Jochen Schweizer (* 23. Juni 1957 in Ettlingen) ist ein deutscher Unternehmer. Er gründete die nach ihm benannte Unternehmensgruppe im individuellen Eventbereich. Schweizer war Extremsportler und gilt als Wegbereiter des Bungeespringens in Deutschland. Er wirkte als Stuntman an Kino- und Werbefilmen mit und erhielt einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Schweizer ist auch als Motivationsredner tätig.

Leben

Ausbildung und frühe Berufstätigkeit

Schweizer wuchs in Heidelberg auf. Seine Schulzeit beendete er mit der allgemeinen Hochschulreife am Willy-Hellpach-Wirtschaftsgymnasium Heidelberg. Schweizer absolvierte eine Ausbildung als Logistiker und war an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eingeschrieben. Im Auftrag einer internationalen Spedition führte er zunächst Transporte für die GTZ in Westafrika durch und wurde anschließend Geschäftsführer der Niederlassung in München. In den 1980er Jahren hatte Schweizer diverse Engagements als Stuntman. Nach seinen eigenen Angaben baute er sich während der Dreharbeiten zu Feuer, Eis & Dynamit sein erstes Bungee-Seil und sprang als erster Mensch von einer Staumauer 220 Meter in die Tiefe. In den folgenden Jahren stellte Schweizer mehrere Weltrekorde auf. Er erhielt einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde, weil er am 19. September 1997 bei einem Sprung aus einem Hubschrauber aus einer Höhe von 2500 Metern ein Bungee-Seil von 284 Metern verwendet hatte. Der Rekord bezog sich auf die Länge des Bungee-Seils, wenn es flach auf dem Boden liegt, da zuvor noch nie ein längeres Bungee-Seil verwendet wurde. Nach anderen Angaben betrug die Länge des Seils 380 Meter. Dabei handelte es sich um einen Stunt mit 150.000 DM Produktionsbudget.

Unternehmerische Tätigkeit

1985 gründete Schweizer die Event- und Werbeagentur Kajak Sports Productions mit Sitz in München, aus der später die Jochen Schweizer Unternehmensgruppe entstand. Das Unternehmen produzierte mehrere Funsport- und Actionsportfilme, etwa Family Mad, Over the Edge, Topolinaden und Verdon – Die Schlucht gestern und heute. Aufgrund des öffentlichen Interesses am Bungeespringen eröffnete das Unternehmen 1989 in Oberschleißheim die erste stationäre Anlage in Deutschland. Sie ist die älteste noch aktive Sprunganlage Europas. Es folgten weitere Anlagen in Deutschland und Österreich, zum Beispiel auch am Wiener Donauturm. In den folgenden Jahren dehnte das Unternehmen seine Tätigkeit auf weitere Geschäftsfelder aus: So nahm man beispielsweise das House-Running, Flying Fox XXL und den Base-Flyer ins Angebot auf. Mit der Show Vertical Catwalk war Schweizers Unternehmen international präsent. Zum Beispiel wurde eine Modenschau am Rockefeller Center in New York City durchgeführt.

2002, 2003 und 2009 ereigneten sich drei schwere Unfälle an den Bungeestationen des Unternehmens, bei denen ein Mensch starb und drei Menschen schwer verletzt wurden. Schweizers Unternehmen geriet 2003 in eine schwere Krise. Grund dafür war der tödliche Unfall am Florianturm in Dortmund. Das Seil eines Bungeespringers war gerissen. Schweizer äußerte sich bestürzt und ließ vorübergehend alle Anlagen des Unternehmens schließen. Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten konnte nicht festgestellt werden.

Außerdem erweiterte man aufgrund der Krise das Geschäftsmodell des Unternehmens und konzentrierte sich darauf, fortan mit „Erlebnissen“ zu handeln. Jochen Schweizer bot nach eigenen Angaben 2015 insgesamt 1.900 verschiedene „Erlebnisse“ an, beschäftigte in der Unternehmensgruppe 550 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 70 Millionen Euro jährlich. Das Unternehmen galt 2015 als Marktführer für Erlebnisgeschenke in Deutschland.

Neben der Tätigkeit als Geschäftsführer seiner Unternehmensgruppe ist Schweizer als Investor aktiv. In dieser Funktion war er von 2014 bis 2016 in der Sendung Die Höhle der Löwen auf VOX zu sehen, in der sich Jungunternehmer um Kapital bewerben. Jochen Schweizer Ventures ist an einigen Startups beteiligt.

Im Juni 2017 erwarb die ProSiebenSat.1 Media für 108 Mill. Euro eine Mehrheitsbeteiligung an der Jochen Schweizer GmbH, um diese mit Mydays unter dem Dach einer gemeinsamen Holding zusammenzuführen, an der Schweizer weiterhin mit 17 Millionen Euro beteiligt war. Andere Unternehmen der Gruppe hat Schweizer behalten. Im September 2017 zitierte das Manager Magazin aus einem kurz vor dem Verkauf erhaltenen anonymen Brief eines mutmaßlichen Mitbieters, dem zufolge die Kerngesellschaft Jochen Schweizer GmbH 2015 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 69 Millionen Euro ausgewiesen haben solle (was 60 % der Bilanzsumme entsprochen hätte). Jochen Schweizer erklärte dazu im Jahresabschluss 2015, „dass keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt, da enorme stille Reserven aus voraussichtlich nie zur Einlösung kommenden Gutscheinen und noch nicht realisierten Vermittlungsprovisionen aus künftigen Einlösungen in den erhaltenen Anzahlungen enthalten sind“.

Sonstiges

2010 veröffentlichte Schweizer unter dem Titel Warum Menschen fliegen können müssen eine Autobiografie. 2015 erschien mit Der perfekte Augenblick das zweite Buch des Autors.

Schweizer ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Filmografie

Darsteller

Stuntman

Buchveröffentlichungen

  • Warum Menschen fliegen können müssen. Riva, München 2010, ISBN 978-3-86883-082-8 (2014 als Hörbuch).
  • Der perfekte Augenblick. Gräfe und Unzer, München 2014, ISBN 978-3-8338-4539-0.
  • Die Begegnung. Eine Geschichte über den Weg zum selbstbestimmten Leben. Knaur Balance Verlag, München 2021, ISBN 978-3-426-67606-6.

Auszeichnungen

  • 2017: SignsAward
Commons: Jochen Schweizer GmbH – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. „Schenken ist völlig krisenunabhängig“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 25. Februar 2013, S. 25.
  2. Philipp Elsbrock: Fürchte dich nicht! In: Financial Times Deutschland. 29. Oktober 2010, S. 27.
  3. Jo Wüllner: German für Deutsche: Die 666 wichtigsten Wörter zum Überleben. Knaus, München 2013, ISBN 978-3-8135-0514-6 (unter „Thrill“).
  4. Die zehn extremsten Extremsportler der Welt. In: welt.de. 15. Oktober 2012, abgerufen am 8. September 2015.
  5. Kathrin Melliwa: Kein Prozess um tödlichen Bungee-Sprung in Dortmund gegen Jochen Schweizer. In: derwesten.de. 21. Januar 2011, abgerufen am 8. September 2015.
  6. Bis zum nächsten Festival müssen wir Jahre warten. In: Frankfurter Neue Presse. 14. Mai 2001.
  7. Menschen der Wirtschaft. In: WirtschaftsWoche. 17. November 2008, S. 22.
  8. Lars Kreye: Immer an der Wand lang – aber senkrecht. In: Die Welt, 10. Oktober 2007
  9. Erlebnisportal. In: Format. Nr. 48, 2014, S. 91 (Ressort: Kultur & Lifestyle).
  10. Jochen Schweizer: Warum Menschen fliegen können müssen. Riva Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86883-082-8, S. 11–12.
  11. Jochen Schweizer: Warum Menschen fliegen können müssen. Riva Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86883-082-8, S. 24.
  12. Karin Janker: Früh vollendet. In: Süddeutsche Zeitung. 10. Januar 2015, S. 65.
  13. Jochen Schweizer: Warum Menschen fliegen können müssen. Riva Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86883-082-8, S. 74, 109–112.
  14. Karin Janker: Vom Dressman zum Personaler. In: sueddeutsche.de. 14. Januar 2015, abgerufen am 8. September 2015.
  15. 1 2 3 4 Sabine Hoffmann: Was macht eigentlich? Jochen Schweizer. In: Stern. 3. August 2023, ISSN 0039-1239, S. 114.
  16. Diana Fröhlich: Das Kind im Mann. In: handelsblatt.com. 9. Oktober 2010, abgerufen am 8. September 2015.
  17. https://www.guinnessworldrecords.de/search/applicationrecordsearch?term=%22Jochen+Schweizer%22; abgerufen am 1. März 2023 (nur mit Anmeldung möglich).
  18. Elisabeth Neuhaus: „Ich sehe keinen Grund, mein Geld aus dem Fenster zu schmeißen“. In: gruenderszene.de. 15. Oktober 2014, abgerufen am 21. September 2015.
  19. Christian Scherl: Ablenkung vom stressgeplagten Alltag. In: wirtschaftsblatt.at. 4. September 2013, archiviert vom Original am 17. November 2015; abgerufen am 21. September 2015.
  20. Trento Film Festival. In: trentofestival.it. Abgerufen am 11. September 2015 (italienisch).
  21. Dominik Knobloch: Wenn das Leben an einem Seil aus Gummi hängt. In: Heilbronner Stimme. 2. Juni 2014, S. 5.
  22. Andreas Burkert: Seit 25 Jahren springen die da runter. (Nicht mehr online verfügbar.) In: drive-and-style.de. 7. Juni 2015, archiviert vom Original am 17. November 2015; abgerufen am 12. September 2015.
  23. Christian Rösner: Sprung vom Donauturm. In: wienerzeitung.at. 4. Mai 2001, abgerufen am 21. September 2015.
  24. Der Adrenalin-Händler. In: zeit.de. 28. Januar 2014, abgerufen am 16. September 2015.
  25. Mit der Seilrutsche gegen den Besucherschwund. In: welt.de. 24. August 2009, abgerufen am 11. September 2015.
  26. Adrenalinschub in der Vertikale. In: nzz.ch. 17. September 2007, abgerufen am 21. September 2015.
  27. Vertikaler Catwalk. Models tanzen an Fassade. In: Berner Zeitung. 16. September 2004, S. 44.
  28. Einzigartige Wunderwelt mit Vertical Catwalk. In: Leipziger Volkszeitung. 8. September 2004, S. 23.
  29. Orla Healy: Catwalk on the wild side – scary stroll down the heights of fashion. In: nypost.com. 27. Juli 2005, abgerufen am 13. Oktober 2015 (englisch).
  30. Wagnis mit fatalen Folgen. In: sueddeutsche.de. 17. Mai 2010, abgerufen am 9. September 2015.
  31. Mit Biss aus tiefsten Tälern befreit. In: Schwarzwälder Bote. 20. Juni 2015, S. 9.
  32. „Denken ist eine große Belastung“. In: Die Welt, 16. August 2009
  33. Sprung in den Tod. In: n-tv.de. 21. Juli 2003, abgerufen am 13. Oktober 2015.
  34. Sebastian Sigler: Tödlicher Unfall beim Bungee-Springen in Dortmund. In: Die Welt. 22. Juli 2003, S. 32.
  35. Verfahren wegen Tod beim Bungee-Sprung eingestellt. In: Rheinische Post. 22. Januar 2011.
  36. Strafverfahren nach Bungee-Unfall eingestellt. In: fr-online.de. 21. Januar 2011, abgerufen am 21. September 2015.
  37. Kathrin Melliwa: Kein Prozess um tödlichen Bungee-Sprung in Dortmund gegen Jochen Schweizer. In: derwesten.de. 21. Januar 2011, abgerufen am 30. September 2015.
  38. Erlebnis-Unternehmer Schweizer: Herr des Vollkasko-Kicks. In: spiegel.de. 14. August 2012, abgerufen am 9. September 2015.
  39. Die Unternehmensgruppe. (Nicht mehr online verfügbar.) Jochen Schweizer, archiviert vom Original am 27. April 2018; abgerufen am 26. April 2018.
  40. Jochen Schweizer: Vom Film-Stuntman zum Unternehmer. In: Kurier. 16. Oktober 2011, S. 19.
  41. Rebecca Eisert: Das Geschäft mit dem Kick. In: wiwo.de. 25. Februar 2015, abgerufen am 21. September 2015.
  42. Carina Kontio: Manager reden Klartext: „Was sollte das? Das war doch Scheiße!“ In: handelsblatt.com. 5. September 2015, abgerufen am 9. September 2015.
  43. Elisabeth Neuhaus: „Ich sehe keinen Grund, mein Geld aus dem Fenster zu schmeißen“. In: gruenderszene.de. 15. Oktober 2014, abgerufen am 9. September 2015.
  44. Jennifer Garic: Von großen Geschäften und kleinen Deals. In: handelsblatt.com. 19. August 2015, abgerufen am 9. September 2015.
  45. Jonas Leppin: Höhle, Höhle, Höhle. In: spiegel.de. 19. August 2015, abgerufen am 9. September 2015.
  46. Portfolio. (Nicht mehr online verfügbar.) Jochen Schweizer Ventures, archiviert vom Original am 14. September 2015; abgerufen am 12. September 2015.
  47. Alexander Hüsing: „Ich will jungen Entrepreneuren Mut machen“. In: deutsche-startups.de. 19. September 2014, abgerufen am 12. September 2015.
  48. Die emotionale Power echter Erlebnisse – Interview mit Jörg Trouvain, Fabian Stich und Jochen Schweizer, In: Geschäftsbericht Pro7Sat.1. Abgerufen am 26. April 2018.
  49. Caspar Busse, Ulrich Schäfer: Jochen-Schweizer-Gutscheine kommen bald von Pro Sieben. In: Süddeutsche Zeitung. 21. Juni 2017. Abgerufen am 30. Juli 2017.
  50. Abenteurer auf neuer Mission In: Handelsblatt, 22. Februar 2018.
  51. Jochen Schweizer verhandelt über Verkauf seiner Eventfirma. In: Manager Magazin. 29. Mai 2017, abgerufen am 26. April 2018.
  52. Pro Sieben Sat.1 übernimmt Jochen Schweizer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 21. Juni 2017, abgerufen am 30. Juli 2017.
  53. ProSieben kauft Jochen Schweizer. In: Wirtschafts Woche. 21. Juni 2017, abgerufen am 30. Juli 2017.
  54. Stuntman griff zur Feder. In: Frankfurter Neue Presse. 18. August 2010.
  55. Iris Hilberth: Eine Surferwelle für Taufkirchen. In: sueddeutsche.de. 21. Oktober 2015, abgerufen am 23. Oktober 2015.
  56. SignsAward 2017. In: SignsAward. Abgerufen am 14. März 2022 (deutsch).
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