Hans (Friedrich Wilhelm Ernst) von Raumer (* 10. Januar 1870 in Dessau; † 3. November 1965 in Berlin) war ein deutscher Jurist, Industrieller und Politiker (DVP).
Leben und Beruf
Der Sohn des preußischen Majors Friedrich Wilhelm von Raumer (1831–1911) und der Marie von Studnitz (1843–1928), Tochter des preuß. Majors Hans Nikolaus Bernhard Benjamin von Studnitz, durchlief nach dem Volksschulabschluss und dem Besuch der Gymnasien in Hirschberg und Görlitz ab 1890 die Ritterakademie in Liegnitz, die er mit dem Abitur abschloss. Im Anschluss nahm er ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten in Lausanne, Leipzig und Berlin auf, das er 1893 mit dem ersten juristischen Staatsexamen beendete. Nach der Promotion zum Dr. jur. trat er in den preußischen Verwaltungsdienst ein und war als Gerichtsreferendar in Schlesien tätig. Hier bestand er 1899 das zweite juristische Staatsexamen und wurde danach als Regierungsassessor übernommen.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst im Jahr 1911 war Raumer Leiter der Hannoverschen Kolonisations- und Moorverwertungsgesellschaft mit Sitz in Osnabrück. Daneben betätigte er sich in der Energieversorgungswirtschaft, war seit 1912 Leiter der Niedersächsischen Kraftwerke AG und wurde 1915 Direktor des Bundes der Elektrizitätsversorgungs-Unternehmungen Deutschlands. Darüber hinaus fungierte er von 1916 bis 1918 unter Siegfried von Roedern als Kriegsreferent im Reichsschatzamt.
Raumer zählte im März 1918 zu den Gründern des Zentralverbandes der Deutschen Elektrotechnischen Industrie in Berlin, dessen geschäftsführendem Vorstand er bis 1933 angehörte. Außerdem war er Mitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie sowie Mitbegründer und Mitglied des Zentralvorstandes der Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands (ZAG). Raumer war Mitglied der Internationalen Handelskammer zu Paris sowie bis 1938 Präsident der Deutsch-Rumänischen Handelskammer. Der Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie Deutschlands ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitglied. Später war er noch Aufsichtsratsmitglied zahlreicher Berliner Unternehmen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten legte er seine Ämter nieder und zog sich nach 1943 auf Schloss Dätzingen, heute Gemeinde Grafenau bei Böblingen zurück, welches damals seiner Schwägerin Adrienne von Bülow gehörte. Im Jahr 1962 kehrte er nach West-Berlin zurück, wo er am 3. November 1965 im Alter von 95 Jahren verstarb. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Adelsfriedhof von Schloss Dätzingen.
Hans von Raumer, Nachkomme aus der alten bayerischen und ab dem 17. Jahrhundert sächsischen Adelsfamilie von Raumer, war seit 1905 mit Stephanie Gans Edle Herrin zu Putlitz (1882–1949), Tochter des Staatswissenschaftlers Stefan Eduard Gustav Adolf Gans Edler Herr zu Putlitz und Enkelin des Karlsruher Theaterdirektors Gustav Heinrich Gans Edler Herr zu Putlitz, verheiratet, mit der er einen Sohn und zwei Töchter hatte.
Politische und öffentliche Ämter
Raumer, der bereits von 1905 bis 1911 Landrat des Kreises Wittlage war, trat nach der Novemberrevolution 1918 in die DVP ein, die er später im Jahr 1932 wieder verließ. Bei der Reichstagswahl im Juni 1920 wurde er in den Deutschen Reichstag gewählt, dem er bis September 1930 angehörte.
Vom 25. Juni 1920 bis zum 4. Mai 1921 amtierte er als Reichsschatzminister in der von Reichskanzler Constantin Fehrenbach geleiteten Regierung. 1922 war er Sachverständiger bei der Konferenz von Genua. Als solcher beteiligte er sich im Hintergrund an der Ausarbeitung des Rapallo-Vertrages. Am 13. August 1923 wurde Raumer als Reichswirtschaftsminister in die von Reichskanzler Gustav Stresemann geführte Regierung berufen. Während seiner Amtszeit engagierte er sich unter anderem für die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen sowie für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Frankreich. Aufgrund von Differenzen mit Stresemann trat er am 3. Oktober 1923 von seinem Amt zurück.
Ehrungen
- Für seine Verdienste wurde Raumer mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband geehrt sowie zum Ehrenbürger der Technischen Hochschule Karlsruhe (1958) und zum Ehrenritter des Johanniterordens ernannt.
Literatur und Quellen
- Hermann v. Raumer: Die Geschichte der Familie von Raumer; (Bibliothek familiengeschichtlicher Arbeiten Bd. 38 – Degener-Genealogie-Verlag); 1975. VIII u. 264 S., 24 Taf. mit 35 Abb., ISBN 3-7686-6002-8
- Franz Menges: Raumer, Hans Friedrich Wilhelm Ernst von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 205 f. (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Hans von Raumer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Hans von Raumer in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- Hans von Raumer in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Kurzbiographie in den Akten der Reichskanzlei