Eine Gender Reveal Party (englisch, auf Deutsch etwa Geschlechtsenthüllungsfeier, eine Eindeutschung ist nicht üblich) ist in den Vereinigten Staaten eine Feier, deren zentrales Thema die Bekanntgabe des Geschlechts eines noch ungeborenen Kindes ist.
Geschichte
Als Erfinderin des „gender-reveal cake“ (auf Deutsch etwa Geschlechtsenthüllungskuchen) gilt die Bloggerin Jenna Karvunidis, die 2008 erstmals darüber schrieb. Ihr Blogartikel verbreitete sich viral über das Internet und die Idee fand viele Nachahmer. Um Freunden oder der Öffentlichkeit das Geschlecht ihres werdenden Kindes mitzuteilen, schnitten Paare vor laufenden Kameras Kuchen an, deren Füllung rosa oder blau war. Die Aufnahmen wurden auf dem damals erst vier Jahre alten Videoportal YouTube hochgeladen, ab 2010 kamen die Fotoplattformen Pinterest und Instagram hinzu.
Zum Trend wurde die Gender Reveal Party laut der Marketingabteilung von YouTube ab etwa Mitte 2011. Auch Personen, die aus dem Reality-TV bekannt waren, beteiligten sich an dem aufkommenden Phänomen und wurden dafür in den Medien rezipiert. In den Folgejahren wurde das Konzept auf weitere Backwaren wie Cake-Pops oder Cupcakes ausgeweitet. Außerdem bekam das Anschneiden von Backwaren zum Zwecke des Mitteilens des Geschlechts gegenüber Publikum nach und nach Eventcharakter.
Das Anschneiden eines Kuchens ist nach wie vor der am häufigsten gewählte Höhepunkt einer Gender Reveal Party. Da der Kerninhalt der Party jedoch lediglich das Präsentieren einer gut erkennbaren Fläche in Rosa oder Hellblau ist, kamen Präsentationsformen auf, die den ursprünglichen Charakter des Kuchenanschneidens völlig in den Hintergrund treten ließen.
- Noch nah am „gender-reveal cake“ bewegt sich die Präsentation mittels anderer Lebensmittel bzw. Gerichte wie beispielsweise Lasagne oder Glückskeksen.
- Spielerische Elemente werden in die Party integriert und arbeiten auf die Verkündung des Geschlechts hin. Beispiele sind Schnitzeljagden, Puzzlespiele oder von den werdenden Eltern zu lösende Rätsel.
- Ein Paar aus Philadelphia veranstaltete ein pinkfarbenes Feuerwerk, um die Geburt eines Mädchens anzuzeigen. Teile des Feuerwerks trafen unglücklicherweise die Partygäste.
- Ein Ehepaar aus National Harbor an der Ostküste der Vereinigten Staaten ließ das Wahrzeichen der Stadt, ein 55 Meter hohes Riesenrad, im Rahmen einer Gender Reveal Party rosa leuchten.
- Feinkörniges, farbiges Pulver oder farbiges Konfetti erzeugen eine Wolke in der gewünschten Farbe und können zum Beispiel in Ballons gefüllt werden, die dann zum Platzen gebracht werden. 2019 nutzte ein Ehepaar einen Alligator, um eine solche Farbwolke zu erzeugen. Im US-Bundesstaat Arizona nutzte ein Mann ein festes, mit buntem Pulver und Sprengstoff gefülltes Behältnis an Stelle eines Ballons und schoss im Rahmen seiner Gender Reveal Party darauf, woraufhin 180 km² Wald- und Buschland abbrannten und 800 Feuerwehrleute zum Löschen des Feuers eingesetzt werden mussten.
Das Konzept der Gender Reveal Party wurde im Laufe der Zeit auf die Bekanntgabe anderer Informationen übertragen, in den Vereinigten Staaten beispielsweise, um Freunden oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, welche College-Bewerbung eines jungen Menschen erfolgreich war.
2021 wurde ein Ehepaar in Kalifornien vor Gericht gestellt, dem vorgeworfen wird, im September 2020 durch Zünden einer Rauchbombe bei einer Gender Reveal Party einen Waldbrand ausgelöst zu haben, bei dem ein Feuerwehrmann starb.
Allgemeines
Der Begriff „Gender Reveal Party“ definiert lediglich das zentrale Thema der Party. Der Ablauf der Feier selbst ist also nicht festgelegt, abgesehen davon, dass die Bekanntgabe des Geschlechts des erwarteten Kindes im Mittelpunkt steht. Voraussetzung für die Party ist, dass im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung das Geschlecht des Fötus festgestellt wurde. In Deutschland darf werdenden Eltern nach § 15 Gendiagnostikgesetz das Geschlecht erst ab der 13. Schwangerschaftswoche mitgeteilt werden. Werdende Eltern, die eine Gender Reveal Party planen, lassen die dafür notwendige Ultraschalluntersuchung in der Regel um die 20. Schwangerschaftswoche herum vornehmen. Gender Reveal Partys werden daher meistens etwa um die Mitte der Schwangerschaft herum abgehalten. Die Feier kann mit einer klassischen Babyparty kombiniert werden.
Meistens überlassen die Eltern die Organisation der Party Dritten und lassen sich selbst überraschen; in diesem Fall wird das Geschlecht des Kindes vom Arzt niedergeschrieben und das Schriftstück einer weiteren Person übergeben, die dann zumindest den Teil der Bekanntgabe als Überraschung für die zukünftigen Eltern organisiert. Die häufigste Art, das Geschlecht des Kindes mitzuteilen, ist das Anschneiden eines Kuchens mit rosa oder hellblauer Füllung durch die werdenden Eltern. Der Geschmack des Kuchens ist dabei eher nebensächlich. Die Partygäste, die mitunter je nach ihrer Mutmaßung bezüglich des Geschlechts des Kindes Kleidungsstücke oder Anstecker in Pink oder Hellblau tragen, bringen für gewöhnlich Geschenke für die Eltern mit. Es kommt vor, dass Gäste aufgefordert werden, zwei Geschenke mitzubringen, die jeweils einem Geschlecht zugeordnet werden können, und das Geschenk für das „falsche“ Geschlecht nach der Party einem karitativen Zweck zuzuführen. Die Bekanntgabe soll für die Partygäste möglichst gut zu sehen sein.
Die Gender Reveal Partys ausrichtenden werdenden Eltern sind zumindest in den Vereinigten Staaten mehrheitlich heterosexuell, in einer festen Beziehung bzw. verheiratet, weiß und der Mittelklasse angehörend. Altersbedingt sind sie meist erfahren im Umgang mit digitalen Technologien und insbesondere sozialen Medien. Eine Redakteurin der US-Ratgeberwebsite für werdende Eltern BabyCenter führte 2018 an, dass die ausrichtenden Eltern ihrer Ansicht nach durch das extravagante Gestalten einer Gender Reveal Party von der Möglichkeit Gebrauch machen, die reine Verkündung des Geschlechts des Kindes mit einer Darstellung ihrer Persönlichkeiten, Hobbys und Ansichten zu verbinden, was durch den explosionsartigen Bedeutungsgewinn von sozialen Medien beflügelt wurde. Die kanadische Theologin Florence Pasche Guignard sieht einen der Hauptgründe für das Aufkommen von Gender Reveal Partys in einer „spirituellen Leere“, die etablierte Religionen bei werdenden Eltern hinterließen, indem sie für Schwangerschaft und Geburt keine Rituale vorgäben, die den Gläubigen in anderen Lebenssituationen vorgesetzt würden und ihnen Halt und Führung gäben. Die sozialen Medien wirkten bei der Ausbreitung des Phänomens als Katalysatoren, weil sich Paare, die eine Gender Reveal Party ausrichten wollen, durch das Anschauen von Party-Videos anderer Paare Inspirationen einholen würden.
Kritik
Ende der 2010er-Jahre wurden im Zusammenhang mit Gender Reveal Partys erstmals Fragen zum Umgang mit nichtbinären Geschlechtsidentitäten gestellt, da der bis dahin übliche Ablauf ausschließlich zwei Geschlechter vorsieht und diesen ein festes Farbschema zuordnet. Zum einen können sich Transgender-Gäste auf einer Gender Reveal Party marginalisiert fühlen und zum anderen wird dem werdenden Kind im Rahmen der Party stillschweigend ein binäres Geschlecht zugeordnet, das möglicherweise nicht das Geschlecht ist, mit dem sich die spätere Person identifiziert.
Die Bloggerin Jenna Karvunidis kritisierte 2019 das von ihr mitgeprägte Konzept und sagte, es sei ihr „aus dem Ruder gelaufen“. Es habe sich eine Besessenheit um die Geschlechtszugehörigkeit von Kindern entwickelt. Dabei werde ein einzelner Aspekt der Persönlichkeit eines Menschen überbetont. Diese „Verrücktheiten“ habe sie niemals lostreten wollen. Karvunidis schrieb: „Wen interessiert schon, was für ein Geschlecht das Baby hat? Mich, damals, weil es nicht 2019 war und ich nicht wusste, was ich jetzt weiß: dass wir, wenn wir dem Geschlecht unserer Babys zur Geburt so viel Aufmerksamkeit zukommen lassen, damit gleichzeitig so viele ihrer Potenziale und Talente auslassen, die nichts damit zu tun haben, was zwischen ihren Beinen ist.“
Literatur
- Florence Pasche Guignard: A Gendered Bun in the Oven. The Gender-reveal Party as a New Ritualization during Pregnancy. In: Studies in Religion Vol. 44(4), S. 479–500. SAGE Publications 2015.
- Carly Gieseler: Gender-Reveal Parties as Mediated Events. Celebrating Identity in Pink and Blue. Lexington Books, Lanham/Maryland 2019, ISBN 978-1-79360-383-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- 1 2 NYTimes.com: It’s a Girl! It’s a Boy! And for the Gender-Reveal Cake, It May Be the End. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ I started the 'gender reveal party' trend. And I regret it. In: The Guardian. 29. Juli 2020, abgerufen am 7. Juli 2020 (englisch).
- 1 2 3 WashingtonPost.com: How do parents find out the sex of their baby today? Exploring the trend of gender-reveal parties. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ Today.com: Surprise! First Duggar grandchild is a girl. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ Pasche Guignard, S. 9.
- ↑ People.com: You Can Now Buy 'Gender Reveal Lasagna' Which Contains Either Blue or Pink Dyed Cheese. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ CBSLocal.com: Are Gender Reveal Parties Getting Too Extreme? Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ Fox13News.com: Pet alligator helps trapper's family reveal 10th baby's gender. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ NBCNews.com: Border Patrol agent pleads guilty to starting wildfire in gender reveal gone wrong. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ People.com: High School Students Are Now Revealing Their College Decisions with Cupcakes — on YouTube. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ https://www.nzz.ch/panorama/usa-ehepaar-nach-waldbrand-wegen-fahrlaessiger-toetung-angeklagt-ld.1636887
- ↑ Gesetze-im-Internet.de: Gendiagnostikgesetz: § 15 Vorgeburtliche genetische Untersuchungen. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ Pasche Guignard, S. 2.
- ↑ Pasche Guignard, S. 9.
- ↑ Pasche Guignard, S. 8.
- ↑ Pasche Guignard, S. 4.
- ↑ Pasche Guignard, S. 3.
- ↑ WashingtonPost.com: A Border Patrol agent threw a gender-reveal party. He ended up starting a 47,000-acre wildfire. Abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ Mein Baby, ein Event – derStandard.de. Abgerufen am 7. Juli 2020 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Marinela Potor: Gender Reveal Party: Das steckt hinter dem neuen Social-Media-Hype. In: BASIC thinking. 6. September 2019, abgerufen am 7. Juli 2020 (deutsch).