In der Mathematik sind Heegaard-Zerlegungen ein wichtiges Hilfsmittel der 3-dimensionalen Topologie. Sie sind nach dem dänischen Mathematiker Poul Heegaard benannt.

Definition

Eine Heegaard-Zerlegung einer geschlossenen 3-dimensionalen Mannigfaltigkeit besteht aus zwei Henkelkörpern und und einem Homöomorphismus , so dass aus und durch Verkleben mittels entsteht, d. h., man hat einen Homöomorphismus

für die durch

gegebene Relation.

Das Geschlecht der Flächen heißt das Geschlecht der Heegaard-Zerlegung. Die in eingebettete Fläche heißt Heegaard-Fläche der Heegaard-Zerlegung.

Das Heegaard-Geschlecht ist das Minimum des Geschlechts über alle Heegaard-Zerlegungen von . Die Heegaard-Euler-Charakteristik ist das Negative des Maximums der Euler-Charakteristik über alle Heegaard-Flächen, also .

Der Heegaard-Gradient von ist das Infimum über alle endlichen Überlagerungen von , wobei den Grad der Überlagerung bezeichnet.

Existenz

Aus der Morse-Theorie folgt, dass jede geschlossene orientierbare 3-Mannigfaltigkeit eine Heegaard-Zerlegung besitzt. Alternativ ergibt sich die Existenz von Heegaard-Zerlegungen auch aus der Triangulierbarkeit von 3-Mannigfaltigkeiten, man kann die Umgebung des 1-Skeletts einer Triangulierung als Henkelkörper wählen, sein Komplement ist dann als Umgebung des 1-Skeletts der dualen Triangulierung ebenfalls ein Henkelkörper.

Beispiele

  • Standard-Heegaard-Zerlegung der 3-Sphäre: Seien Henkelkörper vom Geschlecht (d. h. Vollkugeln) und , dann ist .
  • Seien Henkelkörper vom Geschlecht (d. h. Volltori) und , dann ist .
  • Geschlecht-1-Heegaard-Zerlegung der 3-Sphäre: Seien Henkelkörper vom Geschlecht und bilde die Longitude auf den Meridian und den Meridian auf die Longitude ab, dann ist .
  • Standard-Heegaard-Zerlegung der Linsenräume: Seien Henkelkörper vom Geschlecht und sei durch eine beliebige Matrix gegeben, dann ist ein Linsenraum.
  • Heegaard-Zerlegung von Flächenbündeln: Jedes Flächenbündel mit einer Faser vom Geschlecht hat eine Heegaard-Zerlegung vom Geschlecht . Insbesondere ist der Heegaard-Gradient eines Flächenbündels . Weil nach dem Satz von Agol jede 3-Mannigfaltigkeit von einem Flächenbündel endlich überlagert wird, ist damit der Heegaard-Gradient stets trivial.

Stabilisierungen, Reduzibilität, Irreduzibilität

Aus einer Heegaard-Zerlegung einer Mannigfaltigkeit kann man durch Stabilisierung (Ankleben zusätzlicher Henkel, für die jeweils Longituden auf Meridiane und Meridiane auf Longituden abgebildet werden) weitere Heegard-Zerlegungen derselben 3-Mannigfaltigkeit mit Heegaard-Flächen höheren Geschlechts erhalten. Diese durch Stabilisierung erhaltenen Heegaard-Zerlegungen sind reduzibel, d. h., es gibt in der Heegaard-Fläche eine geschlossene Kurve, die in beiden Henkelkörpern (aber nicht in der Heegaard-Fläche) eine Kreisscheibe berandet. Eine Heegaard-Zerlegung heißt irreduzibel, wenn es keine solche Kurve gibt. Das Lemma von Haken besagt, dass Heegaard-Zerlegungen einer reduziblen 3-Mannigfaltigkeit immer reduzibel sind.

Eine Heegaard-Zerlegung heißt schwach reduzibel, wenn es in der Heegaard-Fläche zwei disjunkte (nicht null-homotope) geschlossene Kurven gibt, die Kreisscheiben in unterschiedlichen Henkelkörpern der Heegaard-Zerlegung beranden. Andernfalls heißt die Heegaard-Zerlegung stark irreduzibel. Casson und Gordon bewiesen 1987, dass alle irreduziblen Heegaard-Zerlegungen stark irreduzibel sind.

Mannigfaltigkeiten mit Rand

Für eine 3-Mannigfaltigkeit mit Rand definiert man Heegaard-Zerlegungen analog als Zerlegungen in zwei Kompressionskörper mit .

Eine verallgemeinerte Heegaard-Zerlegung von ist eine Zerlegung in (nicht notwendig zusammenhängende) Kompressionskörper und Flächen mit und . Die Vereinigung der Kompressionskörper muss ganz sein und ihre inneren Kerne sollen disjunkt sein.

Literatur

  • Saveliev, Nikolai: Lectures on the topology of 3-manifolds. An introduction to the Casson invariant. Second revised edition. de Gruyter Textbook. Walter de Gruyter & Co., Berlin, 2012. ISBN 978-3-11-025035-0

Einzelnachweise

  1. P.Heegaard: Forstudier til en topologisk teori for de algebraiske fladers sammenhaeng, Dissertation, Kopenhagen 1898.
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