Giotto di Bondone (* 1267 oder 1276 in Vespignano bei Vicchio; † 8. Januar 1337 in Florenz) war ein in Florenz, Padua, Mailand, Rimini, Neapel und Rom aktiver Maler, Mosaizist und Architekt.

Leben

Giotto war Sohn des Schmieds Bondone aus Florenz. Wahrscheinlich war Giotto sein tatsächlicher Name; allerdings könnte er auch eine Kurzform von Ambrogio (Ambrogiotto) oder Angelo (Angiolotto) sein.

In den um 1450 verfassten Commentarii (Künstlergeschichten) Lorenzo Ghibertis heißt es, Giotto sei in Vespignano im Mugello (in der Nähe von Florenz) aufgewachsen und von dem Maler Cimabue als Hirtenjunge beim Zeichnen seiner Schafe entdeckt worden; eine Darstellung, bei der es sich um einen literarischen Topos handelt. Dokumentarisch gesicherte Nachrichten zur Ausbildung Giottos fehlen.

Giotto erhielt Aufträge nicht nur aus Florenz. Papst Benedikt XI. holte ihn 1303 nach Rom, wo er über zehn Jahre lang tätig war; auch König Robert von Neapel nahm ihn in seine Dienste. Der Maler Cennino Cennini bewunderte ihn in seiner Schrift über die Malerei als Überwinder der „maniera greca“ und pries seine technischen Fertigkeiten.

Nach 1320 kehrte er nach Florenz zurück, wo er in der Folge eine wirtschaftlich erfolgreiche Werkstatt unterhielt. 1334 wurde er zum leitenden Baumeister an die Bauhütte des Dom von Florenz berufen. In dieser Funktion kümmerte er sich um die Errichtung des Campaniles, der aber erst nach Giottos Tod fertiggestellt wurde.

Giotto wird auch von Boccaccio im Decamerone (6. Tag, 5. Geschichte) und von Dante Alighieri in der Göttlichen Komödie erwähnt. Der Dichter Petrarca besaß eine Tafel mit einer Darstellung der Jungfrau mit Kind von Giotto und schrieb, jeder Kunstkenner müsse von ihr hingerissen sein. Auch Michelangelo hat Arbeiten Giottos studiert, wie eine Zeichnung von Figuren aus dem Fresko mit der Himmelfahrt des heiligen Johannes in Santa Croce in Florenz zeigt.

Leistung

Eine Künstleranekdote besagt über Giotto, dass dieser eines Tages auf ein Kunstwerk seines Meisters Cimabue eine kleine Fliege malte, die so täuschend echt aussah, dass Cimabue mehrmals versuchte, sie fortzuscheuchen, ehe er die Illusion erkannte. Cimabue soll daraufhin der Ansicht gewesen sein, dass Giotto ihn übertroffen habe. Die Fliege wurde zu einem Symbol künstlerischen Fortschritts.

Giottos gesamtes Werk behandelt religiöse Themen. Er gilt als „der eigentliche Begründer der italienischen Malerei“, speziell der toskanischen Freskomalerei. „Sowohl in der Technik (er bediente sich dabei der Feigenmilch und des Eigelbs) als auch in der Farbengebung trat er als Neuerer auf; er verlieh den Farben Helligkeit und Klarheit …“ (so Meyers Konversationslexikon von 1888). Als bedeutendste Aspekte seines Schaffens gelten jedoch die hohe Natürlichkeit und Lebhaftigkeit seiner Figuren, ebenso wie die Vorbereitung der Perspektive.

Damit überwand er die ikonographischen Normen der byzantinischen Malerei, die seit Generationen die Maler des Abendlandes beeinflusst hatte. Er leitete die Entwicklung ein, die schließlich zu dem für die nachgotische Kunst in Italien (Rinascimento) typischen Realismus führte. „Giotto nun war es, der sich auf das Gegenwärtige und Wirkliche hin ausrichtete… das Weltliche gewinnt Platz und Ausbreitung, wie denn auch Giotto im Sinne seiner Zeit dem Burlesken neben dem Pathetischen eine Stelle einräumte“ (Hegel).

Während für die herkömmliche Malerei zweidimensionale Figuren charakteristisch waren, die als Symbole vor einem mit Symbolen dekorierten flächigen Hintergrund angeordnet waren, stellte Giotto plastisch modellierte Individuen in einen perspektivischen Raum, die zueinander in Beziehung treten. Indem er seine Figuren mit Breite und Faltenwurf ausstattete (wie es die Plastiker bereits im Bamberger, Magdeburger und im Naumburger Dom getan hatten), verlieh er ihnen natürlich wirkendes Volumen und Gewicht. Dies lässt bereits die Kreuzigung in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz – eine seiner frühen Arbeiten – deutlich erkennen. Laut Vasari war seine Darstellung des Hl. Franziskus in der Basilika San Francesco in Assisi (siehe Abb.) einigen Kritikern sogar zu natürlich (und damit zu weltlich) geraten.

Giottos Hauptwerk (und am besten erhalten) ist wohl der große Freskenzyklus in der Cappella degli Scrovegni all’ Arena (Scrovegni-Kapelle) in Padua, der aus mehr als 100 Szenen aus dem Leben Mariä und dem Leben Jesu, insbesondere der Passionsgeschichte besteht, und von 1304 bis 1306 geschaffen wurde. Giotto malte dabei auch Elemente der Architektur, die dem Betrachter Nischen vortäuschen (Trompe-l’œil), in denen allegorische Figuren zu stehen scheinen. Masaccio und Michelangelo wurden direkt davon beeinflusst.

Eine berühmte Szene aus diesem Zyklus ist die Anbetung der Heiligen Drei Könige, in der ein kometenähnlicher Stern am Himmel schwebt (wahrscheinlich, neben dem Teppich von Bayeux, eine der frühesten Darstellungen des Halleyschen Kometen, der wenige Jahre vorher mit bloßem Auge zu sehen war).

Die „Ognissanti-Madonna“ in den Uffizien (siehe Abb.) stammt gleichfalls aus dieser Periode und ist das einzige größere Tafelbild Giottos, das erhalten ist.

Bemerkenswert ist auch, dass vor der Zeit von Giottos Freskenzyklus in der Cappella degli Scrovegni in Padua Himmel nur sehr selten blau gemalt wurde und die Farbe Blau überhaupt nur äußerst spärlich zum Einsatz kam. Dies ist zumindest zum Teil auf einen Mangel an erschwinglichen blauen Pigmenten zurückzuführen; gemahlenes Lapislazuli, welches Giotto für seinen Freskenzyklus einsetzte, war außergewöhnlich teuer und kam von „jenseits der See“ (deshalb auch Ultramarin genannt).

An seinem Zeitgenossen Duccio di Buoninsegna in Siena rühmt man das teilnehmend Menschliche, den individuellen Ausdruck. Giotto dagegen vermittelte den Betrachtern seiner Werke das Gefühl der Tastbarkeit und der Raumtiefe. Er war es folgerichtig auch, der sich mit der Zeit von dem traditionellen Gold-Hintergrund abwandte und den Himmel über der Landschaft blau malte. Er machte auch die ersten ernsthaften Versuche, perspektivische Verkürzung in Landschaften und Gebäudedarstellungen zu nutzen.

Die Leistung Giottos ist in seiner Zeit einzigartig; erst zwei Generationen später konnten Künstler der Frührenaissance wie Andrea Orcagna, Altichiero da Zevio oder Masaccio an die von ihm angestoßene Entwicklung anknüpfen.

Bei manchen Werken ist es immer noch umstritten, ob sie Giotto zugeschrieben werden können; dies gilt zum Beispiel für die Franziskuslegende in Assisi. Einige Werke werden mittlerweile überwiegend als Arbeiten aus der Werkstatt Giottos angesehen.

Nach einer der vielen Legenden, die sich um Giotto ranken, hat er einem Abgesandten des Papstes, der eine Arbeitsprobe haben wollte, nichts anderes gezeigt als einen aus der freien Hand gezeichneten Kreis, den man mit dem Zirkel nicht besser hätte anfertigen können („Giottos O“).

Werke

Rezeption

Im 14. Jahrhundert brachte die Giotto-Schule eine große Anzahl von Malern hervor, die seinen Stil nachahmten.

Zu Ehren Giottos wurde unter anderem die Raumsonde Giotto nach ihm benannt. Ebenso trägt eine Konfekt-Spezialität seinen Namen.

Literatur

  • Luciano Bellosi: Giotto (= Die großen Meister der Kunst). Scala, Bagno a Ripoli (Florenz) 2014, ISBN 978-88-6637-193-9. [Populärwissenschaftlich; reich bebildert]
  • Miklos Boskovits: Giotto di Bondone. In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 55: Ginammi–Giovanni da Crema. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2000.
  • Frank Büttner: Giotto und die Ursprünge der neuzeitlichen Bildauffassung. Die Malerei und die Wissenschaft vom Sehen in Italien um 1300. WBG – Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-534-25753-9.
  • Samuel Y. Edgerton: Giotto und die Erfindung der dritten Dimension. Malerei und Geometrie am Vorabend der wissenschaftlichen Revolution. Fink, München 2003, ISBN 3-7705-3884-6.
  • Max Imdahl: Giotto. Arenafresken. Ikonographie, Ikonologie, Ikonik (= Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Texte und Abhandlungen, Bd. 60). Fink, München 1980, ISBN 3-7705-1970-1 (2., erweiterte Auflage. ebenda 1988, ISBN 3-7705-2506-X).
  • Nikolaus Pevsner: Europäische Architektur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Prestel, München 1973, ISBN 3-7913-0137-3.
  • Giuliano Pisani: I volti segreti di Giotto. Le rivelazioni della Cappella degli Scrovegni. Rizzoli, Mailand 2008, ISBN 978-88-17-02722-9 (Auch: Editoriale Programma, Treviso 2015, ISBN 978-88-6643-353-8).
  • Giuliano Pisani: La concezione agostiniana del programma teologico della Cappella degli Scrovegni. In: Francesco Bottin (Hrsg.): Alberto da Padova e la cultura degli agostiniani. Padova University Press, Padua 2014, ISBN 978-88-6938-009-9, S. 215–268.
  • Michael Viktor Schwarz: Giotto (= Beck'sche Reihe. 2503). Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58248-6 [Sehr gute und kurze Einführung auf neuerem Forschungsstand].
  • Michael Viktor Schwarz, Pia Theis: Giottus Pictor. 3 Bände. Böhlau, Wien u. a., 2004–2020;
    • Band 1: Giottos Leben. Mit einer Sammlung der Urkunden und Texte bis Vasari. 2004, ISBN 3-205-77243-1, (online);
    • Band 2: Giottos Werke. Unter Mitarbeit von Michaela Zöschg. 2008, ISBN 978-3-205-77371-9 (online).
    • Band 3: Giottos Nachleben. 2020, ISBN 978-3-205-20967-6.
  • Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Könemann, Köln 1994, ISBN 3-89508-054-3.
  • Alessandro Tomei (Hrsg.): Giotto e il Trecento. Il più sovrano maestro in dipintura. Catalogo (Roma, Complesso del Vittoriano, 6 marzo – 29 giugno 2009). 2 Bände. Skira, Mailand 2009, ISBN 978-88-572-0117-7.
  • Giorgio Vasari: Das Leben des Cimabue, des Giotto und des Pietro Cavallini. Neu ins Deutsche übersetzt von Victoria Lorini. Herausgegeben, kommentiert von eingeleitet von Fabian Jonietz (Cimabue und Giotto) und Anna Magnago Lampugnani (Pietro Cavallini). Wagenbach, Berlin 2015, ISBN 978-3-8031-5064-6.
Commons: Giotto di Bondone – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Fresken der Arenakapelle gemalt von Giotto – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Anna Maria Spiazzi: Giotto. Die Scrovegni-Kapelle in Padua. Skira, Mailand 2004, ISBN 978-88-8491-847-5, S. 9
  2. National Gallery (englisch)
  3. Die kleine Enzyklopädie, Encyclios-Verlag, Zürich, 1950, Band 1, Seite 619
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