mazolis. Nach dem frühen Tod seines Vaters Filippo (1505) wurde er von seinen Onkeln väterlicherseits aufgezogen, die sein Talent förderten und ihn neben den humanistischen Fächern auch in Naturwissenschaften und Musik unterrichten ließen.
Parma und Rom (1521–1527)
Nach einem kurzen Aufenthalt in Viadana begann Parmigianino um 1521/1522 in der Kirche San Giovanni zu arbeiten. Den Quellen zufolge soll er dort auf dem Baugerüst der Kuppel Antonio da Correggio begegnet sein. Von Parmigianino stammt u. a. die Dekoration der Bogenlaibungen dreier Seitenkapellen. Später wird er beauftragt, mehrere Partien im linken Querhaus der Kathedrale von Parma auszumalen. Im entsprechenden Vertrag wird er trotz seiner Jugend als „Magister“ bezeichnet, ein Ausweis der Achtung, die man bereits dem jungen Maler entgegenbrachte.
Im Sommer 1524 reiste Parmigianino nach Rom. Er bringt sein berühmtes Selbstporträt im konvexen Spiegel mit sich und wird am Hof sofort als neuer Raffael gefeiert. Papst Clemens VII. verspricht ihm die Dekoration der Sala dei Pontefici. Aus dieser Zeit sind einige kleinere Werke überliefert, Parmigianino schien sich vor allem Zeichnungen und Studien gewidmet zu haben. Die Plünderung Roms 1527 unterbricht dann Parmigianinos Rom-Aufenthalt.
Bologna (1527–1530)
In den Jahren nach seiner Rückkehr aus Rom hält er sich verstärkt in Bologna auf, das relativ nah (weniger als 100 Kilometer entfernt) bei seiner Heimatstadt Parma liegt. Die Zeit in Bologna ist sehr produktiv. Parmigianino erhält vielerlei Aufträge, die aber nicht zu einer breiteren Anerkennung führen. Selbst das Allegorische Porträt Karls V. aus dem Jahr 1530 erzielt bei dem Porträtierten offenbar keine Wirkung. In die Bologneser Zeit fällt auch seine Zusammenarbeit mit dem Kupferstecher Antonio da Trento, der ihn vielleicht aufgrund von Verstimmungen im persönlichen Verhältnis der beiden aller seiner Kupferstiche, Holzschnitte und vor allem Zeichnungen beraubte, die er nie wiedersah.
Parma (1531–1540)
Nach seiner Rückkehr nach Parma verpflichtete sich Parmigianino um 1530/1531, die Ausmalung der Apsis und des Tonnengewölbes der neuerbauten Kirche Santa Maria della Steccata auszuführen. Seit dieser Zeit wird er in den Dokumenten als „Dominus“ bezeichnet, ein Zeichen für seinen Aufstieg in der sozialen Hierarchie.
Zu den privaten Aufträgen, die Parmigianino in dieser Zeit annimmt, gehört die für eine Familienkapelle gemalte später so genannte Madonna mit dem langen Hals. 1535 kann Parmigianino die lange verzögerte Arbeit bei der Ausmalung der Steccata wieder aufnehmen. Zumindest das Tonnengewölbe hat er bis 1538 fertiggestellt, aber wegen weiterer Verzögerungen bei der Dekoration der Apsis wird ihm im Dezember 1539 durch die Bruderschaft der Steccata der Auftrag endgültig entzogen. An seiner Statt wird Giulio Romano verpflichtet, der aber schon im März 1540 von seiner Zusage zurücktritt, da diese Arbeit über seine Kräfte ginge. Schließlich übernimmt Michelangelo Anselmi den Auftrag.
In seinem Refugium in Casalmaggiore starb Parmigianino 1540 mit 37 Jahren an Flussfieber (Malaria). Dort wurde er auf dem Friedhof der Chiesa dei' Frati dei Servi (deutsch Kirche der Brüder der Diener) beerdigt.
Werke
Trotz seines kurzen Lebens hat er eine große Zahl von Werken hinterlassen, die ihn als einen manierierten Nachahmer Correggios kennzeichnen, welcher namentlich die Körperverhältnisse extrem verlängerte. Charakteristisch dafür ist besonders die Madonna mit dem langen Hals (Florenz, Uffizien).
Von seinen übrigen Werken religiösen Inhalts sind die
- Die Vision des hl. Hieronymus, 1525–1527 (London, Nationalgalerie)
- Madonna mit dem Kind und der hl. Margherita, 1528–1529 (Bologna, Pinakothek)
- Die heilige Familie mit Elisabeth und dem kleinen Johannes (Paris, Louvre)
- Die Grablegung Christi (Petersburg, Eremitage)
- Die Madonna mit der Rose (Madonna della Rosa), um 1530 (Dresden, Galerie)
sowie seine Fresken in den Kirchen San Giovanni Evangelista und Santa Maria della Steccata zu Parma hervorzuheben. Wertvoller als seine religiösen Bilder sind seine mythologischen Kompositionen (Hauptwerk: Bogenschnitzender Amor im Kunsthistorischen Museum) in Wien und seine Porträts im Museum in Neapel, in der Villa Borghese in Rom und in den Galerien von Kassel, Darmstadt, Kopenhagen und Wien. Er hat auch 15 Blätter radiert.
Wirkung
Eine der bekanntesten Formulierungen bezüglich Parmigianino ist Vasaris Vergleich des Parmensers mit Raffael: „Später sagte man, daß der Geist Raffaels in den Körper Francescos übergegangen sei, da man sah, daß dieser junge Mann in der Kunst außergewöhnlich, in den Umgangsformen höflich und anmutig wie Raffael war, und, was noch höher wiegt, weil man hörte, wie sehr er sich bemühte, ihn in allen Dingen, vor allem aber in der Malerei nachzuahmen.“
Forschung
Als wichtigste Quelle dient Vasaris Lebensbeschreibung des Parmigianino, die 1550 und in überarbeiteter Form 1568 erschien. Eine Neuübersetzung dieser Quelle ist 2004 im Verlag Klaus Wagenbach erschienen. Die 1921 veröffentlichte Monografie Parmigianino und der Manierismus von Lili Fröhlich-Bum gilt als wichtiger Markstein der Parmigianino-Forschung, stellt sie doch zum ersten Mal die Bedeutung des Künstlers für die Stilrichtung des Manierismus heraus. Der heute grundlegende monografische Text über das Werk ist der 1971 erschienene Catalogue of the Drawings of Parmigianino von Arthur E. Popham. 2003 erschien parallel zur Jubiläumsausstellung in Parma und Wien der Katalog Parmigianino und der europäische Manierismus, der viele Aufsätze zu einzelnen Werken des Meisters enthält und den heutigen Forschungsstand umreißt, u. a. auch durch eine nachgerade erschöpfende Bibliografie. Der Jubiläumsausstellung ging eine internationale Tagung voraus (13.–15. Juni 2002), deren Akten sofort publiziert wurden.
Eine neuere Entwicklung der Forschung ist die Erkenntnis, dass Parmigianinos zeichnerisches und druckgrafisches Werk mindestens gleichwertig gegenüber seinen Errungenschaften in der Malerei ist.
Chronologische Übersicht über die Gemälde
- Christi Geburt (?), Rom, Galerie Doria Pamphilj
- Die Taufe Christi (1519), Berlin, Gemäldegalerie
- Porträt eines Mannes (1522/1523), Privatsammlung
- Heilige Barbara (1523), Madrid, Museo del Prado
- Die Beschneidung Christi (1523/1524), Detroit, Institute of Arts
- Jungfrau mit zwei Putten (Hl. Katharina von Alexandria?) (1523/1524), Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
- Madonna mit Kind (wahrscheinlich nach 1524), Rom, Galerie Doria Pamphilj
- Porträt eines Mannes (wahrscheinlich vor 1524), London, National Gallery
- Selbstporträt im konvexen Spiegel (1524), Wien, Kunsthistorisches Museum
- Porträt des Lorenzo Cibo (1524/1525), Kopenhagen, Statens Museum for Kunst
- Bildnis eines jungen Mannes (1525/1526), Rom, Galleria Borghese
- Bildnis eines Mannes, der seine Lektüre unterbricht (1526), York Museums Trust
- Madonna mit Johannes dem Täufer und dem Hl. Hieronymus (= Die Vision des Hl. Hieronymus) (1526/1527), London
- Porträt des Niccolò Vespucci (1526/1527), Hannover, Niedersächsische Landesgalerie
- Hl. Rochus mit Stifter in Landschaft (1527/28), Bologna, Basilica di San Petronio
- Maria mit Kind (ca. 1527–1530), Kimbell Art Museum
- Bekehrung des Saulus (wahrscheinlich 1527–1531), Wien, Kunsthistorisches Museum
- Die Heilige Familie (wahrscheinlich 1527–1531), Neapel, Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte
- Die mystische Hochzeit der Hl. Katharina (1527–1531), London, National Gallery
- Die Madonna mit der Rose (1529/1530), Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister
- Porträt des Kardinals Lorenzo Pucci (wahrscheinlich 1529/1530), London, National Gallery
- Porträt eines Mannes (bis 1530), Florenz, Uffizien
- Allegorisches Porträt Karl V. (1530), New York
- Der Heilige Hieronymus (um 1530), Privatbesitz
- Pallas Athene (um 1530–1539), London, Royal Collection, Windsor Castle
- Bogenschnitzender Amor (1531/1532), Wien, Kunsthistorisches Museum
- Bildnis einer jungen Frau, genannt Schiava turca (türkische Sklavin) (1532), Parma, Galleria nazionale di Parma
- Madonna mit dem Hl. Zacharias (1533), Florenz, Uffizien
- Madonna mit dem langen Hals (1534/1535), Florenz, Uffizien
- Porträt einer jungen Frau, genannt Anthea (wahrscheinlich 1535–1537), Neapel, Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte
- Lucretia (wahrscheinlich 1535–1540), Neapel, Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte
- Madonna mit dem Kind, dem Heiligen Stephan, dem Heiligen Johannes dem Täufer und dem Stifter (1540), Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister
Literatur
- Lili Fröhlich-Bum: Parmigianino und der Manierismus. Kunstverlag A. Schroll, Wien 1921
- Arthur E. Popham: Catalogue of the Drawings by Parmigianino. 3 Bände. Yale University Press, New Haven 1971
- David Ekserdjian: Unpublished drawings by Parmigianino. Towards a supplement to Popham's catalogue raisonné . In: Apollo 1999, S. 3–41.
- Parmigianino: "Die Madonna" in der Alten Pinakothek, Hrsg. Bayerische Staatsgemäldesammlungen München, Hatje Cantz, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-2032-8
- Parmigianino und sein Kreis. Druckgraphik aus der Sammlung Baselitz. Hrsg. Staatliche Graphische Sammlung München, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-2034-2
- Lucia Fornari Schianchi (Hrsg.): Parmigianino e il manierismo europeo. Kongressakten Parma 13-15 Giugno 2002. Silvana Ed., Cinisello Balsamo, Mailand 2002 ISBN 8882154815
- Giorgio Vasari: Das Leben des Parmigianino. Ed. Giorgio Vasari, 2. Hrsg. von Alessandro Nova, neu übersetzt von Matteo Burioni und Katja Burzer, bearbeitet von Matteo Burioni. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004, ISBN 978-3-8031-5021-9
- Alessandro Nova (Hrsg.): Parmigianino: Zitat, Porträt, Mythos. Guerra Edizioni, Perugia 2006 ISBN 88-7715-916-2
- Emil Maurer: Manierismus. Figura serpentinata und andere Figurenideale. NZZ libro, Zürich 2001 ISBN 3770535235 passim
- Oskar Bätschmann: Rezension, Neue Zürcher Zeitung, 24. November 2001; Kurzfassung in Perlentaucher
Weblinks
- Literatur von und über Parmigianino im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Parmigianino bei Zeno.org
- Parmigianino 2003 (Große Jubiläums-Ausstellung in Parma und Wien)
- Homepage zur Ausstellung in Wien (5. Juni bis 14. September 2003)
- Kurzes Leben, lange Hälse (zu Giorgio Vasaris Parmigianino-Biografie von 1568)
Einzelnachweise
- ↑ knerger.de: Das Grab von Parmigianino
- ↑ Ireneo Affò: Vita del graziosissimo pittore Francesco Mazzola detto il Parmigianino / scritta di Ireneo Affò. Carmignani, Parma 1784.
- ↑ zitiert nach der Neuausgabe 2004, S. 21