Hermias (altgriechisch Ἑρμίας Hermías; † wohl 341 v. Chr.) war Tyrann von Atarneus und Assos in Kleinasien seit etwa 350 v. Chr.
Hermias war ein bithynischer Eunuch und Sklave, dem sein Herr (und Freund) Eubulos die Städte Atarneus und Assos vermachte. Atarneus war eine antike Stadt in der kleinasiatischen Landschaft Aiolis, die gegenüber der Insel Lesbos nordöstlich des heutigen Dikili lag. Seine größte Bedeutung hatte Atarneus im 4. Jahrhundert v. Chr. als Residenzstadt des Hermias, der von hier das Gebiet zwischen Atarneus und Assos regierte. Hermias war anscheinend philosophisch interessiert und mit Aristoteles befreundet. Von 347 bis 345 v. Chr. lebte dieser als Gastfreund bei Hermias und heiratete nach dem Tod des Tyrannen dessen Nichte (oder Tochter) Pythias. Zugleich gründete er hier seine erste philosophische Schule.
Dem antiken Geographen und Geschichtsschreiber Strabon zufolge soll er in seiner Jugend auch an der Akademie des griechischen Philosophen Platon in Athen studiert haben. Es gibt jedoch einige Indizien dafür, dass es dabei um ein Missverständnis handelt, zumal die sonstigen antiken Quellen zu Platon und der Akademie die Schülerschaft des Hermias nicht erwähnen. Eine Rolle in diesem Zusammenhang spielt der Sechste Brief Platons, in dem dieser angibt, Hermias nicht persönlich zu kennen. Allerdings ist die Authentizität dieses Schriftstück ebenfalls umstritten; von einigen Forschern wird es für eine spätere Erfindung gehalten. Der Brief ist an Hermias selbst gerichtet; der zu dieser Zeit nahezu achtzigjährige Platon empfiehlt zwei ihm bekannte und befreundete Personen, Erastos und Koriskos, aus Skepsis (einem Ort nahe Atarneus) dem Tyrannen als treue Mitarbeiter.
Politisch schaffte es Hermias während seiner Herrschaftszeit, eine gewisse Unabhängigkeit von den Persern zu erlangen, die damals Kleinasien beherrschten. Um 341 v. Chr. gab Hermias Philipp II. von Makedonien heimlich einen Stützpunkt in Kleinasien. Der persische Großkönig Artaxerxes III. schickte daraufhin seinen Feldherrn Mentor von Rhodos nach Atarneus, dem es gelang, Hermias durch eine List gefangen zu nehmen. Er ließ Hermias in die persische Hauptstadt Susa überführen, wo er gefoltert (wahrscheinlich, um etwas über die Pläne des Makedonen-Herrschers zu erfahren) und schließlich hingerichtet wurde. Hermias letzte Worte sollen besagt haben, dass er nichts getan hätte, was der Philosophie unwürdig gewesen sei.
Nach dem Tod des Hermias widmete Aristoteles seinem Schwiegervater und Freund eine Statue in Delphi und dichtete eine Hymne an die Arete (personifizierte Vortrefflichkeit, Tugend) zum Gedenken an Hermias.
Literatur
- Tiziano Dorandi: Hermias d'Atarnée. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques. Band 3, CNRS Éditions, Paris 2000, ISBN 2-271-05748-5, S. 650–651.
- Paul Natorp: Hermias 11. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band VIII,1, Stuttgart 1912, Sp. 831 f.
- Kai Trampedach: Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik. (= Hermes Einzelschriften. Band 66). Franz Steiner, Stuttgart 1994, S. 66–78.
Einzelnachweise
- ↑ Strabon, Geographika 13,57
- ↑ Zu dieser Diskussion und der Historizität des Athen-Aufenthaltes des Hermias siehe etwa Willy Neumann, Jula Kerschensteiner: Platon: Briefe. Griechisch–deutsch (Tusculum-Bücherei). Ernst Heimeran, München 1967, S. 182 f.