Das Konzentrationslager Breitenau in der Breitenau, einem Teil von Guxhagen im Schwalm-Eder-Kreis etwa 15 km südlich von Kassel, war eines der frühen Konzentrationslager, später ein Arbeitserziehungslager.

Die Geschichte des Lagers Breitenau in der Zeit des Nationalsozialismus gliedert sich in zwei Abschnitte: die Jahre 1933 bis 1934 und die Zeit von 1940 bis Kriegsende 1945. Das Lager Breitenau war dabei zu keinem Zeitpunkt ein Vernichtungslager. Den Kern des KZs bildet das ehemalige Kloster Breitenau.

Vorgeschichte

Den Mittelpunkt des Lagers Breitenau bilden die ehemaligen Klostergebäude aus dem 12. Jahrhundert. Gegründet 1113, wurde das Kloster 1528 im Zuge der Reformation in Hessen wieder aufgelöst. Das Kirchengebäude diente danach als Kornspeicher und Pferdestall, im Kirchenschiff wurden Zwischendecken eingezogen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Klosteranlage stark zerstört und geplündert. Die ehemalige Klosterkirche wurde nach Kriegsende wieder in Stand gesetzt, teilweise gab es Pläne der hessischen Landgrafen, sie zu einem Lustschloss umzubauen. Diese wurden aber niemals umgesetzt. Der Rest des ehemaligen Klosters verfiel weitgehend.

1874 wurde dort eine „Korrektions- und Landarmenanstalt“ für Bettler, Landstreicher, Prostituierte und „verwahrloste“ Jugendliche eingerichtet, später „Landesarbeitsanstalt und Landesführsorgeheim Breitenau“ genannt. 1911 kam ein Zellenbau hinzu, der vor allem für Häftlinge aus dem Kasseler Zuchthaus Wehlheiden genutzt wurde. Später erhielt das Gefängnis den Namen und die Aufgabe „Landesarbeiteranstalt und Landesfürsorgeheim Breitenau“.

KZ Breitenau 1933–1934

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 setzte eine Verhaftungswelle der SS und SA bei politischen Gegnern ein. Innerhalb von wenigen Monaten wurden Zehntausende Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter festgenommen. Diese Verhaftungen erfolgten ohne richterlichen Beschluss oder Gerichtsverfahren, allein auf der Grundlage eines „Schutzhaftbefehls“. Die Verhafteten wurden in Gefängnisse sowie provisorische Haftanstalten eingesperrt und dort auch misshandelt und gefoltert. Man spricht dabei von „frühen Konzentrationslagern“. Im KZ Breitenau waren in der Zeit von Juni 1933 bis März 1934 insgesamt 470 politische Gefangene inhaftiert, die aus 139 hessischen Gemeinden kamen. Unter den Gefangenen war der Sozialdemokrat Ludwig Pappenheim.

In der lokalen Presse wurde über das Konzentrationslager berichtet: „Selbstverständlich sollen die Konzentrationslager keine Dauereinrichtung sein. Sie haben lediglich den Zweck, die unsauberen Elemente unschädlich zu machen und sie gegebenenfalls, das muss angestrebt werden, zu Staatsbürgern zu machen, die sich in die neue Form der Volksgemeinschaft willig einreihen.“ Im März 1934 wurde das Konzentrationslager aufgelöst.

In der Hersfelder Zeitung wurde im Juni 1933 unter anderem von der vorgeblichen Qualität und Schmackhaftigkeit des Essens und den Waschmöglichkeiten der Häftlinge berichtet.

Arbeitserziehungslager Breitenau 1940–1945

Vom Sommer 1940 bis zum Kriegsende 1945 wurde im ehemaligen KZ Breitenau ein Arbeitserziehungslager eingerichtet, das der Kasseler Gestapo unterstand. Insgesamt waren etwa 8500 Schutzhäftlinge dort inhaftiert, die meisten von ihnen für einen Zeitraum von etwa 8 Wochen. Der überwiegende Teil dieser Gefangenen waren ausländische Zwangsarbeiter, die von der Gestapo verhaftet worden waren, weil sie in irgendeiner Form den Bedingungen der auferlegten Zwangsarbeit zuwidergehandelt hatten.

Im Arbeitserziehungslager sollte den Häftlingen verdeutlicht werden, was ihnen ‚blüht‘, wenn sie am Arbeitsplatz nicht die gewünschten Verhaltensweisen zeigten. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren denen in KZs vergleichbar. Der Aufenthalt war auf etwa 8 Wochen begrenzt, um die Häftlinge nach der „Disziplinierung“ wieder in der Produktion einsetzen zu können. Neben den ausländischen Gefangenen waren in Breitenau auch Deutsche inhaftiert: kritische Arbeiter, oppositionelle „Volksfeinde“ und Juden; auch die jüdische Ärztin Lilli Jahn musste hier Zwangsarbeit leisten, bevor sie 1944 nach Auschwitz deportiert wurde. – Neben der Funktion als Arbeitserziehungslager war das Lager Breitenau auch gleichzeitig Konzentrationssammellager. Während der Haftzeit wurde entschieden, ob ein Gefangener zum Arbeitsplatz entlassen oder deportiert wurde. Jüdische Gefangene wurden ab Ende 1941 meist mit dem nächsten Sammeltransport in „den Osten“ verbracht, wo die meisten von ihnen ermordet wurden. Etwa einer von fünf Gefangenen wurde vom Lager Breitenau aus in ein Konzentrationslager verschleppt.

Gedenkstätte Breitenau

Heute erinnert die „Gedenkstätte Breitenau“ an das ehemalige Lager. Sie befindet sich in der ehemaligen Zehntscheune des Klosters auf dem Gelände des heutigen psychiatrischen Krankenhauses.

Besonders beachtlich an den Resten dieses Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers ist der Erhalt vor Ort, trotz einer von der SS am Kriegsende durchgeführten teilweisen Aktenvernichtung, sehr vieler Originaldokumente, so auch des Hauptaufnahmebuchs der Landesarbeitsanstalt von 1895 bis 1945, die eine weitere Forschung ermöglichen.

Seit 2019 leitet die Historikerin und Gedenkstättenpädagogin Ann Katrin Düben die Gedenkstätte.

Im November 2022 berichtete der Hessische Rundfunk über den Fund von Botschaften von NS-Zwangsarbeitern an den Wänden im ehemaligen Kloster Breitenau.

Literatur

  • Wolfgang Ayaß: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874–1949). Herausgegeben vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde, Jenior und Pressler, Kassel 1992 (= Nationalsozialismus in Nordhessen, Band 14: Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Heft 23) (Dissertation Gesamthochschule Kassel 1991), ISBN 3-88122-670-2.
  • Willi Belz: Die Standhaften. Über den Widerstand in Kassel 1933 – 1945. Schromm, Ludwigsburg 1960, 2., erweiterte Auflage: Belz, Kassel 1978, DNB 780567846.
  • Martin Doerry: „Mein verwundetes Herz.“ Das Leben der Lilli Jahn 1900–1944. dtv, München 2004, ISBN 3-423-34146-7; auch: bei der Bundeszentrale für politische Bildung BpB, Bonn.
  • Ann Katrin Düben: „Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung“. Das frühe Konzentrationslager Breitenau bei Kassel. In: informationen. Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933–1945, Bd. 93 (2021).
  • Ann Katrin Düben: Verfolgt wegen „verbotenen Umgangs“. Deutsche Frauen im „Arbeitserziehungslager“ Breitenau und ihr Bemühen um Anerkennung, in: Insa Eschebach/ Christine Glauning/ Silke Schneider (Hrsg.): Verbotener Umgang mit „Fremdvölkischen“. Kriminalisierung und Verfolgungspraxis im Nationalsozialismus, Berlin 2023, S. 251–268. ISBN 978-3-86331-680-8.
  • Hersfelder Zeitung vom 24. Juni 1933. In: Richter: Breitenau. Zur Geschichte …. 1993, S. 71, Jenior & Pressler, Kassel 1993, ISBN 3-928172-25-5.
  • Monika Hölscher (Hrsg.) Arbeitskreis Synagoge in Vöhl e.V. und Gedenkstätte Breitenau, in der Reihe Hessische GeschichteN 1933-1945, HLZ 2014 Wiesbaden, (Download pdf).
  • Dietfrid Krause-Vilmar, Stephan von Borstel: Breitenau 1933–1945. Bilder - texte - dokumente – images - texts - documents. Zweisprachig (deutsch/englisch). Kassel University Press 2008, ISBN 978-3-89958-357-1. Auch als PDF zum Download (8,7 MB; PDF-Datei).
  • Dietfrid Krause-Vilmar: Das Konzentrationslager Breitenau. Ein staatliches Schutzhaftlager 1933/34, Marburg 1998.
  • Gunnar Richter (Hrsg.): Breitenau. Zur Geschichte eines nationalsozialistischen Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers. Jenior & Pressler, Kassel 1993, ISBN 3-928172-25-5.
  • Gunnar Richter: Das Arbeitserziehungslager Breitenau (1940–1945) - Ein Beitrag zum nationalsozialistischen Lagersystem, Kassel 2004, Dissertation Universität Kassel (PDF; 9,22 MB).
  • Gaby Zipfel: Verdrängte Täterinnen. Frauen als Akteurinnen im Nationalsozialismus. In: Förderverein der Gedenkstätte Breitenau, Rundbrief, Kassel 2001, S. 45–60.

Einzelnachweise

  1. Eine Stunde unter Schutzhäftlingen. Besuch im Konzentrationslager Breitenau. In: Kasseler Post vom 23. Juni 1933.
  2. hessenschau de, Frankfurt Germany: Restauratoren entdecken Botschaften von NS-Zwangsarbeitern. Abgerufen am 3. Januar 2023.

Koordinaten: 51° 12′ 11″ N,  28′ 32″ O

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