Heile, heile Gänsje („Heile, heile Gänschen“) ist ein Fastnachtslied, dessen Melodie und Strophen für die Mainzer Fastnacht 1929 von Martin Mundo (1882–1941) und Robert Wasserburg (1877–1953) verfasst und von Martin Mundo erstmals vorgetragen wurde. Als Refrain des Liedes fungiert ein älterer Kinderreim. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der nahezu völligen Zerstörung der Stadt Mainz wurde es von Ernst Neger (1909–1989) mit zwei zusätzlichen Strophen, die von Georg Zimmer-Emden (* 26. Januar 1890) im Jahr 1952 gedichtet wurden, neu interpretiert.

Unter den „111 größten Fastnachtshits“, die das SWR Fernsehen zusammen mit SWR4 in der Fastnachtssaison 2009 zur Auswahl stellte, landete der Titel auf dem ersten Platz.

Geschichte

Grundlage des Liedes ist eine Variante eines Kinderreims, der von Müttern nach einer schmerzhaften Verletzung kleiner Kinder in tröstender Art und Weise aufgesagt wurde. Er ist seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen regionalen Varianten überliefert. Varianten mit dem Textanfang „Heile heile Gänschen“ sind aus dem Raum Aschaffenburg sowie aus Steinmark in Mainfranken überliefert. Der Refrain des Liedes, der mit dem nicht mehr zu datierenden, aber seit wenigstens 1894 nachgewiesenen Kindervers weitgehend übereinstimmt, lautet:

Heile, heile Gänsje
Es is bald widder gut,
Es Kätzje hat e Schwänzje
Es is bald widder gut,
Heile heile Mausespeck
In hunnerd Jahr is alles weg.

Der für die Mainzer Fastnacht hoch bedeutende Martin Mundo trug das Lied 1929 zum ersten Mal während einer Narrensitzung vor. Schon damals versah er es in einem da capo mit einer Kritik an der damaligen französischen Besatzung.

Im Jahre 1952 wurde eine Vertonung auch einem größeren Publikum bekannt, als Ernst Neger es während einer Fastnachtsveranstaltung, mit den zwei von Georg Zimmer-Emden dazugedichteten Strophen über das im Krieg durch Luftangriffe zerstörte Mainz, unter dem Beifall und den Tränen des Publikums sang:

Wär ich einmal der Herrgott heut, dann wüsste ich nur eens:
Ich nähm’ in meine Arme weit mein arm’ zertrümmert’ Meenz.
Und streichel es ganz sanft und lind und sag’ „Hab’ nur Geduld!
Ich bau Dich widder auf geschwind! Ja, Du warst doch gar net schuld.
Ich mach dich widder wunnerschee,
Du kannst, Du derfst net unnergehn … Heile, Heile, Gänsje …“

Wenn ich mir so mei Meenz betracht, dann denk ich in mei’m Sinn:
Mer hat’s mit Meenz genau gemacht wie mit der Stadt Berlin.
Man hat’s zerstört, hat’s zweigeteilt. Und trotzdem hab ich Mut,
zu glaawe, des des alles heilt. Aach des werd widder gut.
Meenz und Berlin, Ihr seid so schön.
Ihr könnt, Ihr derft net unnergeh’n … Heile, Heile, Gänsje …

In der Folgezeit, bis in die 1970er Jahre hinein, musste Neger es nicht nur immer vortragen, es wurde auch bundesweit zu einem geflügelten Wort.

Adaptation

1973

Roy Black sang „Heile, heile Gänsje“ im Film Alter Kahn und junge Liebe von 1973.

2008

Am 15. Dezember 2007 wurde im etwa 12 km südlich von Mainz gelegenen Bodenheim der historische Molsberger Hof durch einen Brand fast völlig zerstört. Am aufgestellten Baugerüst wurde eine riesige Plane mit dem Liedtext von 1952 abgedruckt. Des Weiteren befand sich vor dem Bauzaun eine Klingel, nach deren Betätigung das Lied in der von Ernst Neger gesungenen Version erklang.

2009

2009 erschien zum 100. Geburtstag von Ernst Neger als Reminiszenz des auf Platz 1 gewählten Lieds „Heile Heile Gänsje“ passend eine Spieluhr mit Melodie in Form einer Stoff-Gans mit Narrenkappe und Pflaster am Flügel.

2020

Mitte April haben Fans des 1. FSV Mainz 05 im Zuge der COVID-19-Pandemie eine Solidaritätsaktion ins Leben gerufen, bei der sie drei wohltätige Organisationen finanziell unterstützen wollen. Im Rahmen der Aktion werden T-Shirts, Jutebeutel und Aufkleber mit dem Spruch „Heile Heile Gänsje, es is bald widder gut“ und einer Gans produziert und verkauft. Die Erlöse sollen zu 100 % an Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., Kochen für Helden Mainz und Ärzte ohne Grenzen fließen. Zudem wurde am 11. April 2020 an der Brüstung des Staatstheaters Mainz ein Banner mit der Aufschrift „Heile Heile Gänsje, es ist bald widder gut“ angebracht, am 13. April 2020 folgten in der Stadt verteilt zahlreiche Plakate. Die Fans wählten genau diesen Spruch, da die Liedzeile nahezu jedem Mainzer bekannt sei und diese den Einwohnern der Stadt Mut zusprechen solle. Da das Lied, die Fastnacht und der örtliche Fußballverein eng verknüpft seien, liege diese Adaption nahe.

Einzelnachweise

  1. April 1930.: Musikalisch-literarischer Monatsbericht neuer Musikalien, musikalischer Schriften und Abbildungen / (Hofmeisters) Musikalisch-literarischer Monatsbericht über neue Musikalien, musikalische Schriften und Abbildungen / Hofmeisters Musikalisch-literarischer Monatsbericht. Verzeichnis sämtlicher Musikalien, Musikbücher, Zeitschriften, Abbildungen und plastischen Darstellungen, die in Deutschland und in den deutschsprachigen Ländern erschienen sind / Deutsche Musikbibliographie (Fortsetzung von Hofmeisters Musikalisch-literarischem Monatsbericht), Jahrgang 1930, S. 100 (online bei ANNO).
  2. Georg Zimmer-Emden. In: https://de.schott-music.com/. Schott Music GmbH & Co. KG, abgerufen am 13. Februar 2021.
  3. Eva Reuter: Heile, heile Gänsje. In: Katholisches Dekanat Mainz-Stadt. 12. Februar 2021, abgerufen am 25. März 2021.
  4. „Heile, heile Gänsje“ lässt alle hinter sich auf swr.de, abgerufen 20. Februar 2009
  5. Platz 1 von 111: Heile, Heile Gänsje auf swr.de, abgerufen 20. Februar 2009
  6. Karl Simrock: Das deutsche Kinderbuch. Brönner, Frankfurt am Main 1848, S. 10 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  7. Franz Magnus Böhme: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel: Volksüberlieferungen aus allen Landen deutscher Zunge. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1897, S. 58 f. (Digitalisat).
  8. Theo Mang, Sunhilt Mang (Hrsg.): Der Liederquell. Noetzel, Wilhelmshaven 2007, ISBN 978-3-7959-0850-8, S. 740.
  9. Heile Heile Segen, volksliederarchiv.de, abgerufen am 27. Dezember 2015
  10. 1 2 Anton Englert: Zu dem Spruche „Heile, heile Segen“. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 8 (1894), S. 118–122, hier S. 120 (Digitalisat).
  11. S. Hetzel: Wie der Deutsche spricht. Phraseologie der volkstümlichen Sprache. Grunow, Leipzig 1896, S. 135 (Digitalisat).
  12. Oskar Weise: Ästhetik der deutschen Sprache. B.G. Teubner, Leipzig 1903, S. 266 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Hessische Blätter für Volkskunde Band 6 (1907), S. VI (Digitalisat).
  14. Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Kinderlieder. 235 alte und neue Lieder: Kulturgeschichte – Noten – Texte. Atlantis-Schott, Mainz 1997/2010, ISBN 978-3-254-08370-8, S. 67–69.
  15. Bernd Funke: Zwischen Gänsje und Rucki-Zucki. In: Rhein-Main-Presse 13. Januar 2009, S. 8 (online (Memento des Originals vom 3. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.; PDF; 351 kB).
  16. Der Text „[…] hat’s zweigeteilt.“ nimmt Bezug auf die Abtrennung der rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim vom Mainzer Stadtgebiet durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen. Mainz wurde der französischen Besatzungszone, die erwähnten Stadtteile der amerikanischen Besatzungszone und damit verwaltungstechnisch der Stadt Wiesbaden zugeschlagen.
  17. Wiederaufbau im Geiste Ernst Negers. In: Rhein Main Presse (Allgemeine Zeitung), 19. Juli 2008
  18. Spieluhr „Heile Gänsje Ganz“ anlässlich des 100. Geburtstags von Ernst Neger, WIRTH Mainz, Stand: 23. April 2012
  19. Julia Sloboda: 05-Fans verkaufen Heile-Gänsje-Produkte für guten Zweck. Allgemeine Zeitung, 15. April 2020, abgerufen am 15. April 2020.
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