Jazz at Massey Hall
Livealbum von The Quintet

Veröffent-
lichung(en)

1953

Label(s) Debut Records / Fantasy Records

Format(e)

CD, LP

Genre(s)

Jazz

Titel (Anzahl)

6

Länge

36:54

Besetzung

Studio(s)

Massey Hall, Toronto

Jazz at Massey Hall ist ein Jazz-Album. Es enthält den Live-Auftritt einer All-Star-Formation („The Quintet“) am 15. Mai 1953 in der Massey Hall in Toronto.

Das Konzert

Anfang des Jahres 1953 beabsichtigten die Mitglieder der „New Jazz Society“ von Toronto, die ideale Bebop-Formation festzulegen. Die wählten die entsprechenden Musiker aus und fragten an, ob sie zu einem Konzert in die städtische Konzerthalle kommen würden. Die Musiker waren schließlich fünf der größten Namen in der damaligen Modern Jazz Szene: Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Bud Powell, Charles Mingus und Max Roach, wenngleich ursprünglich Oscar Pettiford als Bassist geplant war, für den aber Mingus einsprang, nachdem sich Pettiford zuvor den Arm gebrochen hatte. Die Besetzung mit Pettiford war auch die Traumbesetzung Gillespies, die er – ohne Erfolg – bereits ein Jahrzehnt zuvor hatte zusammenbringen wollen. Es war das einzige Mal, dass die fünf zusammen aufnahmen, und es war auch das letzte Zusammentreffen für eine Aufnahme von Parker und Gillespie. Parker spielte bei diesem Auftritt auf einem Plastik-Altsaxophon, das er sich in einem örtlichen Musikhaus ausleihen musste.

Das Konzert ging als The Greatest Jazz Concert Ever in die Annalen der Jazzgeschichte ein. Es spielte zunächst das Bud Powell Trio, dann das „Quintett des Jahres“ mit Parker und Gillespie, später noch eine Big Band aus lokalen Musikern. Die Bedingungen für das Konzert waren nicht günstig: Pianist Bud Powell war erst kurz zuvor nach einer langen Elektroschock-Behandlung aus einem Sanatorium entlassen worden und schon vor dem Konzert betrunken. Gleichzeitig mit dem Konzert lief der Box-Weltmeisterschaftskampf zwischen Rocky Marciano und Jersey Joe Walcott; und der Kartenvorverkauf war entsprechend schleppend verlaufen. Charles Mingus hatte dafür gesorgt, dass das Konzert (von der „New Jazz Society“) aufgenommen wurde; da aber die Basslinien des Original-Mitschnitts kaum zu hören waren, hat Mingus sie später im Overdub-Verfahren neu aufgenommen. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass die „New Jazz Society“ und die Musiker sich den Profit aus dem Konzert teilen würden. Jedoch war die Zuhörerschaft so gering, dass die Society nicht in der Lage war, Gagen zu zahlen. Das Ergebnis war, dass nur Mingus und Max Roach einige Gewinne (aus dem Plattenverkauf) schlagen konnten. Bud Powell, Bird und Dizzy Gillespie gingen möglicherweise leer aus.

Die Musik

Trotz seines zerrütteten Gesundheitszustandes war Parker bei diesem Konzert in guter Verfassung. Schon im ersten Stück, Perdido, spielt Parker nach dem in Latin-Rhythmen vorgestellten Thema ein völlig gelöstes Solo, dem man trotz des geliehenen Instruments keine Intonationsschwierigkeiten anmerkt; es kam – besonders in All the Things You Are zu einem wunderbaren Gedankenaustausch zwischen Parker und Bud Powell, der dem Altsaxophonisten mit kleinen Fingerzeigen, Spuren und breiten Pfaden auf seinen Mäanderwegen folgt. Im anschließenden Trompetensolo antwortet Gillespie auf ironische Weise mit Zitaten aus Ferde Grofés Gran Canyon Suite. Höhepunkt des Konzerts ist „Wee“, eine wahre Bebop-Explosion. Die Kontraste in der Spielweise könnten nicht größer sein; Parker wild, scheinbar unkontrolliert, unergründlich. Gillespie dagegen präzise, unangreifbar, überaus exakt.

Trotz der ungünstigen Ausgangsbedingungen spielten sich die beteiligten Musiker derartig in Fahrt, dass man während der zweiten Hälfte des Konzerts das Gefühl bekam, ein Konzentrat der Bebop-Ära zu erleben.

Editionsgeschichte

Wegen der außergewöhnlichen Qualität des mitgeschnittenen Musik wollte sie zunächst Norman Granz veröffentlichen; das Geschäft scheiterte jedoch an den utopischen Gagenforderungen Parkers. Die Aufnahmen erschienen dann 1955 auf zwei 10-Inch-Platten des kurzlebigen Jazzlabels Debut, das Mingus und Roach gehörte (DLP 2 bzw. DLP 4, 1956 dann als Deb-124 im 12-Zoll-Format). Nach dem Ende des Debut-Labels wurden die Aufnahmen von Fantasy Records 1963 als LP herausgegeben (Fantasy 0902083 (6003); in Europa waren sie über Musidisc/America erhältlich (AM 6053)). 1973 erschienen sie auch als Doppelalbum, gekoppelt mit den Aufnahmen des Bud Powell-Trios als The Greatest Jazz Concert Ever (Prestige 24024 bzw. 81103-2). 1983 erschien „Jazz at Massey Hall“ wieder als Fantasy-LP.

Inzwischen liegt Jazz at Massey Hall als Einzel-CD (OJC 044) vor, ebenso wie die Aufnahmen des Bud Powell-Trios (OJC-111 (Debut DLP 9)) als Jazz at Massey Hall, Vol. 2. Die Werkausgabe der Mingus-Jahre auf Debut, The Complete Debut Recordings 1951-58, enthält sowohl die Aufnahme des Konzerts (Bud Powell Trio / The Quintet) im ursprünglich aufgenommenen Zustand als auch mit den nachbearbeiteten Basslinien durch Mingus. Dort enthalten ist auch das 52nd Street Theme, mit dem die Gruppe den ersten Konzertteil beendete.

Diejenigen, die damals die Original-Debut-Schallplatten erwarben, werden sich gewundert haben, wer der dickliche Mann auf dem Cover war, der ein weißes Altsaxophon in seinen Händen hält, als wäre es ein Spielzeug. Auf dem Titel und in den damaligen liner notes wurde Charlie Parker als „Charlie Chan“ geführt, mit dem Hintergedanken, rechtliche Verwicklungen mit dem Mercury-Label zu vermeiden, bei dem Parker zum Zeitpunkt der Aufnahme unter Vertrag stand.

Ehrungen

Jazz at Massey Hall wurde 1995 in die Liste der Grammy Hall of Fame Award recipients aufgenommen

Die Titel

  1. Perdido (Tizol) 7:06
  2. Salt Peanuts (Gillespie / Clarke) 7:20
  3. All the Things You Are (Hammerstein / Kern) 7:39
  4. 52nd Street Theme (Monk) (0:58)
  5. Wee (Allen’s Alley) (Denzil) 6:34
  6. Hot House (Dameron) 8:53
  7. A Night in Tunisia (Gillespie / Paparelli) 7:15

[4] ist auf allen Einzel-Ausgaben nicht enthalten.

Literatur

  • Richard Cook, Brian Morton: The Penguin Guide to Jazz on CD. 6. Auflage. Penguin, London 2002, ISBN 0-14-051521-6.
  • Stephen Davis: liner notes zu The Quintet: The Greatest Jazz Concert Ever (Prestige / Metronome, 1973)
  • Geoffrey Haydon: Quintet of the Year, Aurum Press, London, 2002.
  • Ed Michel: liner notes zu Charles Mingus: The Complete Debut Recordings (Fantasy, 1951–57)
  • Mark Miller. Cool Blues: Charlie Parker in Canada 1953. London, Ontario: Nightwood Editions, 1989.
  • Ross Russell: Charlie Parker. München, Knaur, 1991
  • Peter Niklas Wilson und Ulfert Goeman: Charlie Parker _ Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Oreos, Schaftlach, 1988

Anmerkungen

  1. Dizzy Gillespie To be or not to bop (Autobiographie)
  2. Ross Russell berichtet in seiner Parker-Biographie, dass die alte Fehde zwischen den beiden Musikern wieder aufbrach: Charlie fungierte als Master of Ceremonies, sprach in einem gekünstelten britischen Akzent und stellte Dizzy als "meine bessere Hälfte" vor. Dizzy machte während des Konzertes seinem Spitznamen alle Ehre, blödelte ununterbrochen und verließ zwischendurch immer wieder die Bühne, um sich nach dem Fortgang des Boxkampfes zu erkundigen, den Marciano durch K.O. in der ersten Runde gewann, sehr zum Missvergnügen Gillespies.
  3. So der Untertitel der über das America-Label vertriebenen Ausgabe, der dann sogar der Titel der Prestige-Doppel-LP von 1973 wurde
  4. zit. nach Russell, S. 294. Er berichtet auch, dass Fans und Musiker in der Pause in ein gegenüberliegendes Lokal einkehrten und die Musiker von dem beunruhigten Manager wieder auf die Bühne getrieben werden mussten.
  5. Bei "All the Things You Are" hat er zudem sein Solo abgeändert
  6. Von den 2500 Sitzen der Massey Hall waren nur 700 besetzt; vgl. Russell, S. 293
  7. Horst Weber/Gerd Filtgen, Mingus. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten. Oreos, Gauting o. J., S. 84ff.
  8. zit. nach Peter Niklas Wilson und Ulfert Goeman, S. 168 f.
  9. Ralf Dombrowski: Basis-Diskothek Jazz (= Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 18372). Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-018372-3, S. 170.
  10. Russell berichtet, dass Parker 100.000 $ Tantiemenvorschuss forderte
  11. zit. nach Stephen Davis
  12. "Charlie Chan", gemeint ist die chinesische Detektivfigur Charlie Chan, war damals im Film populär und ist gleichzeitig eine Anspielung auf Chan, Parkers Frau. Hinzu kommt, dass in Toronto der Bebop als die bevorzugte Musik der "New Jazz Society" als Chinesenmusik abgeurteilt wurde; vgl. den Hinweis bei Stephen Davis über die Musikszene um die "New Jazz Society" in Toronto. Charlie Parkers Name erschien auch auf der Miles-Davis-Session am 30. Januar 1953 (The Serpent's Tooth-Session, dessen Titel später auf der Prestige-LP Collector's Items (PRLP 7044) erschienen) als "Charlie Chan".
  13. Grammy Hall of Fame Database
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