Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Bützow begann im 14. Jahrhundert. Nach 1945 kam keine neue Gemeinde mehr zustande.

Geschichte

Ansiedlung im 13. Jahrhundert

Vermutlich haben sich schon wenige Jahrzehnte nach der ersten urkundlichen Erwähnung Bützows im Jahre 1229 Juden hier aufgehalten. Für diese Annahme spricht, dass der damals regierende Bischof Herrmann I. (Graf von Schladen) den Ausbau des Stiftlandes energisch vorantrieb und jüdische Kaufleute und Geldgeber ihn möglicherweise dabei unterstützt haben. Ein weiterer Beleg dafür, dass sich Juden im späten Mittelalter in Bützow aufgehalten haben könnten, ist die Bezeichnung Judenstraße (Jödenstrat) und Judendamm.

Vertreibung im 15. Jahrhundert

Nach dem Sternberger Hostienschänderprozess 1492 begann auch in Bützow die systematische Vertreibung der Juden. Aus dieser Zeit ist kaum etwas aus der Bützower Geschichte bekannt.

Neue jüdische Gemeinde ab dem 18. Jahrhundert

Die ersten Hofjuden in Bützow waren die Rabbiner Jochen Gumpert und Nathan Hersch sowie der Petschierstecher Aaron Isaak. Sie und ihr Gefolge bildeten ab 1738 eine kleine jüdische Gemeinde, was in den meisten Landstädten erst einige Jahre später durch den Zuzug von Schutzjuden erfolgte. Die jüdische Neuansiedlung begann in Bützow früher als in anderen Mecklenburger Landstädten. Sophie Charlotte, Landgräfin zu Hessen, Witwe des Herzogs Friedrich Wilhelm ist die frühe Ansiedlung von Juden zu verdanken. Durch ihr Wirken entstand in Bützow schon eine Ansiedlung von Hugenotten und später dann auch Protestanten aus der Pfalz. Es waren wohl Personen mit besonderen Fähigkeiten, auf die Herzogin Sophie Charlotte Wert legte, sie bekamen auch einen Freibrief. Zwischen 1749 bis 1760 erhielten weitere 10 Juden in Bützow Privilegien.

1760 war die Bützower Gemeinde größer als die meisten in anderen Landgemeinden dieser Zeit. Der Religionsunterricht und die Gottesdienste fanden in Beträumen einer privaten Wohnung statt, seit 1761 regelmäßig im Hause eines Hugenotten. Später diente das Haus des Aaron Isaak als Zentrum für die Gottesdienste. Überall in Mecklenburg waren die Juden trotz ihrer Schutzbriefe nur Menschen zweiter Klasse. Sie durften ihren Lebensmittelpunkt innerhalb der Stadt nicht frei wählen. Belegt durch die städtische Anweisung von 1762 ist, dass die Bützower Juden sich in einer abgelegenen Straße im „fuulen Grund“ (Faule Grube) ansiedeln mussten, heute Mantzelstraße. Durch Chajim Friedbergs Einfluss war 1767 die Gemeinschaft so groß geworden, dass sie insgesamt zehn Gesandte aus Bützow als Vertreter zum Crivitzer Judenlandtag senden konnte.

Emanzipationsedikt vom 22. Februar 1813

Als die Bützower Juden am 17. September 1813 auf Grund des Emanzipationsedikt Familiennamen annahmen, erhielten sie nach dem Stadtprotokoll gleichzeitig das Bürgerrecht. Das betraf 25 Familien. Im Jahre 1814 zogen drei weitere jüdische Familien nach Bützow und erhielten das Bürgerrecht.

Deutsches Kaiserreich und Weimarer Republik

Im Jahr 1900 gab es nur noch 11 jüdische Familien in Bützow, die wegen ihrer Geschäfte geblieben waren. Es handelte sich hauptsächlich um ältere Bürger. Sie betrieben Getreide- und Manufakturwarenhandel sowie ein Lampen- und Klempnereigeschäft, ein Schuhgeschäft, einen Buchhandel und einen Laden für Lederwaren und Herrengarderobe.

1902 wurde die jüdische Gemeinde Wismar der Bützower Gemeinde angegliedert. Im April 1922 löste sich bedingt durch Abwanderung und Emigration auch die Bützower Gemeinde auf. Die verbliebenen Bützower Juden schlossen sich der Güstrower Gemeinde an.

Nationalsozialismus

1933 begannen auch in Bützow Repressalien des Nationalsozialismus gegen die noch ansässigen jüdische Einwohner. 1936 lebten in Bützow nur noch drei jüdische Familien. 1938 flüchtete eine Familie nach Palästina, so dass nur die Familien Horwitz und die des konvertierten Gustav Josephy blieben. Während der Novemberpogrome von 1938 wurde am 10. November 1938 das Wohnhaus der Familie Horwitz in der Langenstraße 40 (heute Nr. 42) von Schülern des Realgymnasiums mit Parolen beschmiert und mit Hetzplakaten versehen. Julius Horwitz kam am 12. November 1938 in „Schutzhaft“ nach Alt-Strelitz, wurde aber wieder entlassen. Gustav Josephy war bereits am 21. Juni 1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert worden. Josephy wanderte mit der Familie daraufhin nach Amsterdam aus. Er wurde vom Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz deportiert und kehrte nicht zurück. Nach der Pflicht zum Tragen des Judensterns ging Frau Horwitz überhaupt nicht mehr auf die Straße. Die Familie litt finanzielle Not, da das Vermögen durch das Deutsche Reich enteignet wurde. Frau Horwitz versuchte sich deshalb in der Warnow zu ertränken, wurde jedoch von einer Frau gerettet. Julius und Margarete Horwitz wurde am 11. November 1942 in Bützow abtransportiert, Frau Horwitz schrie dabei „Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, wird das alles gerächt werden!“, sie wurden dann nach Theresienstadt deportiert und starben dort als Opfer des Holocaust.

Opfer des Holocaust aus Bützow

Liste der in Bützow geborenen oder lebenden Opfer der Shoah:

Name Geburtsdatum Geburtsort Wohnort Deportiert Tod
Max Bragenheim27. Februar 1880BützowHannover11. Januar 1944 Theresienstadt / 28. Oktober 1944 AuschwitzIm KZ Auschwitz für tot erklärt
Käthe Cohn, geb. Ahrens 24. Mai 1892BützowHamburg8. November 1941 Hamburg – RigaIm Ghetto Minsk verschollen
Dr. Bruno Baruch Engel15. Juni 1886BützowBerlin3. Oktober 1942 Berlin – Theresienstadt30. März 1943 im KZ Theresienstadt
Max Engel18. April 1850BützowBerlin19. Juni 1942 Theresienstadt12. Juli 1943 im KZ Theresienstadt
Else Hirsch29. Juli 1889BützowBochum27. Januar 1942 Gelsenkirchen – Riga1943 im Ghetto Minsk ermordet
Julius Horwitz12. Mai 1865BützowBützow20. Novem.er 1942 Berlin – Theresienstadt26. Juli 1943 im KZ Theresienstadt
Margarete Horwitz, geb Frisch21. Februar 1870KönigsbergBützow20. November 1942 Berlin – Theresienstadt3. April 1943 im KZ Theresienstadt
Gustav Josephy31. Oktober 1895SchwaanBützowWesterbork – Auschwitz31. Januar 1944 im KZ Auschwitz
Gertrud Gitel Langstein, geb. Leopold21. September 1883BützowStettinStettin – GłuskIm Ghetto Glusk ermordet
Margarete Dorothea Liebmann, geb. Bragenheim2. August 1883BützowWiesbaden26. August 1942 Suizid
Alice Meyer2. August 1883BützowBerlin18. Oktober 1941 Berlin – Łódź17. März 1942 im Ghetto Litzmannstadt ermordet
Frida Sommerfeld, geb. Simonis2. Februar 1863BützowBerlin17. Dezember 1942 Berlin – Theresienstadt11. Februar 1943 im KZ Theresienstadt
Margarete Miriam Woitschach, geb. Leopold10. Juli 1882BützowHamburg6. Dezember 1941 Hamburg – Riga Im Lager Gut Jungfernhof ermordet

Bützower Gefängnisse

Nicht in direkter Verbindung zu der jüdischen Gemeinde Bützow stehen das Centralgefängnis und das Zuchthaus Dreibergen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die Anstalten auch genutzt, um sich politisch, „rassisch“ oder anderweitig unerwünschter Menschen zu entledigen. Unter den Verfolgten waren auch viele Personen jüdischer Abstammung. Der Anklagepunkt der nationalsozialistischen Gerichte war immer auf den Nürnberger Rassengesetzen begründete Rassenschande, wenn Menschen jüdischer Abstammung Beziehungen zu Partnern „artreinen Blutes“ hatten.

Engagement im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Rettung der jüdischen Familie Greiner

Irene Greiner geb. Kahn, die Tochter des jüdischen Musikprofessors Robert Kahn, war mit dem Nicht-Juden Martin Greiner verheiratet und lebten mit ihrem Sohn in Leipzig. Trotz sogenannter privilegierter Mischehe, wurde die Situation für sie gefährlich. Ende 1943 floh die schwangere Irene Greiner mit ihrem Sohn aus Leipzig. Fortan lebte sie bei der befreundeten Familie Fratscher/Gaedt in Bützow im Verborgenen. Als man ihr kurz vor Kriegsende 1945 schon fast auf die Spur gekommen war, vernichtete die Sekretärin des Bürgermeisters ein offizielles Schreiben, damit rettete sie der Familie das Leben.

Rettung jüdischer Jugendlicher aus Bochum

Der in Bützow geborenen Lehrerin Else Hirsch, ist es zu verdanken, dass viele jüdische Jugendliche aus Bochum den Holocaust überlebt haben.

Mahnmale

  • Gedenktafel Am Markt 6 für den 1944 in der Shoa umgekommenen jüdischen Bürger Gustav Josephy
  • Gedenktafel am Haus Langestraße 42 für das im KZ Theresienstadt umgekommene jüdische Ehepaar Julius und Margarete Horwitz.(Tafel nicht mehr am Gebäude)
  • Gedenkstein von 1986 auf dem ehem. jüdischen Friedhof zur Erinnerung an die Jüdische Gemeinde Bützow

Siehe auch

Literatur

  • Oluf Gerhard Tychsen: Bützowische Nebenstunden, verschiedenen zur Morgenländischen Gelehrsamkeit gehörigen mehrentheils ungedruckten Sachen gewidmet, Teil 1–6. Bützow und Rostock 1766 (uni-rostock.de).
  • Joachim Steinmann: Juden in Bützow-Manuskript. Bützow 1988.
  • Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer: Dokumentation eines jüdischen Familienverbandes aus Mecklenburg. Cardamina-Verlag, Plaidt, 2013.
  • Wolfgang Schmidtbauer: Die jüdische Gemeinde zu Bützow im ersten Jahrhundert des Bestehens. Manuskript.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 Joachim Steinmann: Juden in Bützow-Manuskript. Bützow 1988.
  2. 1 2 3 4 5 6 Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer: Ehemaliges jüdisches Leben in Bützow, Die Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz. Bützow 28. Mai 2016 (juden-in-mecklenburg.de).
  3. Oluf Gerhard Tychsen: Bützowische Nebenstunden, verschiedenen zur Morgenländischen Gelehrsamkeit gehörigen mehrentheils ungedruckten Sachen gewidmet, Teil 1-6. Bützow und Rostock 1766.
  4. 1 2 Wolfgang Schmidtbauer: Die jüdische Gemeinde zu Bützow im ersten Jahrhundert ihres Bestehens-Manuskript. Bützow 1991.
  5. United States Holocaust Memorial: Holocaust Survivors and Victims Database. (ushmm.org).
  6. Markus Göllnitz - Bützow: Gedenkstätte Gustav Josephy. In: Find a Grave. 2022 (findagrave.com).
  7. Markus Göllnitz - Bützow: Gedenkstätte Julius Israel Horwitz. In: Find a Grave. 2022 (findagrave.com).
  8. Markus Göllnitz - Bützow: Gedenkstätte Margarete Sara Horwitz, geb. Frisch. In: Find a Grave. 2022 (findagrave.com).
  9. Yad Vashem: Shoah Names Database - List of murdered Jews from Germany. 2023.
  10. The Terezín Memorial: Database of politically and racially persecuted persons. 2017.
  11. Arolsen Archives: Archiv über NS-Verfolgte. 2021.
  12. Daniela Collette: Else Hirsch. In: Fritz Bauer Bibliothek – Buxus Stiftung. 2023.
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