Helmut von Hummel (* 29. Juli 1910 in Worms als Helmut Hummel Edler von Hassenfels; † 22. November 2012 in Baldham) war ein deutscher Jurist, SS-Sturmbannführer und Manager. Er wurde im Oktober 1942 Privatsekretär Martin Bormanns und war auch dessen persönlicher Referent für Sonderprojekte. Er spielte eine Schlüsselrolle beim „Sonderauftrag Linz“.

Biografie

Herkunft, Jugend und Studium

Helmut von Hummel war der Sohn des in Frankfurt am Main tätigen Bankdirektors Carl Friedrich von Hummel (1878–1914, eigentlich Karl Friedrich Hummel Edler von Hassenfels) und dessen Ehefrau Elisabeth, geborene Koehl (1889–1972), einer Tochter des Wormser Archäologen und Mediziners Karl Koehl. Väterlicherseits war er ein Enkel des 1892 von Kaiser Franz Joseph I. geadelten und 1900 mit dem Charakter eines Generalmajors pensionierten österreich-ungarischen Berufsoffiziers Bartolomäus Rudolf Hummel Edler von Hassenfels (1841–1927). Der Vater fiel bereits im November 1914 als Oberleutnant des österreich-ungarischen Heeres im Ersten Weltkrieg und Helmut wuchs vaterlos auf. Seine Schullaufbahn beendete er 1928 mit dem Abitur am Humanistischen Gymnasium in Worms. Anschließend absolvierte er ein Studium der Staats- und Rechtswissenschaften an den Universitäten Marburg, Wien, Frankfurt am Main und Gießen. Nach der juristischen Fakultätsprüfung im Dezember 1932 folgte sein Rechtsreferendariat. Hummel wurde 1935 an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit der Arbeit Die Treue im Arbeitsrecht zum Dr. jur. promoviert.

Zeit des Nationalsozialismus

Hummel trat 1931 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 763.424). Ab 1938 war er als Regierungsassessor im Reichswirtschaftsministerium tätig. Hummel wurde im Oktober 1942 Privatsekretär von Martin Bormann mit dem Titel „Ministerialrat und Persönlicher Referent des Reichsleiters Bormann“. Er war sein persönlicher Vertreter bei der Beschlagnahmung von Kunst; dabei war er einer von drei Sachverständigen. Von Hummel spielte eine Schlüsselrolle im „Sonderauftrag Linz“, bei dem ein Museum in Linz aus geraubter Kunst zusammengestellt werden sollte. Von Hummel hatte sowohl ein Büro im Führerbau in München als auch eines in Berchtesgaden. Bormann organisierte über Hummel Kontakt mit Hans Posse und Hermann Voss, den Beauftragten des Sonderauftrags Linz, was zu regem Schriftwechsel führte. Hummel befürwortete dabei mit Bormann die Lagerung der Kunstwerke in den Salzbergwerken. Dies führte zu einem Konflikt mit Robert Scholz, der bemängelte, die Feuchtigkeit und Kälte beschädigten die Kunstwerke. Schließlich stellte sich Hitler auf die Seite von Bormann und von Hummel.

Innerhalb der Schutzstaffel (Mitgliedsnummer 314.949) stieg von Hummel im April 1943 zum SS-Sturmbannführer auf. Im Juni 1943 schlug der französische Vichy-Präsident Pierre Laval vor, Gemälde aus Deutschland an Frankreich zu übergeben, als Gegenleistung für seine Zustimmung, den Verkauf der gesamten Schlosssammlung oder eines Teils davon an den „Sonderauftrag Linz“ zu genehmigen. Seine Anfrage leitete Hummel an Bormann weiter. Ebenfalls 1943 schrieb Hummel, dass die erfolgten Luftschutzmaßnahmen zum Schutz der Kunstwerke in Hohenfurth zufriedenstellend seien. Dabei hatte der für die Unterbringung der Kunstwerke zuständige Kunsthistoriker Gottfried Reimer von Hummel bei etwaigen Missständen umgehend zu informieren.

Im April 1945 war Hummel Bormanns Vertreter auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden. Dabei erhielt er am 22. April 1945 um 9.21 Uhr einen Funkspruch von Bormann, der die Akten der NSDAP in die Alpenfestung überführen wollte, um sie so vor den vorrückenden Amerikanern zu schützen: „Bin mit vorgeschlagener Übersee-Südverlagerung einverstanden Reichsleiter Bormann“. Hummel erhielt von Bormann in den letzten Kriegstagen den Befehl, dessen Familie nach Südtirol zu bringen, und kümmerte sich darum, dass sich Gerda Bormann mit ihren Kindern in Österreich verstecken konnte. Bormann wollte die Kunstwerke für seine eigenen Zwecke nutzen, weshalb er, ebenfalls in den letzten Kriegstagen, Hummel schickte, um die für den „Sonderauftrag Linz“ gesammelten Goldmünzen abzuholen. Insgesamt nahm er wohl 2200 Münzen mit, von denen heute 461 fehlen.

Nachkriegszeit

Hummel versteckte sich nach Kriegsende zeitweilig in einem Kloster bei Salzburg und wurde 1946 festgenommen. Nach eigener Darstellung in seinen Memoiren fand ein Spruchkammerverfahren in der britischen Zone vor einem deutschen Spruchgericht in Recklinghausen statt (Az. 7Sp Ls 321/47), das am 16. Februar 1948 ein Urteil fällte, in dem entlastend auf seinen angeblichen Einsatz zur Rettung der in einem Salzbergwerk bei Altaussee eingelagerten Kunstschätze vor ihrer Vernichtung kurz vor Kriegsende verwiesen wurde. Später war Hummel als Rechtsanwalt in München tätig und erlangte durch Reaktivierung seiner Verbindungen in die Schweiz die geschäftliche Leitung der Anfang der 1950er Jahre gegründeten deutschen Sektion der Schweizer Mineralölhandelsorganisation Avia, für deren deutsche Gesellschaften er 30 Jahre lang unter anderem als Geschäftsführer, Vorstand, Vorstandsvorsitzender sowie Leiter des Aufsichtsrats wirkte. Nach seinem Ausscheiden 1984 wurde er zum Ehrenpräsidenten des Unternehmens ernannt.

Hummel starb im Alter von 102 Jahren in Baldham. Sein Sohn Günter von Hummel hat persönliche Lebenserinnerungen seines Vaters nach dessen Tod vermischt mit eigenen Kommentierungen und psychoanalytischen Deutungen im Wege des Selfpublishing veröffentlicht.

Einzelnachweise

  1. Peter Hoffmann: Widerstand, Staatsstreich, Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler. 4., neu überarbeitete und ergänzte Ausgabe, Piper, München 1985, ISBN 3-492-00718-X, S. 929.
  2. 1 2 3 Lebenslauf in der Dissertation Die Treue im Arbeitsrecht. Gießen 1935, S. 63.
  3. Hummel Edler von Hassenfels, Karl * 15.12.1878. Universitätsarchiv Tübingen, Signatur UAT 40/102,56.
  4. 1 2 Koehl, Karl. Hessische Biografie. (Stand: 12. April 2023). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  5. Günter von Hummel: Politik – Therapie. Begreifen, was man schon weiß: Wie Politik therapeutisch zu denken wäre. BoD, Norderstedt o. J. [2016, zuletzt 2021], S. 60.
  6. Antonio Schmidt-Brentano: Die k. k. bzw. k. u. k. Generalität 1816–1918. Österreichisches Staatsarchiv, Wien 2007, S. 77.
  7. Hummel von Hassenfels. In: Genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser Österreichs. Erster Jahrgang. Wien 1905, S. 320.
  8. Fritz Reuter: Wormser Historiker, Kunsthistoriker und Heimatforscher aus dem 19./20. Jahrhundert und ihre Grabstätten. In: Der Wormsgau, Band 19 (2000), Heft 3, S. 63–102; zu Hummel: S. 84.
  9. Günter von Hummel: Politik – Therapie. Begreifen, was man schon weiß: Wie Politik therapeutisch zu denken wäre. BoD, Norderstedt o. J. [2016, zuletzt 2021], S. 125.
  10. 1 2 Eintrag SS-Dienstaltersliste
  11. 1 2 Lisa Hauff (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. (Quellensammlung). Band 11: Deutsches Reich und Protektorat Böhmen und Mähren April 1943–1945. De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2020, ISBN 978-3-11-036499-6, S. 163, FN 3.
  12. 1 2 3 People: Helmut von Hummel | JDCRP Pilot Project. Abgerufen am 20. Juli 2023.
  13. Schriftverkehr mit dem Reichsleiter Martin Bormann: Korrespondenz des Sonderbeauftragten Hans Posse, und des Referenten für den Sonderauftrag Linz, Gottfried Reimers, mit dem Reichsleiter Martin Bormann bzw. dessen persönlichen Referenten Helmut von Hummel und MinDirigent Dr. Hanssen - Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 21. Juli 2023.
  14. Jonathan Petropoulos: Art as Politics in the Third Reich. University of North Carolina Press.
  15. Michael Buddrus [Hrsg.]: Mecklenburg im Zweiten Weltkrieg. Die Tagungen des Gauleiters Friedrich Hildebrandt mit den NS-Führungsgremien des Gaues Mecklenburg 1939–1945. Eine Edition der Sitzungsprotokolle. Edition Temmen, Bremen 2009, ISBN 978-3-8378-4000-1, S. 558.
  16. 1 2 Kathrin Iselt: „Sonderbeauftragter des Führers“ – Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884-1969). Böhlau, ISBN 978-3-412-20572-0.
  17. Die geheime Dienststelle Übersee. Abgerufen am 21. Juli 2023.
  18. Bormann, Martin. In: TracesOfWar.com. Abgerufen am 21. Juli 2023 (englisch).
  19. Jonathan Petropoulos: Art as Politics in the Third Reich. University of North Carolina Press.
  20. Axis History Forum - Dr. Helmut von Hummel.
  21. 1 2 Hansjakob Stehle: Martin Bormann im west-östlichen Zwielicht. In: Die Zeit, 6. Juni 1997.
  22. Günter von Hummel: Politik – Therapie. Begreifen, was man schon weiß: Wie Politik therapeutisch zu denken wäre. BoD, Norderstedt o. J. [2016, zuletzt 2021], S. 160.
  23. Julius Mader: Der Banditenschatz – Ein Dokumentarbericht über Hitlers geheimen Gold- und Waffenschatz. Deutscher Militärverlag, Ost-Berlin 1965, S. 250.
  24. Todesanzeige Helmut von Hummel in: Süddeutsche Zeitung. 3. Dezember 2012.
  25. Günther von Hummel: Politik – Therapie. Begreifen, was man schon weiß: Wie Politik therapeutisch zu denken wäre. BoD, Norderstedt o. J., S. 160 - 161.
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