Jorge Arturo Kardinal Medina Estévez (* 23. Dezember 1926 in Santiago de Chile; † 3. Oktober 2021 ebenda) war ein chilenischer Geistlicher und Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche.

Leben

Jorge Arturo Medina Estévez studierte an der Päpstlichen Katholischen Universität in Santiago die Fächer Katholische Theologie, Literaturwissenschaften und Biologie. Er erwarb das Lizenziat im Fach Biologie und promovierte sowohl in Theologie als auch in Kanonischem Recht. Am 12. Juni 1954 empfing er das Sakrament der Priesterweihe und wirkte anschließend als Gemeindeseelsorger und wurde als Hochschullehrer eingesetzt. In den Jahren 1962 bis 1965 nahm er als Experte am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Von 1965 bis 1984 wirkte er als Richter am Diözesangericht und in der Leitung der Katholischen Universität von Santiago. Darüber hinaus fungierte er als Berater verschiedener Dikasterien der Römischen Kurie.

Am 18. Dezember 1984 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Thibilis und Weihbischof in Rancagua. Die Bischofsweihe spendete ihm der Papst am 6. Januar 1985 im Petersdom. Mitkonsekratoren waren der Substitut des Staatssekretariates, Eduardo Martinez Somalo, und der Kurienkardinal Duraisamy Simon Lourdusamy.

Am 25. November 1987 wurde er Bischof von Rancagua. Von 1993 bis 1996 leitete er die Diözese Valparaíso.

1996 wurde er zunächst Pro-Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Am 21. Februar 1998 nahm ihn Papst Johannes Paul II. als Kardinaldiakon mit der Titeldiakonie San Saba in das Kardinalskollegium auf und ernannte ihn zwei Tage später zum Präfekten der Gottesdienst-Kongregation. Jorge Medina leitete mehrere Bischofssynoden und repräsentierte den Papst bei verschiedenen Anlässen im Ausland.

Am 26. Januar 1999 erließ die Kongregation unter Medinas Leitung erstmals seit 385 Jahren neue Vorschriften zum Exorzismus. Ein 84-seitiges vatikanisches Handbuch zur Teufelsaustreibung „De Exorcismis et Supplicationibus Quibusdam“ löste die bis dahin gültige Anleitung aus dem Jahr 1614 ab.

Am 1. Oktober 2002 nahm der Papst sein altersbedingtes Rücktrittsgesuch als Präfekt der Sakramentenkongregation an. Vom 24. Februar 2005 bis zum 23. Februar 2007 war er Kardinalprotodiakon. Mit diesem Amt kam ihm nach dem Konklave 2005 die Aufgabe zu, die Wahl Joseph Ratzingers zum Papst der Öffentlichkeit zu verkünden und ihm während der feierlichen Amtseinführung das Pallium umzulegen.

Medina war 2001 bis 2006 Mitglied der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei.

Am 1. März 2008 wurde Jorge Medina zum Kardinalpriester pro hac vice erhoben. Am Konklave 2013 nahm er wegen Überschreitung der Altersgrenze von 80 Jahren nicht mehr teil. Kardinal Medina starb 2021 im Alter von 94 Jahren und wurde in der Kathedrale seiner Heimatstadt Santiago de Chile beigesetzt.

Politische und gesellschaftliche Positionen

Medina wurde für seine Nähe zu dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet kritisiert. Als Pinochet, der für die Ermordung von mehr als 3000 Personen verantwortlich gemacht wird, in Großbritannien inhaftiert wurde, bezeichnete Medina dies als „Demütigung Chiles“. Der chilenische Außenminister kritisierte 1997 Medina, der sich gegen eine Suspendierung Pinochets als Senator auf Lebenszeit geäußert hatte, dies sei eine Einmischung der Kirche in staatliche Angelegenheiten. Medina äußerte sich auch kritisch zur Demokratie: „Die Tatsache, dass es Demokratie gibt, bedeutet nicht automatisch, dass Gott will, dass Demokratie praktiziert wird.“

Widerspruch und Empörung löste 2011 in Chile seine Reaktion auf den sexuellen Missbrauch aus, den der katholische Priester Fernando Karadima, sein früherer Schüler, verübt hatte. Medina hatte in einem Interview dessen Verbrechen als Folge von Homosexualität und „menschlicher Schwäche“ bezeichnet und bezweifelt, dass ein Siebzehnjähriger Opfer sexuellen Missbrauchs sei, denn „ein Siebzehnjähriger weiß, was er tut“.

Als Anfang 2009 ein schwuler Vater das Sorgerecht für seine Söhne zugesprochen bekommen hatte, ließ Medina verlauten, dass nach Paulus praktizierende Homosexuelle nicht das Reich Gottes schauen würden, und er daher glaube, dass solche Personen nicht fähig seien, andere zu erziehen, erst recht keine Kinder. „Wenn die Kinder Christen sind und dieses homosexuelle Zusammenleben ablehnen, entsteht eine Spannung, die nicht vorteilhaft ist. Wenn die Kinder diese Situation schließlich akzeptieren, bedeutet das, dass sie mit etwas Unmoralischem einverstanden sind.“ Die Federación Chilena de la Diversidad Sexual kritisierte diese Aussagen scharf.

2004 setzte sich Medina gegen das Aufstellen eines Altars des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida in der Jesuitenkirche St. Peter in Köln ein. Die Dreiteilung des Altars erfülle nicht die Vorgaben des kirchlichen Gesetzbuches.

Commons: Jorge Arturo Medina Estévez – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Axel Wolfsgruber: Kirche: Der Teufel ist wieder los. In: Focus. 6 (1999), 8. Februar 1999, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  2. Rinuncia del Prefetto della Congregazione per il Culto Divino e la Disciplina dei Sacramenti e Nomina del Successore. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 1. Oktober 2002, abgerufen am 16. Mai 2016 (italienisch).
  3. Nomina di Membri della Pontificia Commissione “Ecclesia Dei”. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 24. Februar 2001, abgerufen am 16. Mai 2016 (italienisch).
  4. Falleció Cardenal Jorge Medina Estévez. In: Iglesia.cl. 3. Oktober 2021, abgerufen am 3. Oktober 2021 (spanisch).
  5. Kardinal Jorge Medina Estévez in Chile gestorben. Vatican News, 4. Oktober 2021, abgerufen am 8. Oktober 2021.
  6. Austen Ivereigh: Latin America’s new starwerk. In: The Tablet. 21. September 2002, archiviert vom Original am 15. Februar 2005; abgerufen am 16. Mai 2016 (englisch, Interview mit Kardinal Oscar Andrés Rodríguez de Maradiaga).
  7. Interview mit Kardinal Medina in: La Cuarta de Santiago, 16. Oktober 1998.
  8. Rocco Palmo: “Cardinal Pinochet”. In: Whispers in the Loggia. 28. Dezember 2005, abgerufen am 16. Mai 2016 (englisch, Palmo ist Mitarbeiter der katholischen Londoner Wochenzeitschrift The Tablet).
  9. Cardenal Jorge Medina analiza caso Karadima. (Nicht mehr online verfügbar.) In: El Mercurio de Valparaíso. 2. April 2011, ehemals im Original; abgerufen am 4. Oktober 2021 (spanisch). (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
  10. Cardenal Jorge Medina: “Un homosexual no está formado valóricamente para criar hijos”. In: La Cuarta. 15. März 2009, archiviert vom Original am 19. Januar 2012; abgerufen am 16. Mai 2016 (spanisch).
  11. Christiane Hoffmannns: Sind diese Steine Gotteslästerung? Wie ein Altar von Eduardo Chillida für Unmut im Vatikan sorgt. In: Welt.de. 8. Februar 2004, abgerufen am 16. Mai 2016.
VorgängerAmtNachfolger
Alejandro Durán MoreiraBischof von Rancagua
1987–1993
Francisco Javier Prado Aránguiz SSCC
Francisco de Borja Valenzuela RíosBischof von Valparaíso
1993–1996
Francisco Javier Errázuriz Ossa
Antonio María Kardinal Javierre OrtasPräfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung
Pro-Präfekt 1996–1998, Präfekt 1998–2002
Francis Kardinal Arinze
Luigi Kardinal PoggiKardinalprotodiakon
2005–2007
Darío Kardinal Castrillón Hoyos
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