Die Homosexuelle Aktion Westberlin (HAW) war die erste Organisation der Schwulen- und Lesbenbewegung.

Geschichte

Die HAW gründete sich am 15. August 1971. Dies geschah infolge der Aufführung des Filmes Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt bei den Berliner Filmfestspielen. Zu den rund 40 (ausschließlich männlichen) Gründungsmitgliedern zählten im Wesentlichen Studierende, die sich der sozialistischen Linken zugehörig fühlten, und teilweise Organisationen wie der SEW, der GIM oder der KPD/AO angehörten.

Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der HAW war der Kampf für die ersatzlose Streichung des § 175. Diese Thematik wurde in den Kontext eines allgemeineren Kampfes für die Überwindung von Patriarchat und Kapitalismus gestellt und es wurden zahlreiche entsprechende Demonstrationen durchgeführt. Von 1973 und 1975 organisierte die HAW ein jährliches Pfingsttreffen, zu dem schwule Gruppen aus anderen Städten eingeladen waren und bei dem mit Informationsständen und Demonstrationen für die Ziele der HAW geworben wurde.

Im Frühjahr 1972 konstituierte sich betrieben unter anderem durch Gisela Necker innerhalb der HAW eine Frauengruppe, aus der sowohl das Lesben-Frühlings-Treffen als auch 1975 das Lesbische Aktions-Zentrum Westberlin hervorgingen. Ungefähr ab Mitte 1977 verlor die HAW zusehends an Einfluss. Einer der Hauptgründe dafür waren Streitereien zwischen Angehörigen und Anhängern linker Organisationen einerseits und dem sog. „Feministen“-Flügel andererseits. Bereits zuvor kam es im Rahmen des so genannten Tuntenstreits zu Meinungsverschiedenheiten. Die HAW fungierte jedoch bis Mitte der 1990er Jahre als Organisatorin des Schwulenzentrums SchwuZ in der Kulmer Straße, später Hasenheide.

In den Jahren der West-Berliner Hausbesetzerbewegung gab es auch enge Kontakte und personelle Überschneidungen zum besetzten Tuntenhaus in der Bülowstraße 55.

Aus finanziellen Gründen wurde zur Vermeidung einer Überschuldung der Verein HAW e.V. am 25. August 1999 aus dem Vereinsregister gelöscht.

Daten

  • 15. August 1971: spontanes Treffen von ca. 50 Leuten im Kino „Arsenal“
  • 21. November 1971: Gründungstreffen im „Hand Drugstore“ mit Namensgebung „Homosexuelle Aktion Westberlin“. Am 21. November 2021 wurde im SchwuZ in der Rollbergstraße der 50. Jahrestag mit einem Festakt und Zeitzeugen begangen.
  • 1. April 1974: Einzug in die Kulmer Straße 20a (2. und 4. Etage) unter dem Namen „Zentrum für therapeutische Selbsthilfe“
  • 2. Juni 1976: Gründung des Vereins „Homosexuelle Aktion West-Berlin e.V.“, eingetragen im Vereinsregister am 20. August 1976.
  • Juni 1977: erstmalige Erwähnung des Namens „SchwuZ“, „SchwulenZentrum“ für die Vereinsräume der HAW
  • 31. Dezember 1986: Einzug in die Hasenheide 54 (4. Etage)
  • 18. Februar 1995: Einzug in den Mehringdamm 61 (KG)
  • 25. August 1999: Löschung der HAW e.V. aus dem Vereinsregister

Siehe auch

Literatur

  • Detlef Grumbach (Hrsg.): Die Linke und das Laster. Schwule Emanzipation und linke Vorurteile. Hamburg 1995, ISBN 3-928983-30-X.
  • Patrick Henze (Patsy l’Amour laLove): „Raus aus den Klappen – Rein in die Straßen!“ – Schwule Politiken in der Homosexuellen Aktion Westberlin von 1971 bis 1976. Abschlussarbeit Master of Arts an der Humboldt-Universität zu Berlin. Vorgelegt am 13. August 2012. Erhältlich in der Bibliothek des Schwulen Museums*.
  • Patrick Henze (Patsy l'Amour laLove): „Die lückenlose Kette zwischen Politik und Schwul-Sein aufzeigen“. Aktivismus und Debatten in der Homosexuellen Aktion Westberlin zwischen 1971 bis Juni 1973. In: Beate Binder: Geschlecht – Sexualität. Erkundungen in Feldern politischer Praxis. Berliner Blätter SH 62/2013. S. 13–27. ISBN 978-3-938714-27-0.
  • Andreas Pretzel, Volker Weiß (Hrsg.): Rosa Radikale. Die Schwulenbewegung der 1970er Jahre. Hamburg 2012, ISBN 978-3863001230.
  • Eike Stedefeldt: Schwule Macht. Oder: Die Emanzipation von der Emanzipation. Elefanten Press Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-88520-691-9.

Einzelnachweise

  1. Ebenfalls im November 2021 wurde der 50. Jahrestag der Gründung der ersten Münchner Homosexuellen-Organisation, der HAG/HAM, in einem Festakt mit Zeitzeugen am Gründungsort „Deutsche Eiche“ begangen.
  2. 1 2 Patsy l’Amour laLove im Interview mit Martin Reichert: „Begehren ist nicht rassistisch“. www.taz.de, 23. Juni 2018, abgerufen am 25. Juni 2018.
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