Johannes Lavater (* 18. Januar 1624 in Zürich; † 21. Juni 1695 ebenda) war ein Schweizer evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer.

Leben

Johannes Lavater war ein Urenkel von Ludwig Lavater, Antistes in Zürich und der Sohn des Färbers und Politikers Jakob Lavater (* 24. Januar 1588 in Zürich; † 1659) und dessen Ehefrau Lucia (geb. Schönauer). Er hatte noch einen Bruder und weitere vier Schwestern.

Er absolvierte ein Theologiestudium am Collegium Carolinum und setzte dieses später an der Universität Groningen fort.

Nach Beendigung des Studiums wurde er 1649 zum Pfarrer in Uitikon gewählt; er wurde wegen seiner Kritik am 1. Villmergerkrieg 1656 kurzzeitig in Haft genommen.

1657 erfolgte am Collegium Carolinum seine Ernennung zum Rhetorik- und 1667 zum Philosophieprofessor; er erhielt die damit verbundene Chorherrenpfründe am Grossmünsterstift. 1672 wurde er zum Stiftsbauherrn und 1677 zum Schulherrn ernannt.

Johannes Lavater war seit 1650 mit Elisabetha (* 1630 in Zürich; † 21. Juni 1699 ebenda), Tochter des Heinrich Oeri (1597–1646), Landschreiber in Pfäffikon, verheiratet; gemeinsam hatten sie vier Kinder:

  • Elisabetha Lavater (* 4. November 1655 in Zürich; † 4. März 1721 ebenda), verheiratet mit dem Theologen Johann Jakob Hottinger;
  • Hans Jakob Lavater (* 1. November 1657 in Zürich; † 27. Mai 1725), befand sich 1677 im Austausch mit Samuel Werenfels für sechs Monate bei dessen Vater Peter Werenfels (1627–1703), Antistes in Basel, zur geistlichen und theologischen Ausbildung; verheiratet mit Anna (* 29. Jul 1666 in Zürich; † 23. April 1739 ebenda), Tochter des Obervogts in Meilen Johannes Schaufelberger (1646–1703);
  • Heinrich Lavater (* 1. Mai 1659 in Zürich; † 1689 in Batavia);
  • Regula Lavater (* 10. Februar 1663 in Zürich; † 21. Juli 1726 ebenda), verheiratet mit Leonhard Fries (* 6. Oktober 1660 in Zürich; † Dezember 1719).

Mit Johann Heinrich Hottinger, Vater seines Schwiegersohns, verband ihn eine Freundschaft.

Theologisches und schriftstellerisches Wirken

Ab 1669 war Johann Lavater einer der Wortführer der sogenannten Neuerer in den theologischen Streitigkeiten mit Hans Jakob Gessner und Johannes Müller.

Johannes Müller sammelte unter anderem den Professor Johann Rudolf Hofmeister (1615–1684) und die meisten Stadtgeistlichen, unter anderem Antistes Johann Caspar Waser (1612–1677), Archidiakon Bülod, den Pfarrer der Predigerkirche Hans Konrad Burkhard (1613–1681), den Pfarrer und den Diakon am St. Peter, Peter Füßli und Hans Jakob Geßner um sich und ging gegen Johann Heinrich Heidegger, weil dieser Johannes Coccejus verehrte, sowie gegen Johannes Lavater und Johann Heinrich Schweizer vor, weil diese Anhänger der Cartesianischen Philosophie waren.

Als es um die Frage ging, die französische Neuerungen von Saumur, das sich im 16. Jahrhundert zum geistigen Mittelpunkt der Hugenotten entwickelte, abzulehnen, für die Heidegger, Lavater und Schweizer eintraten, wollte Müller auch die Coccejanischen und Cartesianischen Ideen abwehren, so dass er im Konvent eine Generalformel einbrachte, die nicht nur die französischen, sondern auch holländische Neuerung ablehnte.

Weil es einen auf der Tagsatzung in Aarau 1674 hierzu bereits gefassten Beschluss gab, der jedoch nur die französischen Hypothesen nannte und Heidegger die Unterstützung der Basler und François Turrettini hatte, wurde Müllers Begehren abgelehnt. Gegen eine, hinter dem Rücken von Heidegger, Schweizer, Lavater, Stiftsverwalter Rudolf Wirth (1618–1689) und Pfarrer Ulrich am Fraumünster, eingebrachte Generalformel beim Amtsbürgermeister, protestierten sie umgehend.

Die von Heidegger entworfene Formula Consensus wurde am 13. März 1675 im Rat ratifiziert, führte in der Folge jedoch zu weiteren Streitigkeiten, weil Müller eine eigene Auslegung vornahm und verschiedene Drucksachen von Heidegger und Lavater konfiszieren liess oder einen monatelangen Aufschub durch die Zensur veranlasste.

Er publizierte zahlreiche Schriften zu naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Fragen und beschäftigte sich in seinen Disquisitiones Physicae als einer der Ersten wissenschaftlich mit dem Taubstummenproblem.

Taubstummenproblem

Johannes Lavater, der während seines Studiums in Groningen auch Vorlesungen beim Mediziner Anton Deusing (1612–1666) gehört hatte, beschäftigte sich 1665 mit dem Taubstummenproblem in Zürich. Unter seiner Leitung wurden am Collegium Carolinum drei Dissertationen verfasst, die heute zusammen als die Scola mutorum ac surdorum bekannt sind.

Die eine Dissertation stammte von Johann Heinrich Ott (1617–1682), der als erster seit Plinius der Ältere (Naturalis historia) und Valescus de Taranta (1382–1417) begründete, dass die Taubstummheit lediglich auf Gehörmangel und nicht auf einem Fehler der Sprechwerkzeuge beruhe.

Die zweite Dissertation wurde von Johannes von Muralt verfasst, allerdings enthält sie lediglich die Einstellung der reformierten Kirche zur rein theologischen Seite des Taubstummenproblems, allerdings ist ihm die Einzelfallbetrachtung des taubstummen Züricher Malers Rudolf Bremi (1576–1611) zu verdanken.

Die dritte Dissertation stammte von Balthasar Wiser (1656–1676), der Anregungen zur Taubstummenausbildung, über Anschauungsunterricht und Gebärdensprache sowie Lippenlesen machte.

Die Scola mutorum ac surdorum war ein gründlicher und ernst zu nehmenden Versuch, sich mit dem ganzen Taubstummenproblem auseinanderzusetzen.

Der Schlusssatz So wird niemand mehr den Taubstummenunterricht als unmöglich verspotten, sondern über die methodisch leichteste und kürzeste Bildungsweise nachdenken. Darauf sollen sich vor allem diejenigen besinnen, denen die Seelsorge von Amts wegen überbunden ist. Sie sollen die massgebenden Kreise zum Bau von Taubstummenschulen bewegen, damit jenen Bejammernswürdigen, die in allen Städten und zu allen Zeiten vorkommen, nach menschlichem Vermögen die Wohltat verschafft werde, die des Blinden Auge, des Tauben Ohr und des Stummen Zunge zuträglich sind, wurde jedoch nicht in Zürich umgesetzt, sodass erst 1771 durch Abbé de l'Epee in Paris die erste Taubstummenschule errichtet wurde.

Schriften (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Allgemeines Gelehrten-Lexicon: Darinne die Gelehrten aller Stände sowohl männ- als weiblichen Geschlechts, welche vom Anfange der Welt bis auf ietzige Zeit gelebt, und sich der gelehrten Welt bekannt gemacht, Nach ihrer Geburt, Leben, merckwürdigen Geschichten, Absterben und Schrifften aus den glaubwürdigsten Scribenten in alphabetischer Ordnung beschrieben werden. D - L. 2. Gleditsch, 1750 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
  2. Die Pfarrherren in Uitikon von 1626 bis 2004. In: Weihnachtskurier der Gemeinde Uitikon 1986 mit Ergänzungen im Oktober 2004. 2004, abgerufen am 3. März 2020.
  3. Family tree of Elisabetha Oeri. Abgerufen am 2. März 2020 (englisch).
  4. Hanspeter Marti, Reimund Sdzuj, Robert Seidel: Rhetorik, Poetik und Ästhetik im Bildungssystem des Alten Reiches: wissenschaftshistorische Erschliessung ausgewählter Dissertationen von Universitäten und Gymnasien 1500-1800. Böhlau Verlag Köln Weimar, 2017, ISBN 978-3-412-50373-4 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
  5. Welche in der Kirche zum Frau Münster in Zürich theils längstens verblichen, theils noch leserlich vorgefunden werden: 2. 1779 (google.de [abgerufen am 2. März 2020]).
  6. Regula Weber-Steiner: Glükwünschende Ruhm- und Ehrengetichte: Casualcarmina zu Zürcher Bürgermeisterwahlen des 17. Jahrhunderts. Peter Lang, 2006, ISBN 978-3-03910-388-1 (google.de [abgerufen am 2. März 2020]).
  7. Johann Heinrich Heidegger: Formula Consensus. In: Reformiert.Info. Abgerufen am 3. März 2020.
  8. Zeitschrift für die historische Theologie. In Verbindung mit der historisch-theolog. Ges. zu Leipzig hrsg. von Christian Friedrich Illgen. Barth, 1860 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
  9. Johann Jakob Herzog: Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche: In Verbindung mit vielen protestantischen Theologen und Gelehrten. R. Besser, 1856 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
  10. K. Ulrich: Vom Taubstummenproblem und seinen Lösungsversuchen im alten Zürich. In: Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 1936, abgerufen am 3. März 2020.
  11. Rosmarie Zeller: Johann Heinrich Ott. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 23. September 2010, abgerufen am 19. Oktober 2020.
  12. Carl Gottlob Hergang: Pädagogische Real-Encyclopädie; oder, encyclopädisches Wörterbuch des Erziehungs- und Unterrichtswesens und seiner Geschichte. Bearbeitet von einem Vereine von Predigern und Lehrern, und redigirt von K. G. H. 1847 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
  13. L. Heilmeyer, R. Schoen, E. Glanzmann, B. De Rudder: Ergebnisse der Inneren Medizin und Kinderheilkunde. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-94663-9 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
  14. Neujahrsblatt der Zürcherischen Hülfsgesellschaft. 1801 (google.de [abgerufen am 3. März 2020]).
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