Christliche Gewerkschaften wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die bereits bestehenden freien Gewerkschaften, die eine sozialistische Ausrichtung hatten, gegründet, nachdem Versuche weltanschaulich und parteipolitisch neutraler Einheitsgewerkschaften gescheitert waren. Bestehende Einzelgewerkschaften der Arbeiterschaft schlossen sich 1901 zum Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands (GCG) zusammen.

Geschichte

Christliche Gewerkschaften bekannten sich bewusst zu den Prinzipien der Christlichen Gesellschaftslehre wie Personalität, Subsidiarität, Solidarität und Gemeinwohl und erklärten diese für unvereinbar mit den sozialistischen Grundsätzen der Freien Gewerkschaften. Grundsätzlich waren die christlichen Gewerkschaften konfessionsübergreifend. Gleichwohl waren sie in den meisten Fällen integrale Bestandteile des katholischen Milieus. Ausgesprochen protestantisch geprägte Gewerkschaften gab es zwar auch, sie waren insgesamt eher eine Randerscheinung unter den christlichen Arbeitergewerkschaften. Ähnliches gilt auch für die Mitgliederschaft.

In der Regel wurden christliche Gewerkschaften zunächst auf lokaler und regionaler Ebene gegründet. So entstand etwa im Ruhrgebiet ein betont katholischer Gewerkverein christlicher Bergarbeiter, im benachbarten Siegerland entstand daneben ein protestantisch geprägter Verband. Ähnlich war die Entwicklung im Bereich der Eisen- und Metallindustrie. So entstand 1899 in der Duisburger Gegend der Christliche Metallarbeiterverband (CMV). Im selben Jahr entstand in Neheim der Sauerländer Gewerkverein der Metallarbeiter. Hinzu kamen Verbände im Raum Aachen und anderswo.

Die ersten Jahre der Arbeit der Christlichen Gewerkschaften waren überschattet vom Streit über die Frage, ob Katholiken zusammen mit Protestanten in einer gemeinsamen Organisation arbeiten sollten. Während katholische Bischöfe mit Nachdruck katholische Gewerkschaften forderten, beharrten die Führer der Christlichen Gewerkschaften (Franz Wieber, Adam Stegerwald) auf den interkonfessionellen Charakter der Christlichen Gewerkschaften, und es bedurfte der päpstlichen EnzyklikaSingulari quadam“, um diesen erbittert geführten Gewerkschaftsstreit 1912 zu beenden.

Im Ersten Weltkrieg lehnten die Christlichen Gewerkschaften Streiks ab und beteiligten sich am Burgfrieden zwischen Arbeiterschaft und Unternehmen, unterstützten Kriegsanstrengungen und Rüstungsproduktion. Die Interessen der Arbeitenden versuchten sie nun durch Eingaben und Vermittlungsgespräche mit den Militärbehörden zu sichern, was nicht immer gelang. Mitgliederverluste waren die Folge; erst das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst vom Dezember 1916 brachte einen Umschwung, denn hier wurden Vermittlungsstrukturen zwischen Unternehmen, Staat und Arbeiterschaft institutionalisiert.

In der Weimarer Republik entwickelten sich die Christlichen Gewerkschaften unter ihrem Dachverband Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), in dem auch Angestellten- und Beamtenverbände organisiert waren, positiv und trugen wesentlich zur Entwicklung der deutschen Sozialgesetzgebung bei. Die christlichen Arbeitergewerkschaften waren hauptsächlich in katholischen Regionen verankert, so im Rheinland, in Westfalen, im Emsland, in Süddeutschland, in der Pfalz, dem Saarland und Oberschlesien. In ihren Hochburgen waren sie in der Regel die dominierende Gewerkschaft. Besonders stark waren die christlichen Arbeitergewerkschaften im Ruhrgebiet. Nur ein Drittel der deutschen Bevölkerung war katholisch, auch deshalb waren die christlichen Gewerkschaften gegenüber den sozialistischen Freien Gewerkschaften, die seit der Jahrhundertwende zunehmend religionsfeindlich eingestellt waren, auf Reichsebene in einer Minderheitsposition. Nur wenige Einzelgewerkschaften waren den sozialistischen Gewerkschaften insgesamt gesehen bei den Mitgliederzahlen ebenbürtig, so etwa die christliche Bergarbeitergewerkschaft. Bei den christlich-nationalen Angestelltengewerkschaften im Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften, die nicht dem GCG angehörten, wohl aber dem christlich-nationalen Deutschen Gewerkschaftsbund, dominierte hingegen der christlich-nationale Gewerkschaftsflügel.

Im Jahr 1933 wurden die Christlichen Gewerkschaften zusammen mit den im ADGB zusammengeschlossenen Freien Gewerkschaften im Zuge der Machtübernahme der Nationalsozialisten aufgelöst und enteignet. Nach dem Zweiten Weltkrieg erteilten die Siegermächte anfangs keine Konzessionen für christliche Gewerkschaften. Wiedergründungen erfolgten Mitte der 1950er Jahre.

Im Jahr 1955 vereinigten sich die wieder gegründeten christlichen Gewerkschaften zur „Christlichen Gewerkschaftsbewegung Deutschlands“ (CGD). Aus dieser Bewegung entstand am 27. Juni 1959 in Mainz der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB).

Vorsitzende

Stellvertretende Vorsitzende

Generalsekretäre

  • 1903–1919 Adam Stegerwald
  • 1921–1929 Bernhard Otte

Mitgliederzahlen

Jahr Mitglieder

  • 1901 84.497
  • 1904 107.556
  • 1910 295.129
  • 1912 344.687
  • 1914 282.744
  • 1917 243.865
  • 1918 404.682
  • 1919 858.283
  • 1920 1.076.792
  • 1923 937.920
  • 1927 605.784
  • 1929 673.127
  • 1931 577.512

Angeschlossene Verbände des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften 1918/19

  • Zentralverband christlicher Bauarbeiter
  • Gewerkverein christlicher Bergarbeiter
  • Gutenberg-Bund (Buchdrucker)
  • Gewerkschaft deutscher Eisenbahner und Staatsbediensteter
  • Zentralverband christlicher Fabrik- und Transportarbeiter, zu denen gesonderte Fachverbände der Steinarbeiter, Glasarbeiter und Ziegler kamen
  • Reichsverband deutscher Gasthausangestellten
  • Zentralverband der Gemeindearbeiter und Straßenbahner
  • Graphischer Zentralverband
  • Reichsverband weiblicher Hausangestellter
  • Gewerkverein der Heimarbeiterinnen
  • Zentralverband christlicher Holzarbeiter
  • Verband der Krankenpfleger
  • Zentralverband der Landarbeiter
  • Zentralverband christlicher Maler
  • Christlicher Metallarbeiterverband
  • Deutscher Gärtnerverband
  • Verband der Nahrungs- und Genussmittelindustriearbeiter
  • Verband christlicher Schneider und Schneiderinnen
  • Verband christlicher Tabak- und Zigarrenarbeiter
  • Zentralverband christlicher Textilarbeiter (auch: Christlicher Textilarbeiterverband)(CTV)

Wichtige christliche Gewerkschaftsführer

  • Friedrich Baltrusch (1876–1949), deutscher Gewerkschafter und Politiker (Volksnationale Reichsvereinigung)
  • Heinrich Baumer (ZENTRUM) (1891–1962), Sekretär des Holzarbeiterverbands in der Christlichen Gewerkschaft
  • Josef Becker (Politiker, 1875) (1875–1937), Christliche Bauarbeitergewerkschaft, MdR (Zentrum)
  • Franz Behrens (1872–1943), Vorsitzender des Gewerkvereins christlicher Landarbeiter Deutschlands, des späteren Zentralverbandes der Landarbeiter, MdR (Christlichsoziale Partei, DNVP, CSVD)
  • August Brust, Gründer und Vorsitzender des Gewerkvereins Christlicher Bergarbeiter
  • Gerhard Cammann (1875–1955), Vorsitzender des Zentralverbandes christlicher Tabakarbeiter
  • Johannes Giesberts (1865–1938), MdA, MdR, Zentrum
  • Josef Hagemann (1875–1950), Arbeitersekretär in Osnabrück, Heuerleutevertreter, MdR, MdL (Zentrum)
  • Adam Hornbach (1873–1959), Vorsitzender Graphischer Zentralverband
  • Heinrich Imbusch (1878–1945), Vorsitzender des Gewerkvereins Christlicher Bergarbeiter Deutschlands, DGB-Vorsitzender, MdR (Zentrum)
  • Jakob Kaiser (1888–1961), Funktionär im Gesamtverband, MdR (Zentrum)
  • Bernhard Otte (1883–1933), Vorsitzender des Christlichen Textilarbeiter-Verbandes
  • Carl Matthias Schiffer, Vorsitzender des Christlichen Textilarbeiter-Verbandes
  • Carl Schirmer (1864–1942), MdL (Bayer), MdR, Zentrum, BVP
  • Adam Stegerwald (1874–1945), Vorsitzender Zentralverband Christlicher Holzarbeiter, MdL (Preußen), MdR (Zentrum), 1921 preußischer Ministerpräsident, zahlreiche Ministerämter
  • Paul Thränert (1875–1960), Vorsitzender Gutenberg-Bund
  • Peter Tremmel (1874–1941), Vorsitzender des Zentralverbandes Christlicher Fabrik- und Transportarbeiter, MdR (Zentrum)
  • Franz Wieber, Leiter des Christlichen Metallarbeiterverbandes, MdR (Zentrum)

Siehe auch

Literatur

  • Ohne Autor: 25 Jahre christliche Gewerkschaftsbewegung 1899–1924. Festschrift Berlin-Wilmersdorf 1924.
  • Franz-Maria Censarek: Die christlichen Gewerkschaften in Deutschland. Diss. (MS) Graz 1967.
  • Herbert Gottwald: Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands (GCD) 1901–1933. In: Dieter Fricke u. a.: Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland 1789–1945. Bd. 3, Leipzig/Köln 1984, S. 729–768.
  • Helga Grebing: Zentrum und katholische Arbeiterschaft 1918–1933. Ein Beitrag zur Geschichte des Zentrums in der Weimarer Republik. Phil. Diss. (MS) Freie Universität Berlin 1953.
  • Ludwig Heyde (Hrsg.): Internationales Handwörterbuch des Gewerkschaftswesens Bd. 1. Berlin 1931 (mit Beiträgen zu den Einzelgewerkschaften).
  • Ludwig Heyde (Hrsg.): Internationales Handwörterbuch des Gewerkschaftswesens Bd. 2. Berlin 1932 (mit Beiträgen zu den Einzelgewerkschaften).
  • Karl Hüser: Mit Gott für unser Recht. Ein Beitrag zur Geschichte der Gewerkschaftsbewegung im Münsterland. 75 Jahre Gewerkschaft Textil-Bekleidung. Hrsg. vom GTB Vorstand der Verwaltungsstelle Emsdetten-Borghorst, Emsdetten 1978.
  • Jahrbuch der christlichen Gewerkschaften 1930. Bericht über das Jahr 1929. Hrsg. vom Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands, Berlin 1930 (existiert auch für andere Jahre).
  • Ingo Löppenberg: Zwischen Burgfrieden und "Neuorientierung". Politische Positionen und soziale Aktionen der Christlichen Gewerkschaften im Ersten Weltkrieg, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft III/2014, S. 107–131.
  • Otto Müller: Die christliche Gewerkschaftsbewegung Deutschlands mit besonderer Berücksichtigung der Bergarbeiter- und Textilarbeiter-Organisationen. (= Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschule. Bd. VIII, 1. Ergänzungsband), Karlsruhe 1905.
  • Hartmut Roder: Der christlich-nationale Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im politisch-ökonomischen Kräftefeld der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Funktion und Praxis der bürgerlichen Arbeitnehmerbewegung vom Kaiserreich bis zur faschistischen Diktatur (= Europäische Hochschulschriften. Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 291), Frankfurt/Bern/New York 1986.
  • Michael Schneider: Die christlichen Gewerkschaften 1894–1933 (= Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Reihe: Politik und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 10). Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1982, ISBN 3-87831-356-X.
  • Michael Schneider: Höhen, Krisen und Tiefen. Die Gewerkschaften in der Weimarer Republik 1918 bis 1933. In: Ulrich Borsdorf (Hrsg.): Geschichte der deutschen Gewerkschaften von den Anfängen bis 1945. Köln 1987, S. 279–446.
  • Helmut J. Schorr: Adam Stegerwald. Gewerkschafter und Politiker der ersten deutschen Republik. Recklinghausen 1966.
  • Hans-Gerd Schumann: Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerkschaften und der Aufbau der „Deutschen Arbeitsfront“., Hannover/Frankfurt (Main) 1958.
  • Ludwig Reichhold: Geschichte der christlichen Gewerkschaften Österreichs. 1987.
  • Karl Klein, Brigitte Pellar, Walter Raming: Menschenwürde – Menschenrecht – Sozialreform. 100 Jahre christliche Gewerkschafter in Österreich. ÖGB-Verlag, Wien 2006, ISBN 3-7035-1244-X.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Ingo Löppenberg: Zwischen Burgfrieden und „Neuorientierung“. Politische Positionen und soziale Aktionen der Christlichen Gewerkschaften im Ersten Weltkrieg, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft III/2014, S. 107–131.
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