Herman Bernhard Lundborg (* 7. April 1868 in Väse, Gemeinde Karlstad; † 9. Mai 1943 in Östhammar) war ein schwedischer Neurologe und Psychiater sowie Rassentheoretiker. Er war Gründer und Leiter des staatlichen Institutes für Rassenbiologie in Uppsala während der Jahre 1922 bis 1935.
Leben
Lundborg studierte ab 1887 an der Universität Stockholm. 1902 promovierte er an der Universität Lund und wurde 1903 Dozent für Psychiatrie und Neurologie an der Universität Uppsala, ab 1915 für Rassenbiologie und Medizinische Genetik. Nach ihm ist die Unverricht-Lundborg-Erkrankung mit benannt.
Rassenkunde, Eugenik und Antisemitismus
Herman Lundborg stand im Zentrum der schwedischen Rassenbiologie. Seine rassetheoretischen Ansichten folgten der Tradition der schwedischen folk-Ideologie, die sich im 19. Jahrhundert auch unter Einfluss von Arthur de Gobineau und Houston Stewart Chamberlain entwickelt hatte. Danach war das folk als reiner und homogener Rassekörper gesund zu halten, da Vermischung mit anderen Rassen zur Verschlechterung der Erbanlagen führe oder, in Lundborgs Worten, es sei „unabänderliche Wahrheit, daß ein erbgesundes Menschenmaterial das höchste Gut eines Volkes“ darstelle. Spezifisch „rasseuntaugliche Volksgruppen“ seien Samen ("Lappen"), Schwarze und Juden.
In Schweden setzte er sich für die Gründung eines staatlichen Instituts für Rassenbiologie und ein Gesetz für „eugenische Sterilisierungen“ ein. Nachdem er 1921 zum Professor und Leiter des neugegründeten Staatlichen Instituts für Rassenbiologie an der Universität Uppsala ernannt wurde, unternahm er zahlreiche Expeditionen nach Lappland und Finnland, wo er Schädel und andere Körpermerkmale maß und im Abgleich mit Daten aus Tauf- und Strafregistern Bestätigung seiner Rassentheorie suchte. Leider musste er erkennen, dass es die von ihm postulierten distinkten Bevölkerungsgruppen nicht gibt. Für eine Wanderausstellung zu „Schwedischen Volkstypen“ greift er 1919 darauf zurück, Studiofotos blonder Filmschauspieler unvorteilhaften Fotos aus der Polizeikartei gegenüberzustellen.
Nationalsozialismus
Zunehmend meinte Lundborg zu erkennen, dass „[...] unsere anscheinend so glänzende europäische Kultur [...] bedenklich zu entarten“ drohe. Da traf es sich gut, dass er bereits seit den 1910er-Jahren gute Kontakte zu einem Kreis deutschem Menschenmaterials unterhielt, der nach der Machtergreifung Hitlers nun führende Vertreter der Nationalsozialistischen Rassenhygiene stellte, darunter Ernst Rüdin, Fritz Lenz, Eugen Fischer und Alfred Ploetz. Zwar sah Lundborg auch in Deutschland eine Bedrohung durch einen großen Austausch, bei dem durch ein Absinken der Kindersterblichkeit im vermeintlichen „Bodensatz [von] Minderheiten“ bei gleichzeitiger Emanzipation gebildeter Frauen die „Rassenkraft ausgetilgt“ würde. Zugleich hätte aber „das deutsche Volk [...] die Gefahr des Kulturumsturzes eingesehen und [sei] gewillt, seinem rassenhygienisch gut unterrichtetem Führern zu folgen.“ Im Jahr 1934 wurde er zum Mitglied der Leopoldina berufen und im Folgejahr Mitherausgeber der von Egon von Eickstedt gegründeten Zeitschrift für Rassenkunde sowie der Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre von Günther Just und Karl Heinrich Bauer. Den Enthusiasmus für seine Idee einer „Wiederaufnordung“ honorierte er bei einem Berliner Vortrag 1935 durch Unterstützung nationalsozialistischer Gedanken zur „Judenfrage“:
„Wir wissen aus Erfahrung, daß die Juden [...] in jedem Land die gleichen auflösenden Kräfte in Bewegung setzen. Sie dulden nicht und können ihrer Natur zufolge nicht dulden, daß das andere Volk kerngesund erhalten wird[...]. Sie [sind] Todfeinde jeden nationalen Lebens außer ihrem eigenen. Sie vermögen nur die Schwächen anderer Völker zu erkennen und wissen diese nach Belieben auszunutzen. Niemals können sie mit den europäischen Völkern zusammenschmelzen; dies wäre auch durchaus nicht wünschenswert. Mir scheint zweckmäßig, daß sie aus dem europäischen Gesellschaftskörper völlig ausgesondert werden.“
Familie
Lundborg war zweimal verheiratet. Noch während seiner ersten Ehe brachte seine Assistentin Maria Isaakson zwei Kinder von ihm auf die Welt. Die Affäre mit seiner Mitarbeiterin, die auch Anschauungsobjekt in seinem Werk The Racial Characters of the Swedish Nation ist und laut diesem einer als minderwertig dargestellten „ostbaltischen Rasse“ angehörte, versuchte Lundborg zu vertuschen, in dem er die Meldeadresse Isaaksons vor der Geburt ändert.
Trivia
Lundborg kommt als Nebenfigur im Roman Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand von Jonas Jonasson und in dem darauf beruhenden Spielfilm vor. Lundborg selbst wird hier eher satirisch beschrieben. Die Hauptfigur des Romans wird in Lundborgs Klinik zwangssterilisiert, was jedoch in der für den Roman typischen ironischen Weise dargestellt wird.
Literatur
- Maja Hagerman: Herman Lundborg. Rätsel eines Rassenbiologen. Aus dem Schwedischen von Krister Hanne. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-8305-3986-5.(Verlagsinformationen online).
Weblinks
- Literatur von und über Herman Lundborg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Herman Lundborg. In: Theodor Westrin, Ruben Gustafsson Berg, Eugen Fahlstedt (Hrsg.): Nordisk familjebok konversationslexikon och realencyklopedi. 2. Auflage. Band 37: Supplement: L–Riksdag. Nordisk familjeboks förlag, Stockholm 1925, Sp. 322 (schwedisch, runeberg.org).
- Forum för levande historia: Rasbiologin i Sverige (Memento vom 8. Januar 2011 im Internet Archive) (PDF; 221 kB) (schwedisch)
Einzelnachweise
- 1 2 3 4 5 Herman Lundborg: Bevölkerungspolitische Richtlinien. In: Hans Harmsen, Franz Lohse (Hrsg.): Bevölkerungsfragen: Bericht des Internationalen Kongresses für Bevölkerungswissenschaft. J.F. Lehmann, 1936, S. 776 (google.com [abgerufen am 1. April 2022]).
- 1 2 Naturwissenschaftliche Rundschau. In: Maja Hagerman: Herman Lundborg – Rätsel eines Rassenbiologen. Abgerufen am 1. April 2022 (deutsch).
- ↑ Maja Hagerman: Herman Lundborg und Deutschland. 26. Oktober 2016, abgerufen am 1. April 2022.
- ↑ Mitgliedseintrag von Herman B. Lundborg bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 15. Februar 2016.