Das Geschirr oder auch die Schirrung dient dazu, Zugtiere einzuspannen, damit diese beispielsweise eine(n) Karren, Pflug, Schleife, Schlitten oder Wagen gut ziehen können.

Geschirr-Arten

Je nach Tier und Einsatzzweck und Möglichkeiten wurden im Laufe der Zeit verschiedene Arten von Geschirren mit unterschiedlichen Bezeichnungen entwickelt. Rinder wurden häufig mit dem Joch angespannt. Der hohe Aufwand für die Pferdehaltung beschränkte zunächst deren Einsatz. Frühe Ausnahmen sind zum Beispiel Streitwagen in Kombination mit dem Brustblatt.

Heute kommen in Mitteleuropa fast ausschließlich Pferde und damit Kumt- und Brustblatt-Geschirre zum Einsatz; als Materialien kommen in erster Linie Leder, Nylon und andere Kunststoffe zum Einsatz. In Entwicklungsländern wird jedoch noch häufig auch mit Geschirren aus Ketten, Holz, Leinen oder gebundenem Stroh gearbeitet.

Einsatzzweck

Es wird nach Schwerem Zug und Leichtem Zug unterschieden.

Mit Schwerem Zug sind schwere Lasten oder hügeliges Gelände gemeint. Schwere Lasten sind beispielsweise Pflüge, Holzrücken, Pferdebahnen, Brauereiwagen und der überwiegende Teil des bäuerlichen Bereichs gemeint. Im Schweren Zug kommen nach Möglichkeit Kaltblüter zum Einsatz.

Mit Leichtem Zug ist ebenes Gelände wie Ungarn und leichtere Wagen gemeint. Kutschen dienen der schnellen und komfortablen Beförderung von Passagieren und nicht dem Transport von großen Lasten. Bei sogenannten Kutscher-Wagen kommen bevorzugt Schweres Warmblut, sogenannte Karossiers, zum Einsatz. Leichte Warmblüter kommen im Fahrsport und bei sehr leichten Wagen, häufig bei Selbstfahrer-Wagen, zum Einsatz.

Das Brustblattgeschirr ist für schweren Zug weniger geeignet, da es im Vergleich zum Kumtgeschirr eine geringe Auflagefläche hat und unter schwerer Last das Zugtier in der Bewegung und vor allem der Atmung einschränkt. Heute ist das Brustblattgeschirr aufgrund seiner Einfachheit und der vielfältigen Verstellmöglichkeiten zum meistverwendeten Geschirr im Freizeitbereich des Fahrsports geworden.

Joch

Das Joch ist die älteste Weise, große Zugtiere anzuspannen. Es erscheint um 3500 v. Chr. im Nahen Osten und in Teilen Europas in Abbildungen und Bodenfunden. Sein Gebrauch ist aber älter und indirekt durch Pflugspuren (South Street Longbarrow) und die Kastration von Stieren nachweisbar. Die älteren Hinweise sind in Zuordnung oder Datierung unsicher und nur sehr vereinzelt.

Ursprüngliche Form des Joches ist das Kopfjoch mit den beiden Varianten Stirn- und Nackenjoch. Beide werden an den Hörnern des Zugtieres befestigt, das Stirnjoch davor, das Nackenjoch dahinter. Das Kopfjoch ist daher nur für Hornträger geeignet. Die Zugtiere wurden zumeist paarweise in Doppeljoche eingespannt (alte Skizzen aus dem Orient sind da nicht eindeutig), wodurch die Last über eine am Joch zwischen den Tieren befestigte Deichsel gezogen wurde. Durch diese Anschirrung können die Tiere die Köpfe kaum noch bewegen, was wesentlichen Anteil an der sprichwörtlichen „Unterjochung“ der Tiere hat. Es wurden meist Ochsen als Zugtiere verwendet, die wegen der Kastration besser handhabbar waren. Es wurden und werden aber auch Kühe, gelegentlich als Fahrkühe bezeichnet, vor Wagen gespannt.

Die zweite Form des Joches ist das Widerristjoch, das von den Zugtieren mit dem Widerrist geschoben wird. Der Jochbalken wird vor dem Widerrist der Zugtiere aufgelegt, um ihren Bug wird jeweils ein U-förmig aus elastischem Holz gebogener Jochbogen gelegt und nach oben durch Bohrungen im Jochbalken geführt. Dort wird er durch ursprünglich ebenfalls hölzerne Jochnägel fixiert, die durch eines von mehreren Löchern des Jochbogens gesteckt werden, was eine Anpassung an die Größe des Zugtieres erlaubt. Der Jochbalken war ursprünglich ein einfaches Rundholz, später wurde er an die Nackenform der Zugtiere angepasst. Spätere Joche verwendeten die jeweils gut verfügbaren Materialien, zum Beispiel eiserne Beschlagteile oder heute auch in Streifen geschnittene Lkw-Reifen als Jochbögen.

Auch das Widerristjoch wurde zunächst als Doppeljoch eingesetzt. Die Deichsel wird hierbei mit Jochring und Deichselnagel auf sehr einfache Weise gelenkig mit dem Joch verbunden. Einzeljoche waren für die wegen ihrer Zugkraft benötigten Doppelgespanne erst durch eine aufwendigere Anschirrung mit Zugsträngen beiderseits jedes Zugtieres sinnvoll. Sie setzten sich deswegen erst sehr spät durch. So bedeutet „Joch“ oft Doppeljoch, das Einzeljoch trägt dann Bezeichnungen wie „Halbjoch“ oder „Jöchel“.

Seit dem Hochmittelalter wurde das Joch durch die Einführung des Kumt überall verdrängt, wo ausreichend Kapital vorhanden und die Leistungsfähigkeit des Gespanns ein Kriterium war, insbesondere bei gleichzeitigem Einsatz von mehreren Pferden. Wegen des geringen Herstellungsaufwands bzw. der geringen Kosten wird das Joch auch heute noch eingesetzt.

Brustblattgeschirr

Als Brustblattgeschirr oder Sielengeschirr bezeichnet man ein leichtes Pferdegeschirr, bei dem das Pferd nur mit der Brust zieht. Das Brustblatt wird heute zusammen mit leichten Wagen vorzugsweise in ebenem Gelände verwendet. Die Brustblattanspannung heißt Land- oder Juckeranspannung und wird auch als ungarische Anspannung bezeichnet.

Aufbau und Funktion: Der Zug erfolgt über das sogenannte Brustblatt, ein etwa acht bis zwölf Zentimeter breites, gepolstertes Lederstück, das über die Brust des Zugtiers verläuft. Auf beiden Seiten des Brustblatts sind die Zugstränge eingeschnallt, über die die Kutsche gezogen wird. Getragen wird das Brustblatt von einem über den Hals verlaufenden Riemen, dem Halsriemen, auf dessen Oberseite meist zwei Metallringe, die sogenannten Leinenaugen, befestigt sind, durch die die Fahrleinen geführt werden.

Zum Brustblattgeschirr gehört weiterhin ein Selett (beim Einspänner-Brustblattgeschirr), bzw. Kammdeckel (beim Mehrspänner-Brustblattgeschirr), die hinter dem Halsriemen (oder Halskoppel) auf dem Rücken liegen und von einem Bauchgurt und meist auch einem Schweifriemen mit Schweifmetze gehalten werden. Im Einspänner trägt das Selett die Anzen des Wagens. Das Brustblattgeschirr wird meist aus Leder oder Kunstfaser Nylon gefertigt.

Kumt

Das Kumt (oft auch Kummet oder Kummt, regional auch Hamen) ist ein steifer, gepolsterter Ring oder besteht aus ebensolchen Ringsegmenten. Es wird dem Zugtier um den Hals gelegt und erlaubt es, die Zugkraft durch eine der Tierart entsprechende Gestaltung sinnvoll auf Brustkorb, Schultern und Widerrist zu verteilen. Bei Pferden wird erst dadurch ihre Zugkraft in vollem Umfang nutzbar. Es wird ein geschlossenes Kumt verwendet, die Zugkraft wird durch Brust und Schultern aufgebracht. Ein Kumt verteilt die Last besser als ein Brustblatt, es ist für das Pferd schonender. Schwerer Zug kann nur mit Kumt geleistet werden. Bei Rindern ist das Kumt in der Regel oben durch ein Gelenk verbunden und unten offen und verschließbar, da es wegen der Hörner nicht über den Kopf gestreift werden kann. Die Zugkraft wird im Wesentlichen durch den Widerrist und die Schultern aufgebracht.

Das Kumt muss der Statur und Halsform eines jeden Tieres angepasst werden, ansonsten kommt es schnell zu Druckstellen. Ein Brustblatt ist vielseitiger und kann leichter für andere Pferde verschnallt werden. Das Kumt muss dagegen exakt passen. Es besteht aus:

  • einem Kumtkissen, ein gepolsterter Ring, meist aus Leder gefertigt und mit Stroh gefüllt
  • einem Kumtbügel, der Stahl- oder Holzring, an dem die Deichsel bzw. die Anzen befestigt werden können. Der Ring lässt sich über einen Riemen öffnen
  • einer Kumtspitze mit Schutzkappe, damit kein Wasser oder Staub in das Kissen eindringen kann
  • einer Schlusskette (Einspänner) oder einem Langring (Zweispänner) zur Befestigung der Aufhalter

Das Kumtgeschirr wurde bereits um 500 v. Chr. in China erfunden. Es erreichte Europa aber erst um 1000 n. Chr. Obwohl es einen wichtigen Fortschritt für die Landwirtschaft bedeutete, nun die gesamte Zugkraft der kräftigeren Pferde vor dem Pflug einsetzen zu können, und Zugpferde eindeutig rentabler waren, setzten sie sich in der Landwirtschaft nur sehr zögerlich gegen die Zugochsen durch. Die höheren Kosten wollte man nicht ohne weiteres aufbringen. Erst als in der spätmittelalterlichen Krise um 1400 die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse rapide fielen, verdrängte das Hauspferd wegen seiner höheren Rentabilität das Hausrind als Zugtier schließlich fast vollständig.

Marathonkumt

Das Marathonkumt (auch: Französisches Kumt) ist vor allem im Fahrsport verbreitet. Es ist eine Kombination von Kumt und Brustblatt in einem Stück. Das Marathonkumt verteilt die Zuglast besonders großflächig auf Schulter und Bug des Pferdes. Somit wird das Pferd in der Schulter nicht eingeengt und kann eine bessere Zugleistung erbringen. Ein Marathonkumt muss nicht so sorgfältig angepasst werden wie ein normales Kumt, da es verstellbar ist und somit auf verschiedene Pferde passt.

Weitere Tierarten

Für die Anspannung der primär außerhalb Mitteleuropas verbreiteten Zugtierarten Dromedar, Trampeltier, Lama, asiatischer Elefant oder Ren sind spezielle Geschirre in Gebrauch. Hunde, besonders Schlittenhunde, werden ebenfalls mit ihrem passenden Geschirr vorgespannt.

In neuerer Zeit werden auch „normale“ Haushunde häufig mit Laufgeschirr statt nur mit Halsband zum täglichen Ausführen ausgestattet, da beim Geschirr keine Würgegefahr besteht. Für andere kleine Haustiere (Katzen, Frettchen und Kaninchen, sogar Ratten) gibt es ebenfalls größenangepasste Geschirre.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Drawer: Anspannung und Beschirrung der Haustiere. DLG-Verlag, Frankfurt (Main) 1959 (92 S.).
  • Astrid Masson: Handbuch Rinderanspannung. Praktischer Ratgeber zu Verhalten, Ausbildung, Beschirrung und Anspannung von Zugrindern. Starke Pferde-Verlag, Lemgo 2015, ISBN 978-3-9808675-5-9.
  • Christian-Henry Tavard: Sattel und Zaumzeug. Das Pferdegeschirr in Vergangenheit und Gegenwart. DuMont, Köln 1975 (französisch: L'habit du cheval. Selle et Bride. Paris/Fribourg 1975.).
  • Friedrich Anton Zürn: Geschirrkunde oder Beschirrungslehre. Leipzig 1897, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00073026-7.
Wiktionary: Geschirr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Horse collars – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Barry Cunliffe (Hrsg.): Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas, S. 220
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