Johannes Albert Reinmöller (* 25. Mai 1877 in Bebra; † 1. März 1955 in Heidelberg) war ein deutscher Kieferchirurg, Hochschullehrer und Universitätsrektor.

Leben

Johannes Reinmöller, Sohn eines Bahnbeamten, wuchs in Bebra auf. Er besuchte dort die Dorfschule und bestand die Reifeprüfung am Gymnasium in Hersfeld. Im Wintersemester 1897/98 begann er an der Philipps-Universität Marburg Medizin zu studieren. Auf Empfehlung von Matthäus Triebenstein, dem Bruder seiner Mutter Barbara geb. Triebenstein, wurde er im Corps Hasso-Nassovia aktiv. 1898 wurde er recipiert. Er wechselte an die Hessische Ludwigs-Universität, wo er sich 1899 auch dem Corps Hassia Gießen anschloss. Wohl nach dem Physikum ging er zum Sommersemester 1901 an die Universität Rostock. 1903/04 war er Volontärassistent an der Zahnklinik Breslau. 1904 legte er in Rostock die medizinische Staatsprüfung ab. Die zahnmedizinische folgte 1905 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1905 wurde er auch zum Dr. med. promoviert.

Rostock

1907 gründete er eine private Fachkrankenanstalt mit sechs kieferchirurgischen Betten in Rostock. Als Zahnarzt und Arzt approbiert, war Reinmöller zugleich Lektor für Zahnmedizin an der Universität Rostock. Nach der Habilitation wurde er 1909 Privatdozent für das Fach Zahnheilkunde an der Medizinischen Fakultät. 1910 wurde für ihn ein Extraordinariat in Rostock eingerichtet. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Stabsarzt der Landwehr im Königlich Bayerischen 10. Feldartillerie-Regiment teil. In dem Regiment dienten viele Angehörige des Corps Baruthia. 1917 erhielt er in Rostock den Lehrstuhl für Stomatologie. 1920 musste Reinmöller von seiner Professur zurücktreten, nachdem ein Disziplinarverfahren gegen ihn wegen republikfeindlicher Äußerungen in seiner Vorlesung („Drecksrepublik“) eingeleitet worden war. Von März bis Mai 1921 war er Mitglied im Landtag des Freistaates Mecklenburg-Schwerin für die Deutschnationale Volkspartei (DNVP).

Erlangen

1921 folgte Reinmöller dem Ruf der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Er war zwei Jahre Dekan der Medizinischen Fakultät und 1933–1935 Rektor der Universität. In diesen Jahren begann Reinmöller, sich auf Universitätspolitik zu beschränken. Nach 1925 forschte er nicht mehr und ließ sich auch von Lehrverpflichtungen befreien.

Würzburg

1935 kam er als Ordinarius an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg, wo er 1935–1937 ebenfalls als Rektor amtierte. Am Abend des 15. November 1935 schloss (im Zusammenhang mit einer von den Nationalsozialisten am 18. November geplanten Demonstration gegen den Bischof Matthias Ehrenfried) Rektor Reinmöller die Würzburger Katholisch-Theologische Fakultät, welche – nach Protesten und Demonstration durch Theologen (insbesondere Dompfarrer Heinrich Leier) – am 25. November jedoch wieder den theologischen Lehrbetrieb aufnahm. Nach einer Auseinandersetzung mit dem zuvor in Gegnerschaft zu Bischof Ehrenfried stehenden Gauleiter von Unterfranken Otto Hellmuth am 1. April 1938 emeritiert, zog sich Reinmöller auf seinen Landsitz in Ahrenshoop zurück.

NS-Zeit und Russland

1933 trat er der Einheitsfront der Zahnärzte bei, um sich dem Führerprinzip des Nationalsozialismus zu verpflichten. Reinmöller wurde 1937 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) aufgenommen. In der Sturmabteilung stieg er zum SA-Standartenführer (Oberst) auf. Später wurde er Mitglied der Schutzstaffel (SS). Susanne Ude-Koeller sieht in den reichhaltigen Quellen das Bild eines zutiefst überzeugten und unnachgiebigen Feindes der Weimarer Republik. Sowohl als zahnärztlicher Standesvertreter als auch als Hochschulpolitiker habe er seine antidemokratische Grundüberzeugung kompromisslos vertreten.

In der Nachkriegszeit in Deutschland wurde er auf seinem Landsitz in Ahrenshoop im Sommer 1946 verhaftet. Nach dreijähriger Inhaftierung, unter anderem im Lager Tscherepowez, wurde er Weihnachten 1949 nach Deutschland entlassen. Lange kämpfte er um den Abschluss seines Entnazifizierungsverfahrens, von dem seine Pensionsansprüche abhängig waren. Nach seinem Tod 1955 wurde er in Waldmichelbach beigesetzt. In der Zahnklinik wurde eine Büste von ihm aufgestellt.

Privates

In erster Ehe war Reinmöller seit 1906 mit Minna Binder aus Würzburg († 1908) verheiratet. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Nach der Kriegsrückkehr erfuhr Reinmöller 1919 vom außerehelichen Verhältnis seiner zweiten Frau Helene; die Ehe wurde anschließend geschieden. Er forderte den Liebhaber, einen Schauspieler am Rostocker Stadttheater, zum Pistolenduell. Als dieser das Angebot konkludent ablehnte, überraschte Reinmöller ihn zuhause und tötete ihn mit fünf Schüssen. Ein Schwurgericht sah darin eine Affekttat und sprach ihn frei.

Ein jüngerer Bruder war Max Reinmöller. Er folgte 1933 auf Hans Moral, den Nachfolger seines Bruders auf dem Rostocker Lehrstuhl.

Ehrungen

Corps
Ehrenmitglied des Corps Hasso-Nassovia
Corpsschleifenträger der Baruthia (1928), Bandverleihung 1933
Bandverleihung des Corps Visigothia Rostock (1909)
Bundesrepublik Deutschland
Mitläufer (1953)
Bayern
Bayern Prinz Alfons Erinnerungszeichen
Abzeichen Bayerischer Kriegerbund
Militär-Sanitäts-Orden I. Klasse
Träger der Kronprinz-Rupprecht-Medaille
Prinzregent-Luitpold-Medaille in Bronze
Mecklenburg
Dr. med. dent. h. c. (Rostock 1920)
Militärverdienstkreuz (Mecklenburg)
Verdienstmedaille in Bronze Friedrich Franz II.
Mitgliedsabzeichen Mecklenburger Kriegerverband
Hamburg, Preußen und Reich
Eisernes Kreuz 2. Klasse
Eisernes Kreuz 1. Klasse
Verwundetenabzeichen in Schwarz (1918)
Königlicher Kronen-Orden (Preußen)
Hanseatenkreuz (Hamburg)
Ehrenkreuz des Weltkrieges
Treudienst-Ehrenzeichen

Werke

  • mit Albrecht Burchard: Die zahnärztliche Röntgenologie. Ein Lehrbuch und Atlas für Zahnärzte und Studierende. Leipzig Berlin 1914.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Schlampp: Prof. Dr. Johannes Reinmöller zum 75. Geburtstag. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift, 1952, S. 719–720
  • Hans Schlampp: Johannes Reinmöller gestorben. Deutsche Zahn-Mund-Kieferheilkunde 1955, S. 4–6
  • Willi R. Koch: Johannes Albert Reinmöller. In: Corps-Zeitung der Hassia Gießen zu Mainz Nr. 117 (WS 1955/56), S. 8–11.
  • Hans Jürgen Müller: Biographie und Bibliographie von Johannes Reinmöller (1877–1955). Königshausen & Neumann, Würzburg 1994 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 54).
  • Herrmann A. L. Degener (Hrsg.): Wer ist’s? – Unsere Zeitgenossen. IX. Ausgabe. Verlag Herrmann Degener, Leipzig 1928. S. 1250–1251.
  • Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Synchron, Wiss.-Verl. der Autoren, Heidelberg 2004 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte; Bd. 6), S. 137 f. ISBN 3-935025-68-8.
  • Uwe Siegfried Peter: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in fünf politischen Systemen – 100 Jahre Kieferchirurgie in Rostock. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock., hier S. 13–55: Die Ära Reinmöller (1907–1920) – der erste deutsche Lehrstuhl für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (1919), und S. 90–120: Die Ära Matthäus Max Reinmöller (1933–1955). Rostock 2007.
Commons: Johannes Reinmöller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sterbedaten nach Auskunft des Stadtarchivs Heidelberg. Wohnsitz war Waldmichelbach, Ludwigstr. 43.
  2. Dr. med. Triebenstein (1854–1921), Sanitätsrat und Landarzt in Bebra, und seine beiden Söhne waren Hessen-Nassauer.
  3. 1 2 Kösener Corpslisten 1960, 99/688; 97/990; 120/87; 19/1053
  4. 1 2 Corpstafel (Matrikel) des Corps Hasso-Nassovia, Teil I, 1984, S. 190–191
  5. Immatrikulation von Johannes Reinmöller im Rostocker Matrikelportal
  6. Dissertation: Beiträge zur Kenntnis des Verhaltens einiger Derivate der Oxalsäure im Organismus.
  7. Habilitationsschrift: Über Zahnplantationen.
  8. 1 2 Emil Kränzlein und Max Grimmeiß: Johannes Reinmöller †. Bayreuther Zeitung Nr. 150 (1955), S. 15–16.
  9. Michael Grüttner, Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004, S. 137.
  10. 1 2 Rektoratsreden (HKM)
  11. 1 2 3 Susanne Ude-Koeller: Johannes Reinmöller. In: Dominik Groß, Jens Westemeier, Mathias Schmidt, Thorsten Halling, Matthis Krischel (Hrsg.): Zahnärzte und Zahnheilkunde im „Dritten Reich“: Eine Bestandsaufnahme. LIT Verlag, Münster 2018, ISBN 978-3-643-13914-6, S. 279 (google.com [abgerufen am 21. Dezember 2021]).
  12. Klaus Wittstadt: Kirche und Staat im 20. Jahrhundert. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 453–478 und 1304 f., hier: S. 458–463: Die Ära des Volks- und Widerstandsbischofs Matthias Ehrenfried (1924–1948). S. 461.
  13. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2007, S. 489.
  14. Dominik Groß: Zahnärzte im „Dritten Reich“ und im Nachkriegsdeutschland. Ein Personenlexikon. Stuttgart 2020.
  15. 1 2 Reinmöller, Erinnerungen, in: Corps-Zeitung der Hasso-Nassovia zu Marburg Nr. 51 (September 1955), S. 47–51.
  16. 1 2 3 4 Matrikel des Corps Baruthia (1962)
  17. Uwe Siegfried Peter: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in fünf politischen Systemen – 100 Jahre Kieferchirurgie in Rostock. (pdf; 24 MB) 11. September 2007, abgerufen am 30. Mai 2023.
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