Das 1913 errichtete Haus der Gesundheit (früher Haus am Zentrum) gehört zu den ersten interdisziplinären Ärztehäusern in Berlin. Das sechsgeschossige Gebäude, in dem seit 1923 ein Gesundheitszentrum untergebracht war, gehört zu den wenigen Gebäuden in der Umgebung des Alexanderplatzes, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut wurden. Das Haus der Gesundheit steht unter Denkmalschutz.

Baugeschichte

1913 beauftragte der Berliner Bauunternehmer Oscar Garbe die Charlottenburger Architekten Hans Liepe und Reinhard Gerres mit dem Bau des Gebäudekomplexes Haus am Zentrum in Berlin-Königsstadt. Die beiden Architekten entwarfen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Villen und Miets- und Geschäftshäuser, u. a. Haus Brandt in Wannsee, das Miets- und Geschäftshaus Alt-Tegel 8 sowie die Kraftstation des Elektrizitätswerkes Südwest in Wilmersdorf.

Der trapezförmige Gebäudekomplex in der Nähe des Alexanderplatzes wurde beim Bau allseitig durch Straßen begrenzt. Die mit Sandstein verkleidete, nach Südosten ausgerichtete Hauptfassade des Gebäudes mit kleinteiligen Sprossenfenstern befindet sich an der Landsberger Straße, eine der ehemals fächerförmig auf den Alexanderplatz zulaufenden Fernverkehrsstraßen aus dem Berliner Norden. Die kurzen Seiten wurden durch die Katharinen- und Lietzmannstraße begrenzt. Die rückwärtigen Gebäudefluchten an der Landwehr- und an der Lietzmannstraße waren durch zurückgesetzte Fassaden gekennzeichnet. Der so entstandene Innenhof an der Landwehrstraße wurde als Ladezone genutzt und mit einem Lastenaufzug ausgestattet. Die Schauseite des Gebäudes wurde als eine werksteinverkleidete Pfeilerfassade mit flachen Seitenrisaliten und sparsamen Bauschmuck am Kranz- und Gurtgesims ausgeführt. Der Bauschmuck in Form von ovalen und rechteckigen Sandstein-Reliefs stammte aus der Werkstatt der Berliner Bildhauer Zeyer & Böhme. Im Erdgeschoss des Gebäudes waren verschiedene Ladengeschäfte untergebracht. Darüber wurden drei gleichartige Vollgeschosse und ein niedrigeres Attikageschoss und zurückgesetztes Dachgeschoss aufgesetzt, die über ein zentrales Treppenhaus zu erreichen waren. Das mächtige Eingangsportal wurde mit einer Supraporte und zwei stuckverzierten Pilastern umrandet.

Im Jahr 1939/40 erfolgte im Auftrag der Reichsbauverwaltung durch die Architekten Karl Reichle und Wilhelm Weygand ein Umbau des Gebäudes. In den letzten Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges wurde die Umgebung des Alexanderplatzes durch Luftangriffe weitgehend zerstört. Nur wenige Häuser blieben substantiell erhalten. Der beschädigte Gebäudekomplex wurde zügig wieder aufgebaut und ein weiteres Attikageschoss aufgesetzt, das jedoch nicht mit Sandstein verkleidet, sondern nur einfach verputzt wurde. Der ursprüngliche Straßengrundriss und damit die den Gebäudeblock begrenzende Straßen wurden im Zuge der Neubebauung der Umgebung des Alexanderplatzes und der Neutrassierung der Straßen, insbesondere der Karl-Marx-Allee aufgegeben und zurückgebaut. Das ältestes Gebäude in der Karl-Marx-Allee ist daher winklig zur Gebäudeflucht der übrigen Bebauung ausgerichtet.

Sofern nicht im Krieg zerstört, wurde der ursprüngliche Bauschmuck am Gebäude und am Portal abgeschlagen, der Haupteingang verlegt und die kleinteiligen Sprossenfenster durch Aluminiumfensterrahmen ersetzt. In den Jahren 1966 bis 1970 wurde das Gebäude erneut umgebaut und an die benachbarten Neubauten angepasst.

Von der originalen Inneneinrichtung hat sich die repräsentative Haupttreppe mit messingbeschlagenen Wangen und Handläufen, geschmiedeten Geländern sowie ein Teil der Türstürze aus mehrfarbigem Marmor erhalten.

Nutzung

Nach der Errichtung des Baublocks Landsberger Straße 43–47 wurde er zunächst als Verwaltungsgebäude genutzt. Im Erdgeschoss befanden sich bis in die 1930er Jahre zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte, u. a. eine Drogerie, eine Möbelhandlung, ein Geschenkwarenladen sowie ein Fachgeschäft für Porzellan und Glas. Im Jahr 1916 eröffnete im Haus das Kino Eden, das als Kino Universum bis 1952 betrieben wurde.

Seit 1918 wurden in dem Gebäude das Vormundschaftsamt und die Betriebskrankenkasse Groß-Berlin sowie das Städtische Rettungswesen untergebracht. In den 1920er Jahren eröffnete im Gebäude die Hauptfürsorgestelle für Kriegsgeschädigte und Hinterbliebene sowie die Anstalt des Verbandes der Krankenkassen Groß-Berlin für hydrotherapeutische und physikalische Behandlungen.

Im Jahr 1923 ging das Gebäude in das Eigentum der Vereinigten Krankenkassen Berlin über. Im selben Jahr wurde im Haus ein interdisziplinäres Gesundheitszentrum als eines der ersten Ärztehäuser in Berlin eingerichtet und das Gebäude in Haus der Gesundheit umbenannt. Neben dem medizinischen Zentrum eröffnete 1926 in dem Gebäude die Lederfabrik Alfred Popper, Abteilung Portefeuille- & Möbelleder. 1938 wurde die Firma des jüdischen Fabrikanten Alfred Popper liquidiert.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Gebäude in Haus der Volksgesundheit umbenannt (1934) und ein Teil des Gebäudes weiterhin durch den Verband der Krankenkassen genutzt. In einem anderen Teil befand sich seit 1942 das Diagnostisches Zentralinstitut und seit 1943 die Diabetes-Zentrale des Verbandes der Berliner Ortskrankenkassen. Zeitweilig belegte auch die Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude einige Räume in dem Gebäude.

Nach der Instandsetzung des Gebäudes nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nutzte unter anderem der Magistrat der Stadt Berlin das Haus. Neben verschiedenen Dienststellen des Magistrats wurden einige soziale und medizinische Versorgungseinrichtungen der Sozialversicherung untergebracht. 1948 schlossen sich Ärzte mehrerer medizinischer Fachrichtungen, u. a. Allgemeinmediziner, Internisten, Augen-, Haut- und HNO-Ärzte sowie Gynäkologen und Kinderärzte zusammen und gründeten hier die erste Poliklinik Berlins zur ärztlichen Versorgung der dicht bewohnten Bezirke Mitte, Friedrichshain und Wedding. Das Gebäude wurde wieder in Haus der Gesundheit umbenannt.

Im September 1948 wurde im Haus von der Versicherungsanstalt Berlin eine Beratungsstelle für Frauen und Mädchen in Ehe- und Sexualangelegenheiten und Fragen der Geburtenregelung eingerichtet. Ein Jahr später eröffnete in der fünften Etage eine der ersten psychosozialen Beratungsstellen Berlins. Im Jahr 1956 übernahm der Magistrat von Berlin das Haus der Gesundheit von der Sozialversicherung und wurde 1958 organisatorisch dem Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte unterstellt. Durch die Fusion der psychotherapeutische Abteilung mit weiteren Einrichtungen in Berlin entstand im Januar 1980 am Haus das Institut für Psychotherapie und Neurosenforschung (IfPN), das die Entwicklung der ambulanten Psychiatrie- und Psychotherapie in Berlin (Ost) maßgeblich koordiniert hat.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung verlor die psychotherapeutische Abteilung am Haus der Gesundheit ihre führende Stellung in der therapeutischen Versorgung der Berliner Bevölkerung. 1992 wurde die Forschung am Institut eingestellt und vier Jahre später die Abteilung endgültig privatisiert.

Das Haus der Gesundheit wurde von der AOK Berlin übernommen. Die interdisziplinäre Poliklinik mit angeschlossener Apotheke gehörte zu den wenigen derartigen Einrichtungen in Berlin, die nach der politischen Wende nicht geschlossen wurde. Die AOK nutzte das Haus auch als Büro- und Verwaltungsgebäude. In den über 20 Arztpraxen wurden jährlich bis zu 70.000 Patienten behandelt.

Im Jahr 2016 wurde das Gebäude mit einer Nutzfläche von 5000 Quadratmetern von der AOK Nordost, begleitet durch zahlreiche öffentliche Proteste, an die Münchener Investorengruppe Augustus Capital Management GmbH verkauft, die alle Mietverträge zum Juni 2020 gekündigt hat. Ein neues Nutzungskonzept für das Gebäude wurde der Öffentlichkeit noch nicht vorgestellt.

Literatur

  • Wolfgang Kruska: Geschichte der psychotherapeutischen Abteilung des Hauses der Gesundheit. In: Psychotherapieberichte, Berlin 1979
  • Helga Hess: Psychotherapeutische Forschung im Haus der Gesundheit. In: Michael Geyer (Hrsg.): Psychotherapie in Ostdeutschland - Geschichte und Geschichten 1945–1995. Göttingen 2011
Commons: Haus der Gesundheit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Landesdenkmalamt Berlin: Haus der Gesundheit, Objektnr. 09080428. Abgerufen am 18. März 2020.
  2. Oscar Garbe : Baugeschäft Frankfurter Allee. Balczus, Berlin 1930, S. 9.
  3. Landesdenkmalamt Berlin: Haus Brandt. Abgerufen am 19. März 2020.
  4. 1 2 Haus am Zentrum. In: Berliner Architekturwelt. Band 17. Berlin 1915, S. 1821.
  5. Joachim Schulz; Werner Gräbner: Berlin. Architektur von Pankow bis Köpenick. 1. Auflage. Verlag für Bauwesen, Berlin 1987, ISBN 3-345-00145-4, S. 58.
  6. Kinos ins Berlin. Abgerufen am 19. März 2020.
  7. Handbuch des öffentlichen Lebens: Staat, Politik, Wirtschaft, Verkehr, Kirche, Presse: Hauptfürsorgestelle für Kriegshinterbliebene. Hrsg.: Maximilian Müller-Jabusch. K. F. Koehler, Berlin 1925, S. 158.
  8. Susanne Müller & Bernd Köppl: Von der Poliklinik zum Medizinischen Versorgungszentrum. In: Bundesverband Medizinische Versorgungszentren (Hrsg.): BMVZ-Heft. Nr. 1. Berlin, S. 5.
  9. Datenbank Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945. Abgerufen am 19. März 2020.
  10. Urte Verlohren: Krankenhäuser in Groß-Berlin: Die Entwicklung der Berliner Krankenhauslandschaft zwischen 1920 und 1939. be.bra wissenschaft Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-947686-26-1, S. 246.
  11. Rebecca Schwoch: Jüdische Ärzte als Krankenbehandler in Berlin zwischen 1938 und 1945. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-86321-472-2, S. 152.
  12. 1 2 Claudia Abu Zahra: Die ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in der DDR am Beispiel der Hauptstadt Ostberlin. Auswirkungen der Psychiatriereform der 1960er Jahre. In: Dissertation Medizinische Fakultät der Charité. Berlin 2015, S. 52.
  13. Claudia Abu Zahra: Die ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in der DDR am Beispiel der Hauptstadt Ostberlin. Auswirkungen der Psychiatriereform der 1960er Jahre. In: Dissertation Medizinische Fakultät der Charité. Berlin 2015, S. 69.
  14. 1 2 Claudia Abu Zahra: Die ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in der DDR am Beispiel der Hauptstadt Ostberlin. Auswirkungen der Psychiatriereform der 1960er Jahre. In: Dissertation Medizinische Fakultät der Charité. Berlin 2015, S. 70.
  15. Streit um das "Haus der Gesundheit". Abgerufen am 19. März 2020.
  16. Berliner Zeitung: Haus der Gesundheit in Berlin-Mitte soll für 20 Millionen Euro verkauft werden. Abgerufen am 19. März 2020 (deutsch).
  17. Penthouse statt Ärztehaus?: Samwer-Brüder kündigen Praxen im Haus der Gesundheit. Abgerufen am 19. März 2020.

Koordinaten: 52° 31′ 20,2″ N, 13° 25′ 8″ O

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