Wintzingerode ist ein deutsches Uradelsgeschlecht, das sich nach dem Ort Wintzingerode im Eichsfeld benannte und seit 1668 in zwei Linien unterteilt ist.

Geschichte

In zwei Urkunden vom 21. September 1209 wurde die Familie mit Bertoldus de Wincigeroth (in unterschiedlichen Schreibweisen) unter den edelfreien Zeugen erstmals urkundlich erwähnt. Ihr Stammsitz ist das Dorf Wintzingerode bei Worbis. Im Laufe des Spätmittelalters erwarb die Familie umfangreichen Grundbesitz im Eichsfeld, im heutigen Niedersachsen, in Hessen und Thüringen. Ab 1337 gehörten der Familie Anteile an der Burg Bodenstein, ab 1448 hielt sie diese im Alleinbesitz, bis 1945. Zwischen 1380 und 1583 befand sich die Burg Scharfenstein (Eichsfeld) zu unterschiedlichen Anteilen im Familienbesitz. Im 14. Jahrhundert waren sie auch Pfandbesitzer auf dem Rusteberg, der Harburg, Bischofstein, Greifenstein, Gleichenstein und Gieboldehausen. Vom 14. bis 15. Jahrhundert waren die von Wintzingerode an zahlreichen Fehden gegen verschiedene Herrschaften und Städte in Mitteldeutschland beteiligt. Hans von Wintzingerode konnte Anfang des 16. Jahrhunderts den gesamten Familienbesitz (Burg und Herrschaft Bodenstein, Pfandamt Scharfenstein mit zwei Klöstern und 40 Dörfern, das Patronat zu Reinholterode, Heringen, Esplingerode, Renten und Einkünfte aus 150 Orten sowie Wohnsitze auf dem Rusteberg und Gieboldehausen) in einer Hand vereinigen, bevor er diesen 1518 unter seinen drei Söhnen aufteilte.

Im Gefolge der Reformation und Gegenreformation verlor die Familie an Vermögen und Einfluss, konnte jedoch ihren Kernbesitz um die Burg Bodenstein halten und erreichte mit Hilfe der Welfen den Fortbestand des evangelischen Bekenntnisses in den Dörfern Kirchohmfeld, Kaltohmfeld, Wehnde, Tastungen und Wintzingerode. Durch den Streit zwischen Kurmainz und Braunschweig um die Lehnshoheit über Bodenstein nach dem 1593 erfolgten Tod des letzten Hohnsteiner Grafen erlangte die Familie die iura circa sacra (Kirchenhoheit), die sie bis 1803 ausübte. Daneben stand der Familie die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit, die Hohe und Niedere Jagd und das Bergregal zu.

Im Verlauf des 15. bis 18. Jahrhunderts errichteten Mitglieder der Familie innerhalb der Herrschaft Bodenstein die Herrenhäuser Unterhof und Oberhof in Kirchohmfeld, das Schloss Adelsborn sowie die Herrenhäuser in Wehnde, Tastungen und Wintzingerode. Heute ist noch der Unterhof in Kirchohmfeld vorhanden. Adelsborn, Wehnde und Tastungen wurden nach Kriegsende mutwillig zerstört, der Oberhof in Kirchohmfeld 2005 abgerissen. 2017 wurde das Herrenhaus in Wintzingerode abgerissen, dessen Park durch zahlreiche Neubauten schon während der DDR-Zeit zersiedelt wurde und kaum mehr zu erkennen ist.

Am 21. August 1794 wurde der kurkölnische Kämmerer und landgräflich hessische Oberhofmeister Georg Ernst Levin von Wintzingerode auf Bodenstein und dessen Nachkommen von Kaiser Franz II. in den erblichen Reichsgrafenstand mit dem Prädikat „Hoch- und Wohlgeboren“ erhoben. Der Freiherrenstand der übrigen Familienmitglieder wurde vom Reich 1803 und von Preußen 1830 (unter Ausschluss des Hauses Auleben) bestätigt. In der Linie Auleben durfte nur ein etwaiger Senioratsverweser den Freiherrentitel führen.

1803 fiel das Eichsfeld mit der Herrschaft Bodenstein an Preußen und nach einer gegen die Gesamtfamilie erhobenen preußischen Felonieklage erkannte diese Friedrich Wilhelm III. nach anfänglichem Widerstreben als Oberlehnsherrn an. 1807 gelangte das Eichsfeld an das neugebildete Königreich Westphalen. Durch dessen Gesetzgebung begann eine Entwicklung, in deren Verlauf bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die Familie ihre verbliebenen hoheitlichen Rechte sowie die an Lehnsnehmer vergebenen Flächen in 25 Dörfern des Eichsfelds verlor. Übrig blieben die auch bisher selbstbewirtschafteten Flächen im Ohmgebirge. Von der Möglichkeit, ein Patrimonialgericht nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht einzurichten, wurde kein Gebrauch gemacht. 1905 erschien der historische Roman Die von Wintzingerode von Paul Schreckenbach, der sich mit den Geschehnissen um Berthold XI. von Wintzingerode (1505–1575) zu Beginn der Gegenreformation befasst. Er erlebte mehrere Neuauflagen bis in die 1930er Jahre hinein.

Gemäß der „Verordnung über die demokratische Bodenreform“ wurden die im Eichsfeld ansässigen Zweige der Familie vertrieben. Ihr Besitz, die Güter Bodenstein, Adelsborn, Wehnde, Tastungen, Kirchohmfeld-Unterhof und Wintzingerode (zusammen etwa 2200 ha) wurden konfisziert. Seit 1996 sind die Grafen von Wintzingerode wieder auf dem Eichsfeld ansässig und bewirtschaften einen Forstbetrieb auf zurückerworbenen Waldflächen ihres früheren Fideikommisses Bodenstein, des sogenannten Bodenwaldes im westlichen Ohmgebirge.

Einer der freiherrlichen Zweige der Familie besitzt seit 1918 die Burg Pottenstein in der Fränkischen Schweiz.

In Wien gibt es eine nach Ferdinand Freiherr von Wintzingerode benannte Straße und in Leipzig-Meusdorf einen Wintzingerodeweg. In Hannover existiert ein Winzingerodeweg.

Wappen

Das Stammwappen wird wie folgt beschrieben: „In Silber eine schräge rote Hellebardenspitze mit abwärtigem Haken. Auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit rot-silbernen Decken die rote Hellebardenspitze.“

Wappenspruch: „Recht tun behält sein Preis allzeit.“

Familiengruft

Im Wald unterhalb der Burg Bodenstein liegt die im Jahre 1823 von Graf Georg Ernst Levin von Wintzingerode erbaute Gruft der Familie nebst einem kleinen Friedhof. In den letzten Jahren wurde die gesamte Anlage, die durch Vandalismus und Sturmschäden in einem sehr schlechten Zustand war, wiederhergestellt.

Namhafte Vertreter

Dichterische Verarbeitung der Familiengeschichte

Der Pfarrer Paul Schreckenbach aus Klitzschen verfasste den 1905 in Leipzig erschienenen Roman Die von Wintzingerode, in dessen Mittelpunkt Berthold XI. von Wintzingerode auf Burg Bodenstein steht.

Literatur

  • Gothaisches Genealogisches Handbuch: Gräfliche Häuser 2 (GGH 9), Verlag des Deutschen Adelsarchivs, Marburg 2019, ISBN 978-3-98172-438-7, S. 562–572.
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band XVI, Band 137 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 2005, ISSN 0435-2408
  • Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, 1857, Siebenter Jahrgang, S. 860
  • Ernst Heinrich Kneschke, Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, Band 9, S. 584f
  • Ernst Heinrich Kneschke, Deutsche Grafen-Haeuser der Gegenwart : in heraldischer, historischer und genealogischer Beziehung, Band 2, S. 678
  • Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, 1858, S. 852
  • Heinrich Jobst Graf von Wintzingerode: „Recht tun behält sein Preis allzeit“. Die Geschichte der Herren von Wintzingerode und der Burg Bodenstein. Großbodungen 2004, Bodunger Beiträge 8, Teil/Heft I 60 Seiten, zahlreiche Tafeln mit Schwarz-Weiß- und Farbabbildungen; Teil/Heft II 38 Seiten, zahlreiche Tafeln mit Schwarz-Weiß- und Farbabbildungen
  • Heinrich Jobst Graf von Wintzingerode: Die Familie von Wintzingerode und der Bodenstein. In: Burgen, Schlösser, Gutshäuser Hrsg. Bruno J. Sobotka, Theiss Verlag Stuttgart 1995, S. 228–236.
  • Sittig-Wasmuth Frhr. von Wintzingerode-Knorr: Fortführung der Stammtafeln nebst Erläuterungen für die adlige, reichsgräfliche und freiherrliche Familie von Wintingerode(-Knorr) von 1848–1960. Wolfsburg 2004, ISBN 3-931481-12-3
Commons: Wintzingerode (Adelsgeschlecht) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Elmar Golland: Das historische Bild - Schloß Bodenstein. In: Eichsfelder Heimathefte 16. Jahrgang 1976, S. 159–162
  2. Wappen derer von Wintzingerode
  3. Die Gruft der Grafen von Wintzingerode
  4. in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe
  5. 1 2 3 Bernhard Opfermann: Gestalten des Eichsfeldes. St. Benno-Verlag Leipzig und Verlag F.W. Cordier Heiligenstadt 1968
  6. Paul Schreckenbach: Die von Wintzingerode im Projekt Gutenberg-DE
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.