Die Genossenschaften gehören weltweit in ihrer Strukturvielfalt und der Anzahl ihrer Mitglieder zur größten wirtschaftlichen Organisationsform und dennoch zu einer kaum reflektierten Unternehmensform. In den großen Industrienationen sowie in den Schwellen- und Entwicklungsländern findet man die Genossenschaftsidee aber nahezu flächendeckend in allen Bereichen der Landwirtschaft, des Handels, des Handwerks, der Produktion, des Finanzwesens bis hin zur Kunst und Kultur vertreten. Trotzdem gilt sie durch den globalen Wettbewerb und Finanzhandel, durch zurückgehende Vermittlung in der wissenschaftlichen Lehre an den Universitäten und kaum medialer Wahrnehmung als gefährdet.

Die moderne Genossenschaftsbewegung

Die Genossenschaftsbewegung hat, nach ersten, wenn auch zunächst misslungenen Versuchen in Frankreich und England, um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihre solide Basis, insbesondere durch das Wirken von Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen, erhalten und sie erhielt durch die von Schulze-Delitzsch eingebrachte Initiative ihre Rechtsnorm in Form des bis heute modifiziert wirkenden deutschen Genossenschaftsgesetzes. Auf der Grundlage des Handelns nach dem Prinzip der „Hilfe durch Selbsthilfe“ können Initiativen frei von staatlichen Unterstützungen durch das Wirken gemeinsam agierender Menschen wirtschaftlich wettbewerbsfähig handeln. Die auch sozial wirkenden Mechanismen der genossenschaftlichen Grundsätze erwiesen sich nicht zuletzt auch bei der 2007 einsetzenden globalen Finanzkrise als tragfähig, waren doch Volks- und Raiffeisenbanken durch ihre Kontrollmechanismen und nicht getätigter Finanzspekulationen nicht unmittelbar betroffen.

Die Bedeutung der Genossenschaftsbewegung wird nicht nur dadurch deutlich, dass sie auf fast allen Ebenen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen ihre Wirkung entfaltet, sondern auch durch die Anzahl der sich damit identifizierenden Menschen. Heute zählen Genossenschaften über 800 Millionen Mitglieder in über 100 Ländern. Genossenschaften unterscheiden sich von anderen Unternehmensformen, wie beispielsweise Aktiengesellschaften und einer GmbH durch ihre Werteorientierung, wie Selbsthilfe, Solidarität, Selbstverantwortung, Gleichheit, Demokratie in der Entscheidungsfindung, Freiwilligkeit und Gerechtigkeit.

Auf Betreiben der Bundesrepublik Deutschland wurde die Genossenschaftsidee 2016 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der UNESCO aufgenommen.

Literatur

  • Wolfram und Sabine Schwieder: Zukunftsprojekt Tradition. Immaterielles Kulturerbe in Deutschland. Nach der Konvention der UNESCO, München 2021, S. 216–225.

Einzelnachweise

  1. Manfred Wilde: Die Genossenschaftsidee. Immaterielles Kulturerbe der Menschheit in der UNESCO. In: Delitzscher Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde. 2018, S. 95–104.
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