Goi, auch Goj (jiddisch גוי goj, Plural גוים gójim), ist ein auch im Deutschen verwendetes jiddisches Wort, das einen Nichtjuden bezeichnet, manchmal auch einen Juden, der sich nicht an die Vorschriften des jüdischen Gesetzes hält. Es geht auf das hebräische Wort goj (גּוֹי, Plural גּוֹיִם gojím) mit der Bedeutung „Nation“ oder „Volk“ zurück. Im Deutschen ist die Verwendung von Goi auch in abfälliger Form bekannt.

Formen, Bedeutungsentwicklung

Das Wort goj ist in der hebräischen Bibel eines der vier Wörter mit der Bedeutung „Volk“ oder „Nation“; die anderen drei sind עַם ʿam, לְאֹם leʾom und viel seltener אֻמָּה ʾummah. Es gibt zahlreiche Parallelismen zwischen diesen Wörtern: z. B. Hab 2,13  (ʿam, leʾom), Ps 2,1  (goj, leʾom), Ps 33,10  und Zef 2,9  (goj, ʿam), Ps 117,1  (goj, ʾummah). Sie sind also soweit als synonym empfunden worden, gerade in der Bedeutung „Vielzahl der Völker oder Nationen der Welt“. Daraus, dass „mein Volk“ (gemeint ist Gottes Volk) als עַמִּי ʿammi wiedergegeben wird, hat sich wohl die Wortverwendung ergeben, dass goj eher andere Völker als das jüdische bezeichnet; ausschließlich ist diese Bedeutung aber nicht. Insofern ist die Übersetzung „Heiden“ wie bei Luther zu eng und irreführend. Ein spezielles Wort für einen einzelnen Nichtjuden gibt es in der hebräischen Bibel nicht. Ein im jüdischen Gebiet lebender Nichtjude wird als גֵּר ger ‚Siedler‘, ‚Migrant‘ bezeichnet, und die außerhalb lebenden zusammenfassend als gojim ‚Völker‘.

Die hebräische Form für eine nichtjüdische Frau ist גּוֹיָה gojah (Plural: גּוֹיוֹת gojoth; jiddisch: goje, gojte; Plural: gojes, gojtes), die adjektivische jiddische Form ist gojisch (גוייִש); für nichtjüdische Frauen existiert auch der Ausdruck שיקסע Schickse. Heute wird Goj meist als generelle Bezeichnung der Nichtisraeliten (לֹא־יְהוּדִים lo-jehudim ‚Nichtjuden‘) verwendet, obwohl der Begriff auch in der ursprünglichen Bedeutung („Volk“, „Nation“) gebräuchlich ist.

Symbolische Bedeutungen des Wortes aus der Zeit der Entstehung des Tanach sind weiterhin „Heuschreckenschwarm“ und „alle Arten von Bestien“. In Joel 1,6  wird der „Heuschreckenschwarm“ offensichtlich als Metapher für eine einfallende Armee verwendet. Entsprechend wird עם י z. B. als den goyim entgegenstehend und als „Menschen unter Waffen“, „mächtige Kraft“, „kämpfen“ und „im Konflikt [mit Übeltätern]“ wiedergegeben. גּוֹי (Goi) kann auch mit „Herden“ oder „Tierschar“ übersetzt werden.

Die Bezeichnung Goj tritt erstmals in der Tora in Gen 10,5  auf, wo es alle Völker bezeichnet. In Gen 12,2  erfährt Abraham, dass er Stammesvater eines גּוֹי גָּדוֹל goj gadol, eines „großen Volkes“, sein wird, was unter anderem die späteren Israeliten einschließt. An diesen Stellen hat das Wort Goj also keine Bedeutung, die im Gegensatz zu Israeliten steht. In den Hallel-Psalmen 113–118 kommen sowohl einschließende (Ps 113,4 , Ps 117,1 ) als auch abgrenzende (Ps 115,2 , Ps 118,10 ) Verwendungen vor.

Als שבת גוי Schabbesgoi, Shabbesgoi oder auf Deutsch auch Sabbat-Goi, im Hebräischen גּוֹי שֶל שַׁבָּת goj schel schabbath, wird ein nichtjüdischer Bediensteter bezeichnet, der in einem jüdischen Haushalt oder einer jüdischen Einrichtung am Schabbat die für Juden untersagten Arbeiten ausführt.

Wenn der Ausdruck Goj von Juden auf andere Juden angewendet wird, ist dies gleichfalls ein pejorativer Hinweis auf „unjüdisches“, gemeint unkorrektes Verhalten wie etwa schwarzfahren, die jiddische Zeitung nicht teilen wollen oder unfreundlich zum Nachbarn sein.

Literatur

  • Hans Peter Althaus: Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49437-4, S. 86f., 174f.
  • Leo Rosten, Lutz-Werner Wolff: Jiddisch. Eine kleine Enzyklopädie. (Aktualisiert und kommentiert von Lawrence Bush, illustriert R. O. Blechman). dtv 24327, München 2002, ISBN 3-423-24327-9. Neuausgabe als dtv 20938, München 2006, ISBN 978-3-423-20938-0.
  • Gary G. Porton: Goyim: Gentiles and Israelites in Mishnah-Tosefta (= Brown Judaic studies 155), Scholars press 2020, ISBN 978-1555402785.
  • Judith Coffey, Vivien Laumann: Gojnormativität: Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen. Berlin 2021, ISBN 978-3957325006.

Einzelnachweise

  1. Ernest Klein: A comprehensive etymological dictionary of the Hebrew language for readers of English. Carta u. a., Jerusalem 1987, ISBN 965-220-093-X, S. 94 (englisch, archive.org).
    Für das hebräische Wort goj wird dort als ursprüngliche biblische Bedeutung „Nation“ oder „Volk“ angegeben. Die Bedeutung „Nichtjude“ ist nachbiblisch (PBH), die Bedeutung „nicht religiöser Jude“ modern (NH). Das Wort gojut (Goi-Eigenschaft, „Goiheit“) entstammt dem mittelalterlichen Hebräisch (MH). Die entsprechenden Lexikoneinträge lauten:
    גּוֹי m.n. 1 nation, people. 2 PBH Gentile. 3 NH an irreligious Jew. [Of uncertain origin: possibly related to גֵּו (= body), and properly denoting an ethnic ‘body’.] Derivatives: גּוֹיָה, גּוֹיוּת, גּוֹיִי.
    גּוֹיָה f.n. PBH a Gentile woman, [f. of גּוֹי.]
    גּוֹיוּת f.n. MH state of being a Gentile;heathenism. [Formed from גּוֹי with suff. ־וּת […].]
    גּוֹיִי adj. Gentile. [Formed from גּוֹי with suff. ־י.]
  2. Beispiel: „Auch voll assimilierte Juden, die sich nichts mehr gewünscht hätten als Anerkennung seitens der Nichtjuden, konnten bei Gelegenheit, etwa bei einer Provokation – wenn auch nur bei sich – das Wort Goi murmeln, jene verächtliche Bezeichnung für den Nichtjuden, den Außenstehenden, die stumpfe Seele.“ Fritz Stern: Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder. Ullstein 1978. S. 573.
  3. Zu den hebräischen Wörtern kann man in der Blue Letter Bible die Vorkommen in der hebräischen Bibel sowie die zugehörigen Artikel in folgender englischen Übersetzung des Gesenius'schen Wörterbuches nachschlagen: Samuel Prideaux Tregelles: Gesenius‘s Hebrew and Chaldee Lexicon to the Old Testament Scriptures: With Additions and Corrections From the Author’s Thesaurus an Other Works. London 1857. Direkte Links zu den Wörtern sind ʾummah, goj, leʾom, ʿam, ger.
  4. Gesenius (auch online verfügbar) nennt im Artikel goj die Stelle Zef 2,9  (in der EÜ 2016 „meiner Nation“, in der EÜ 1980 und bei Luther nur das zweite Vorkommen von „meines Volkes“) als einzigen Beleg für die Form goji (mein Volk). Dort finden sich im masoretischen Text die Konsonanten von goj, jedoch die Vokalzeichen von goji, nämlich ein Chireq als Vokal beim Jod und der Akzent Tipcha ebenfalls beim Jod, als wäre es der Konsonant der betonten Silbe. Die Stelle wurde also von den Masoreten wie ein Ketib goj mit dem Qere goji behandelt, allerdings ohne Kennzeichnung und Fußnote. Die meisten Übersetzer folgen der Korrektur und schreiben „meines Volkes“.
  5. „גּוֹי (goy)“, in: Francis Brown, S. Driver & C. Briggs, Brown-Driver-Briggs Hebrew and English Lexicon, Hendrickson Publishers (1996); ähnlich: „גּוֹי (gowy)“, in: King James Version Old Testament Hebrew Lexicon (online)
  6. Irene Belyeu: Revelation in Context: A Literary and Historical Commentary on the Book of Revelation with Supporting Referents and Notes. Xulon Press 2006, S. 205.
  7. So im Brown-Driver-Briggs-Lexikon.
  8. „גּוֹי (gowy)“, in: Robert L. Thomas, New American Standard Exhaustive Concordance of the Bible/Hebrew-Aramaic and Greek Dictionaries, Holman Bible Publishers (1981)
  9. „גּוֹי (goy)“, in: S.T.D. James Strong und L.L.D. Strong, Strong’s Exhaustive Concordance of the Bible with Dictionaries of the Hebrew and Greek Words, MacDonald Publishing (1974/2006).
  10. Petra van der Zande: Gedenke, beobachte und erfreue dich. Lulu.com, ISBN 978-965-7542-55-2, S. 12 (google.com).
  11. Good Goy, Bad Goy: The Portrayal of Gentiles in Sketches from the London Yiddish Press. In: YIVO. Ankündigung eines Vortrags vom 26. Januar 2023 (abgerufen am 31. Januar 2023).
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