Gerhard Dobesch (* 15. September 1939 in Wien; † 18. Dezember 2021 ebenda) war ein österreichischer Althistoriker.

Leben

Von 1957 bis 1962 studierte Dobesch Alte Geschichte, Klassische Philologie und Klassische Archäologie an der Universität Wien. Ergänzende Lehrveranstaltungen besuchte er in Ägyptologie, Altorientalistik und Numismatik. Am 17. Dezember 1962 wurde er zum Dr. phil. promoviert; am 19. Juni 1963 legte er die Lehramtsprüfung in Latein und Griechisch für das Lehramt an Höheren Schulen ab.

Während seines Studiums war er als Nachhilfelehrer und Praktikant auf Grabungen (Magdalensberg) tätig. Drei Monate lang war er unbezahlter Probelehrer für Latein und Altgriechisch an einem Wiener Gymnasium, er gab diese Tätigkeit jedoch vorzeitig auf, als ihm eine Assistentenstelle angeboten wurde. Schon als Gymnasiast wollte er eine hauptamtliche wissenschaftliche Laufbahn einschlagen.

Die Stelle als Universitätsassistent am damaligen Institut für Alte Geschichte und Klassische Archäologie der Universität Wien trat er am 1. Dezember 1963 an, zu seinem Aufgabenbereich gehörte unter anderem die Betreuung der Institutsbibliothek. Daneben hatte er auch einen Lehrauftrag für die Pflichtvorlesung über Geschichte für Lehramtsstudenten der Akademie der bildenden Künste Wien.

Sein Habilitationsverfahren fand im Sommersemester 1967 statt. Die neue wissenschaftliche Erkenntnis war, dass der Gedanke einer argeadischen Oberherrschaft zuerst von Isokrates gefasst worden war. Am 15. Juli 1967 wurde Dobesch die Lehrbefugnis als Universitätsdozent für Alte Geschichte erteilt.

1972 wurde er korrespondierendes Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts.

Von 1973 bis 1976 war er ordentlicher Professor für Alte Geschichte und Altertumskunde an der Universität Graz. Im Sommersemester 1974 hielt er eine Vorlesung über die Geschichte Österreichs in der Antike. Damals erkannte er, dass eine Sammlung und methodische Synthese aller Nachrichten für alle keltischen Gebiete noch ausständig war. Zu diesem Zweck hat er ein Projekt initiiert und vergab dafür auch Dissertationen.

Am 31. Januar 1976 wurde er als Nachfolger von Artur Betz als ordentlicher Universitätsprofessor für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik nach Wien zurückberufen, im Sommersemester 1976 vertrat er auch noch seine ehemalige Grazer Lehrkanzel. Zum 30. September 2007 wurde er emeritiert.

1980 wurde er korrespondierendes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, im gleichen Jahr stellvertretender Leiter der Keltenkommission bis zu deren Zusammenlegung mit der Prähistorischen Kommission 1997. 1984 wurde er wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1988 wurde er zum Obmann der Kleinasiatischen Kommission und Stellvertretenden Obmann der Mykenischen Kommission der ÖAW gewählt. 1997 wurde er zum Stellvertretenden Obmann der Prähistorischen Kommission der ÖAW gewählt. 2002 wurde er Stellvertretender Obmann der Numismatischen Kommission. Die Obmannfunktionen hatte er bis zur Auflassung der Kommissionen 2012 inne.

1998 wurde er wirkliches Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts und Socio Straniero dell’Istituto Nazionale di Studi Etruschi e Italici.

2005 wurde er Mitglied des Vereins „Tyche“ zur Förderung der Alten Geschichte in Österreich.

Forschungsschwerpunkte

  • Gesamtgebiet der Alten Geschichte, Kultur- und Geistesgeschichte unter Betonung universalhistorischer Fragestellungen.
  • Der Übergang von der Republik zur Kaiserzeit, besonders Caesar, Cicero und Augustus. Seine Thesen zu Caesar werden weitgehend anerkannt und seit Jahrzehnten rezipiert.
  • Keltisches und germanisches „Barbaricum“, vor allem die Strukturen der Politik und Geschichte
  • Probleme der Spätantike: Hier hat er einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung des Themenkomplexes geleistet. Er gelangt zum Schluss, dass mit dem Begriff „Barbaren“ nicht Unkultivierte, sondern Fremdkultivierte bezeichnet seien. Deswegen sei es nötig, unseren Barbarenbegriff zu ändern. Bei den Völkern des Nordens und Ostens sind Besonderheiten erkennbar, jedoch fehlen uns die nötigen Kenntnisse über Poesie und Mythologie. Das Barbaricum bildet wie die von Städten dominierten Räume des Mittelmeers und des Nahen Ostens eine eigene Oikumene und trotz vielfacher Kontakte lebten diese getrennten Kulturkreise, die für sich keine einheitlichen Größen bildeten, weitgehend nebeneinander.
  • Druiden
  • Früher auch: Griechische Geschichte des 4. Jahrhunderts v. Chr.

Methoden/Zugangsweisen

Dobesch wandte nicht nur die üblichen Methoden der Alten Geschichte sowie anderer Altertumswissenschaften an, sondern auch Methoden der Soziologie und Ideengeschichte je nach Thema. Zentraler Ausgangspunkt war jedoch immer das genauest geprüfte und ausgewertete Quellenmaterial, das auch das Ergebnis bestimmt. Ansätze wie den Feminismus etc. lehnte er daher ab. Parteilichkeit sei nicht ganz auszuschalten, jedoch durch laufendes kritisches Hinterfragen seiner eigenen Forschungsergebnisse zu minimieren. Trends in der Forschung sollten ebenfalls kritisch hinterfragt werden. „Mitleben“ bei Vorträgen und ähnlichen Anlässen sei essentiell für eine erfolgreiche Vermittlung des jeweiligen Stoffes, jedoch sei immer streng darauf zu achten, dass man sich nicht „in seine eigenen Theorien verliebt“. Er beschäftigte sich auch mit modernen Themen wie dem Integrationsvorgang im Römischen Reich und gestattete auch moderne Themen bei studentischen Abschlussarbeiten wie Frauenforschung.

Die Verbindung von Qualität und wissenschaftlichem Niveau auf der einen und Spannung, Unterhaltung und Verständlichkeit auf der anderen Seite in Forschung und Lehre war ihm ein zentrales Anliegen.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Die Sprichwörter der griechischen Sagengeschichte. Dissertation, Wien 1962
  • Die Apotheose Caesars und sein Ringen um den Königstitel. Wien 1966
  • Der panhellenische Gedanke im IV. Jahrhundert v. Chr. und der ‚Philippos’ des Isokrates. Habilitationsschrift, Wien 1967
  • Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike. Wien 1980, ISBN 3-205-07136-0
  • Vom äußeren Proletariat zum Kulturträger. Geographica Historica 6, Amsterdam 1994
  • Das europäische „Barbaricum“ und die Zone der Mediterrankultur. Tyche Supplementband 2, Wien 1995
  • Ausgewählte Schriften, Band 1: Griechen und Römer, Band 2: Kelten und Germanen. Hg. von Herbert Heftner und Kurt Tomaschitz, 2 Bände, Köln 2001 (durchgesehene Neuausgabe kleiner Schriften)

Herausgeber und Mitherausgeber:

Literatur

  • Wolfgang Hameter: Das Institut für Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Epigraphik. In: Die Monatsscherbe 6, 1988, S. 10ff
  • Na Prof! – Professorenanalyse der AG Geschichte vom SS 1996. Wien o. J., S. 15
  • Herbert Heftner, Kurt Tomaschitz (Hrsg.): Ad fontes! – Festschrift für Gerhard Dobesch zu seinem 65. Geburtstag. Wien 2004
  • Igor Lisovy, Kurt Tomaschitz: Prof. Dr. Gerhard Dobesch: Vita et Bibliographia. České Budějovice 2004 (mit Schriftenverzeichnis)
  • Kurt Tomaschitz, Igor Lisovy: Die Alte Geschichte in Wien und die aktuelle österreichische Forschung zum antiken Barbaricum. In: Studia humaniora Tartuensia 6.B.1 (2005) S. 1–11 (PDF)
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