Das Adelsgeschlecht der Grafen von Schauenburg und Holstein stammt ursprünglich von der Schauenburg (heute: Schaumburg) bei Rinteln (Landkreis Schaumburg) an der Weser. Neben der – seit etwa 1480 – Grafschaft Schaumburg genannten Schauenburger Stammherrschaft mit ihren Residenzorten Bückeburg und Stadthagen wurde die Familie im Jahr 1110 auch mit den Grafschaften Holstein und Stormarn belehnt. 1640 ist das Geschlecht erloschen.

Geschichte

Im Jahr 1110 ernannte Herzog Lothar von Supplinburg seinen Lehnsmann Adolf von Schauenburg zum Nachfolger des Grafen Gottfried von Hamburg, der im Kampf gegen Slawen gefallen war. Mit dieser Ernennung begann in der Grafschaft Holstein eine Schauenburger Herrschaftszeit, die dann fast 350 Jahre währte. 1130 starb Adolf I. und ihm folgte sein Sohn Adolf II., der 1164 in der Schlacht bei Verchen in Vorpommern gegen die Slawen fiel.

Adolf I. bis zu seinem Enkel Adolf III. bezeichneten sich zunächst weder selbst als Grafen von Holstein noch wurden sie von ihren Zeitgenossen so tituliert. Den Titel Graf übernahm erst Adolf IV. um 1225 von seinem Vorgänger, dem vorübergehend eingesetzten dänischen Lehnsmann Graf Albrecht von Orlamünde. Bis zu Beginn von Albrechts Herrschaft war nur der holsteinische Overbode als „von Holstein“ bezeichnet worden.

Adolf III. von Schauenburg und Holstein verlor 1201 durch die Schlacht bei Stellau vorübergehend Holstein an Dänemark und zog sich in die Grafschaft Schauenburg zurück. Erst seinem Sohn Graf Adolf IV. gelang 1227 in der Schlacht von Bornhöved die Rückeroberung Holsteins. Die Grafen von Holstein festigten nach diesem Sieg ihre Herrschaft nicht nur in Holstein, das zum Heiligen Römischen Reich gehörte, sondern gewannen bald auch im benachbarten Herzogtum Schleswig an Einfluss, das der dänischen Krone unterstand.

Ab 1261 teilte sich die Familie im Laufe der Jahrzehnte in mehrere, zum Teil nur kurzlebige Stammlinien. Dadurch gab es mehrere Herrscher gleichzeitig in Holstein:

Die Aufteilung endete 1390, als die Rendsburger Linie den größten Teil Holsteins innehatte. Sie erreichte seit 1326 mehrfach die Belehnung mit dem dänischen Herzogtum Südjütland beziehungsweise Schleswig. Lediglich die kleine Grafschaft Holstein-Pinneberg, die mit der Grafschaft Schauenburg verbunden war, bestand nebenbei weiter.

Die Holsteiner Grafen rangen generationenlang mit den dänischen Königen aus dem Haus Estridsson und deren Nachfolgern um die Vormacht in Jütland. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten sie mit Graf Gerhard III., der 1326 König Christoph II. besiegte, ins Exil trieb und seinen eigenen Neffen Waldemar III. von Schleswig als König einsetzte, als dessen Vormund er ganz Dänemark beherrschte. Erst die beiden nächsten Könige, Christophs Sohn Waldemar IV. „Atterdag“ und dessen Tochter Margarethe I. stellten die Königsmacht wieder her, konzentrierten sich auf das Ringen mit der mächtigen Hanse um die Vormacht im Ostseeraum und erweiterten ihre Herrschaft in der Kalmarer Union schließlich auf ganz Skandinavien. Doch erreichten sie die angestrebte Herrschaft über das Herzogtum Schleswig nur nominell als Lehnsherren der Schauenburger. Diese machten sich die dänische Adelsopposition gegen die Zentralmacht immer wieder als Verbündete zu Nutze.

Folgende Grafen waren die wichtigsten für Holstein und Stormarn:

  • (1110–1130) Adolf I. Graf von Schauenburg und Holstein († 13. November 1130)
  • (1130–1164) Adolf II. Graf von Schauenburg und Holstein (* 1128; † 6. Juli 1164 bei Demmin)
  • (1164–1203) Adolf III. Graf von Schauenburg und Holstein (* ca. 1160; † 3. Januar 1225)
  • (1227–1239) Adolf IV. Graf von Schauenburg und Holstein (* vor 1205; † 8. Juli 1261 in Kiel)
  • (1239–1290) Gerhard I. Graf von Holstein-Itzehoe (* ca. 1232; † 1290)
  • (1290–1315) Adolf VI. Graf von Schauenburg und Holstein-Pinneberg (* ca. 1256; † 1315)
  • (1290–1304) Heinrich I. Graf von Holstein-Rendsburg (* ca. 1258; † 1304)
  • (1304–1340) Gerhard III. der Große Graf von Holstein-Rendsburg, Herzog von Südjütland (* ca. 1293; † 1340)
  • (1312–1359) Johann III. der Milde Graf von Holstein-Plön, Herr von Fehmarn (* ca. 1294; † 1359)
  • (1340–1384) Heinrich II. der Eiserne Graf von Holstein-Rendsburg (* ca. 1317; † 1384)
  • (1340–1397) Nikolaus Graf von Holstein-Rendsburg, Erbe von Schleswig (* ca. 1321; † 1397)
  • (1359–1390) Adolf VII. Graf von Holstein-Plön, Herr von Fehmarn (* 1329; † 1390)
  • (1384–1404) Gerhard VI. Graf von Holstein-Rendsburg bzw. nach Teilung 1397 Holstein-Plön, Herzog von Schleswig (* ca. 1367; † 1404)
  • (1385–1403) Albrecht II. Graf von Holstein-Kiel (* ca. 1369; † 1403)
  • (1388–1421) Heinrich III. Graf von Holstein-Rendsburg, Bischof von Osnabrück 1402–1410 (* ca. 1372; † 1421)
  • (1404–1427) Heinrich IV. Graf von Holstein, Herzogprätendent von Schleswig (* 1397; † 1427)
  • (1421–1459) Adolf VIII. Graf von Holstein, Herzog von Schleswig (* 1401; † 1459)
  • (1427–1433) Gerhard VII. Graf von Holstein (* 1404; † 1433)

Da Adolf VIII. ohne Erben verstarb, wählte der holsteinische Adel 1460 dessen kognatischen Neffen, den seit 1448 regierenden König Christian I. von Dänemark, zum neuen Herzog von Schleswig und entgegen dem salischen Lehnserbrecht zum Grafen von Holstein und Stormarn. Damit kam das Haus Oldenburg als Nachfolger der Schauenburger an die Macht in Schleswig und Holstein und herrschte hier bis 1864.

Die Pinneberger Linie herrschte noch bis 1640 in der kleinen Grafschaft Holstein-Pinneberg, im Schaumburger Stammland sowie ab 1476 in der Herrschaft Gemen.

Bedeutung der Grafenfamilie in Niedersachsen

Die Schauenburger haben einen geordneten Landesausbau mit Städtegründungen, wie zum Beispiel Stadthagen und Rinteln, betrieben. Die Schaumburger Grafen waren im 13. Jahrhundert Gografen des Bezirks Wennigsen (Deister) und bereits seit über hundert Jahren im Deister-Vorland begütert. Dieser Umstand brachte es mit sich, dass den Grafen von Schauenburg und Holstein die Vogtei des Klosters Wennigsen unterstellt wurde. Die Grafenfamilie stiftete Eigentum an das Kloster.

Die Grafschaft Sternberg gehörte von 1377 bis 1402/05, als sie an die Edelherren zur Lippe verpfändet wurde, zum Schauenburger Besitz. Graf Johann IV. von Schauenburg und Holstein-Pinneberg erhielt durch die Ehe mit Cordula von Gehmen (heute: Gemen) 1476 die Herrschaft Gemen vom sohnlosen Schwiegervater zediert (abgetreten). Nach einem Erbfolgestreit 1635 fiel Gemen an die Grafen von Limburg-Styrum.

Die Grafschaft Schaumburg bestand bis 1640, als mit dem Tod von Otto V. aus dem Gemener Zweig das Haus Schauenburg im Mannesstamm erlosch; die Grafschaft wurde zwischen den Landgrafen von Hessen-Kassel und den Grafen zur Lippe aufgeteilt. Der hessische Teil wurde fortan als Grafschaft Schaumburg, der lippische als Grafschaft Schaumburg-Lippe (ab 1807 Fürstentum) bezeichnet. Die Grafschaft Holstein-Pinneberg wurde dem mittlerweile von einer Grafschaft zum Herzogtum aufgewerteten Herzogtum Holstein angegliedert.

Siehe auch

Literatur

  • Helge Bei der Wieden: Schaumburgische Genealogie. Schaumburger Studien 14. Melle 1999.
  • Oliver Auge, Detlev Kraack (Hrsg.): 900 Jahre Schauenburger im Norden. Eine Bestandsaufnahme (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 121). Wachholtz, Kiel u. a. 2015, ISBN 978-3-529-02221-0 (Rezension bei H/Soz/Kult).
  • Manfred Jessen-Klingenberg: Die Schauenburger. Sie schufen Schleswig-Holstein. In: Seeluft. Nord- und Ostsee, 1999, Heft 2, ISSN 1436-4832, S. 36–43.
  • Hans von Weissenbach: Das Wappen der Grafen von Schauenburg und Holstein. Bergas, Schleswig 1877 (Digitalisat).
  • Helge bei der Wieden: Die letzten Grafen zu Holstein-Schaumburg, Bielefeld 2014, Verlag für Regionalgeschichte, ISSN 0581-9660 ISBN 978-3-89534-932-4

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Günther Bock: Das Ende der Hamburger Grafen 1110. Eine historiographische Konstruktion. In: Oliver Auge, Detlev Kraack (Hrsg.): 900 Jahre Schauenburger im Norden. Eine Bestandsaufnahme. Wachholtz, Kiel u. a. 2015, S. 7–75, hier S. 19.
  2. 750 Jahre Wennigsen 1200–1950. Hrsg. vom Vorbereitenden Ausschuss für die 750-Jahrfeier der Gemeinde Wennigsen, Wennigsen (gedruckt bei den Buchdruckwerkstätten Hannover) 1950, S. 8–9.
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