Graschdanskaja Oborona
(Гражданская оборона)

Jegor Letow 2000 in Nürnberg
Allgemeine Informationen
Herkunft Omsk, Russland
Genre(s) Art-Punk, Experimental Rock, Garage Punk, Hardcore Punk, Noise-Rock, Post-Punk, Psychedelic Rock, Punk, Shoegazing
Gründung 1984
Auflösung 2008
Website www.gr-oborona.ru
Gründungsmitglieder
Jegor Letow
Konstantin Rjabinow
E-Gitarre
Andrei Babenko
Ehemalige Mitglieder
Gesang, E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug, Perkussion, Effekte
Jegor Letow († 2008)
E-Gitarre, E-Bass, Elektronische Orgel, Gesang, Begleitgesang, Perkussion, Effekte
Konstantin Rjabinow (bis 2004)
E-Gitarre
Andrei Babenko (bis 1985)
Begleitgesang
Andrei Maschkowzew (1984)
Begleitgesang
Andrei Wasin (1984)
Waleri Roschkow (1986)
Bongos, Mundharmonika, Begleitgesang
Jewgeni Filatow (1986)
E-Gitarre, E-Bass, Gesang
Oleg Lischtschenko (1987) †
E-Bass, Schlagzeug, Gesang
Jewgeni Lischtschenko (1987) †
E-Gitarre, E-Bass, Gesang, Begleitgesang
Igor Schewtun (1988–2005)
Schlagzeug
Arkadi Klimkin (1988–1990)
Gesang, Begleitgesang
Oleg Sudakow (1988)
Begleitgesang, E-Bass
Jana Djagilewa (1988–1990) †
E-Gitarre
Dmitri Seliwanow (1988) †
E-Bass
Jewgeni Dejew (1988) †
E-Bass
Igor Starowatow (1988)
E-Bass
Sergei Selenski (1989)
Flöte
Alexander Roschkow (1993)
E-Bass
Arkadi Kuznezow (1994)
E-Gitarre, E-Bass, Begleitgesang
Jewgeni Kokorin (1994–2004)
Schlagzeug
Alexander Andrjuschkin (1994–2005)
E-Gitarre, E-Bass
Jewgeni Pjanow (1994–1999) †
E-Bass, Keyboard, E-Geige, Begleitgesang
Anna Wolkowa (1995–1997)
Sergei Letow (2000–2004)

Graschdanskaja Oborona oder GrOb (russisch Гражданская оборона, ГрОб, zu Deutsch Bürgerwehr oder Zivilverteidigung) war eine der ersten und international bekanntesten russischen Punkbands. Die aus Sibirien stammende Gruppe war die erste erfolgreiche sowjetische Punkband und inspirierte so hunderte andere Bands. Zur Verwirrung und zu heftigen Kontroversen innerhalb der Szene trug der erratische ideologische Kurs des Gründers und Frontmanns Jegor Letow bei.

Geschichte

Der sowjetische Dissident Jegor Letow (Егор Летов) gründete die Band im Dezember 1984 in einer Hochphase sowjetischer Untergrundmusik. Bands wie Aquarium, Maschina Wremeni (Маши́на вре́мени) und Kino genossen großen Erfolg. Mit Punk hatte der sowjetische Untergrund jedoch noch keine Erfahrung gemacht. GrOb konnten diese Nische füllen und sich seitdem eine große Fangemeinde erspielen. Die Band inspirierte hunderte andere Punkbands quer durch die Sowjetunion und später Russland.

In den Jahren 2004 und 2005 veröffentlichte GrOb jeweils ein Album: 2004 Dolgaja Stschastliwaja Schisn, (Долгая Счастливая Жизнь) und 2005 Reanimazija (Реанимация).

Jegor Letow starb am 19. Februar 2008 in seiner Heimatstadt Omsk an einer Ateminsuffizienz infolge einer Alkoholvergiftung.

Stil

GrObs Sound bestand aus verzerrten Gitarren, einfachen Basslinien, einer rudimentären Perkussion und Letows tiefer und eindrucksvoller Gesangsstimme. Seit den späten 1980ern experimentierte die Band mit Elementen aus dem Industrial.

Bis zum Zerfall der Sowjetunion galt die Band als antisowjetisch. Letow äußerte sich in seinen Texten oft gegen Militarismus, Diktatur, den sowjetischen Staat und den Krieg in Afghanistan – die Band hatte dementsprechende Probleme mit der Zensur. Den größten Teil der Sowjetzeit verbrachten Letow und die anderen Bandmitglieder versteckt bei Freunden und spielten ihre Kassetten in Küchen und Kellern ein. Die Hörer reichten die Aufnahmen auf Tonband weiter. Die Bänder wurden überspielt und so entstand ein Audio-Samisdat. Dennoch leisteten sie sich einige Liveauftritte, wie beim ersten Rockfestival in Nowosibirsk 1987, die prompt als Sensation galten.

Obwohl die Band als antikommunistisch galt, beschrieb sich Letow selbst als „wahrer Kommunist“ und hat den Anspruch auch bis zur letzten Änderung seiner Ansichten beibehalten. Seine ideologischen Überzeugungen waren seit der Bandgründung aber immer wieder widersprüchlich, wenn nicht gar einander direkt entgegengesetzt, was auf Seiten der Fans und der Szene immer wieder zu Verwirrung führte. Der Texter antimilitaristischer und antinationalistischer Texte trat in einer langjährigen Phase seines Lebens zusammen mit der nationalbolschewistischen Partei (Национал-большевистская партия) auf, deren Parteifahne durchaus absichtlich an die Hakenkreuzfahne erinnert. 1998 trat Letow, unzufrieden mit deren Politik, aus der Partei aus und distanzierte sich später von jeglicher politischer Ausrichtung. Zuletzt (2006) bezeichnet er sich als „Weltchrist.“

Diskografie (Auswahl)

Transkribierter Titel Originaltitel Übersetzung/ Bemerkung Jahr des Erscheinens
Poganaja molodjoschПоганая молодёжьetwa Verfluchte Jugend1985
OptimismОптимизмOptimismus1985
Igra w bisser pered swinjamiИгра в бисер перед свиньямиPerlen-vor-die-Schweine-Spiel („Unplugged“-Album)
„Halbakustische“ Version des folgenden „Krasny albom“. Albumtitel ist ein Wortspiel aus dem russischen Titel von Hermann Hesses Das Glasperlenspiel (Igra w bisser) und einem Bibelzitat „werfet eure Perlen nicht vor die Schweine“ (Matthäusevangelium, 7.6)
1986
Krasny albomКрасный альбомRotes Album1987
Choroscho!!Хорошо!!Gut!!
Choroscho! ist auch der Originaltitel eines Poems von Wladimir Majakowski, das ist der deutschen Übersetzung als Gut und Schön! bekannt ist
1987
MyschelowkaМышеловкаMausefalle1987
NekrofilijaНекрофилияNekrophilie1987
TotalitarismТоталитаризмTotalitarismus1987
Tak sakaljalas stalТак закалялась стальSo wurde der Stahl gehärtet
Anspielung auf Nikolai Ostrowskis Roman Wie der Stahl gehärtet wurde (russisch Kak sakaljalas stal)
1988
Bojewoi stimulБоевой СтимулKampfanreiz1988
Wsjo idjot po planuВсё идёт по плануAlles läuft nach Plan1988
ToschnotaТошнотаBrechreiz1989
WoinaВойнаKrieg1989
Sdorowo i WetschnoЗдорово И ВечноToll und ewig1989
Armageddon-PopsАрмагеддон-ПопсArmageddon-Pops1989
Russkoje pole experimentowРусское Поле ЭкспериментовRussisches Experimentierfeld1989
Pojesd uscholПоезд УшёлDer Zug ist weg
Veröffentlichung erst 2002
1989
Swet i StuljaСвет и СтульяLicht und Stühle
Veröffentlichung erst 2001 als limitierte Auflage
1988–1989
Pesni Radosti i SchtschastjaПесни Радости и СчастьяLieder von Glück und Freude1989
Istorija: Posew 1982–89История: Посев 1982–89Geschichte: Aussaat 1982-89
retrospektive Kompilation. Wobei Posew (die Aussaat) auch der Name einer der früheren Band Letows ist
1989
Instrukzija po wyschiwanijuИнструкция По ВыживаниюAnleitung zum Überleben1990
Posledni Konzert v TallineПоследний Концерт В ТаллинеDas letzte Konzert in Tallinn
Liveaufnahme
1990
Konzert w MEI. 17.02.90Концерт В МЭИ. 17.02.90Live im MEI. 17.02.90
Liveaufnahme, zusammen mit Janka Djagilewa; MEI ist das Moskauer Institut für Energiewirtschaft
1990 г.
Pops: 1984–90Попс: 1984–90 (сборник, издан на виниле)Pops: 1984-90
„Best Of“-Kompilation
1990
Pryg-skok (detskije pessenki)Прыг-скок (детские песенки)Kein Album der GO, sondern der Nachfolgerband Jegor i Opisdenewschije
etwa Hüpf-Spring (Kinderliedchen)
1990
Sto let odinotschestwaСто лет одиночестваKein Album der GO, sondern der Nachfolgerband Jegor i Opisdenewschije
Hundert Jahre Einsamkeit (Doppelalbum)
entspricht dem russischen Titel von Gabriel García MárquezHundert Jahre Einsamkeit
1992
SolnzeworotСолнцеворотSonnenwende1995
Newynossimaja ljogkost bytijaНевыносимая лёгкость бытияDie unerträgliche Leichtigkeit des Seins
entspricht dem russischen Titel von Milan Kunderas Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
1996
KonzertКонцертKonzert (Live-Doppelalbum)1997
Soldatski sonСолдатский сонSoldatentraum1997
SwesdopadЗвездопадSternenfall (also Sternschnuppenfall)2002
SwobodaСвободаFreiheit
Konzert im Kino Ulan-Bator (Moskau) am 21. April 2002 (+ 3 Bonustracks: Konzert im Kino Woschod (Moskau) 2001)
2002
Dolgaja schtschastliwaja schisnДолгая счастливая жизньLanges glückliches Leben2004
ReanimazijaРеанимацияWiederbelebung2005
XX letXX летXX Jahre
Konzert im Gorbunow-Kulturhaus (Moskau) am 13. November 2004
2006
Satschem snjatsja snyЗачем снятся сныWofür man träumt2007

Film

  • I Don’t Believe in Anarchy (orig. russisch Здорово и вечно). Dokumentation, RUS/CH 2015, Regie: Anna Tsyrlina, Natalya Chumakova

Anmerkungen

  1. Todesursache Letovs genannt (russisch)
  2. 1 2 Pops ist hier die verächtliche Bezeichnung für Popmusik (im Russischen auch попса/popsa) und Massenkulturprodukte
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