Als Gerlachusscheiben werden fünf hochromanische Glasmalereien bezeichnet, die um 1170 von einem Laienmönch namens Gerlachus geschaffen wurden. Sie zählen zu den bedeutendsten Zeugnissen der mittelalterlichen Glasmalerei und befinden sich heute im Bestand des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster.

Entstehung und Geschichte

Über den Laienmönch und Glasmaler Gerlachus – auch Meister Gerlachus genannt – gibt es kaum biografische Informationen. Sein Hauptwerk aus der Zeit um 1170 sind die hochromanischen Kirchenfenster der Prämonstratenserabtei Arnstein an der Lahn in Seelbach, die sich ursprünglich im Westchor der Abteikirche befanden.

Als große Besonderheit findet sich auf einer der Fensterscheiben, und zwar im unteren Bereich der Scheibe mit dem Motiv Mose vor dem brennenden Dornbusch, auch ein Selbstbildnis des Künstlers. Es zeigt den Glasmaler Gerlachus mit einem Pinsel in der Hand beim Malen, über ihm bogenförmig die lateinische Inschrift: Rex regum clare Gerlacho propiciare („Leuchtender König der Könige, sei dem Gerlachus gnädig“; leoninischer Hexameter). Dieses Selbstbildnis des malenden Meisters Gerlachus gehört zu den frühesten Künstlerdarstellungen des europäischen Mittelalters. Es ist das historisch erste Selbstporträt eines Glasmalers und zeigt ein „stolzes, fast exhibitionistisches Wissen um den eigenen Wert“.

Von der ehemals größeren Anzahl an Darstellungen, die in der Abtei Arnstein auf drei hochformatige Kirchenfenster verteilt waren, sind nur noch fünf Teile erhalten: drei mit alttestamentlichen Szenen aus dem Leben Moses und zwei Fragmente einer Wurzel Jesse-Darstellung. Freiherr Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein erwarb sie im Jahr 1815 für den Ausbau seines Schlosses in Nassau. Sie waren Bestandteil der von ihm zusammengetragenen Sammlung von insgesamt 20 wertvollen Glasmalereien aus dem 12. bis 16. Jahrhundert. Später wurden sie in seinem Alterssitz auf Schloss Cappenberg aufbewahrt.

Die Gerlachusscheiben zählen zu den bedeutendsten Zeugnissen der mittelalterlichen Glasmalerei und sind in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen. Sie werden heute im LWL-Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte in Münster ausgestellt.

Motive der erhaltenen Gerlachusscheiben

Literatur

  • Glasfenster aus Schloss Kappenberg, gesammelt vom Freiherrn vom Stein. Katalog. Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main 1928.
  • Louis Grodecki: Le Vitrail Roman. Office du Livre, 1977, ISBN 2-7191-0047-1 (französisch).
  • Bruno Krings: Das Prämonstratenserstift Arnstein a. d. Lahn im Mittelalter (1139–1527). In: Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau. 48. Wiesbaden 1990, S. 474–484.
  • Rüdiger Becksmann: Deutsche Glasmalerei des Mittelalters. Voraussetzungen, Entwicklungen, Zusammenhänge. DVfkW, Berlin 1995, ISBN 3-87157-161-X.
  • Enrico Castelnuovo: Vetrate medievali: officine tecniche maestri. Einaudi, Turin 2007, ISBN 88-06-18999-9 (italienisch).
  • Daniel Parello: Fünf Felder eines typologischen Zyklus aus Arnstein. In: Kulturstiftung der Länder u. LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster (Hg.): Die Glasgemäldesammlung des Freiherrn vom Stein. Münster 2007, S. 31–39.
  • Frank Martin: Moses vor dem brennenden Dornbusch mit Bildnis des Meisters Gerlachus. In: Susanne Wittekind (Hg.): Romanik. Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland. Band 2, München 2009.
  • Petra Marx: „Gerlachusscheiben“ aus Arnstein/Lahn. In: Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. Hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Wienand, Köln 2014, ISBN 978-3-86832-222-4, S. 58–59.
Commons: Gerlachusscheiben – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. 1 2 Die Glasgemäldesammlung des Freiherrn vom Stein. In: kulturstiftung.de. Abgerufen am 10. Februar 2023.
  2. Francesca Dell’Acqua: Gerlachus: l’arte della vetrata. In: Enrico Castelnuovo: Artifex bonus. Laterza, Bari 2004 (italienisch)
  3. Kulturgutschutz Datenbank geschützter Kulturgüter – Mittelalterliche Glasmalereien aus Schloss Kappenberg. In: kulturgutschutz-deutschland.de. 14. November 1970, abgerufen am 10. Februar 2023.
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