Kambyses II. (persisch کمبوجیه Kambūdschīye [kʲæmbuːʤiˈɛ], altpersisch Kabūjiya, griechisch Καμβύσης Kambýsēs; * um 558 v. Chr.; † Juli 522 v. Chr.) war ein persischer König. Er war der älteste Sohn des Kyros II., der als dessen Nachfolger und 7. achämenidischer König von 529 bis 522 v. Chr. regierte.
Anfänge
Etwa ein Jahr nach dem festlichen Empfang von Kyros II. in Babylon starb Ugbaru im Jahr 538 v. Chr. am 18. Oktober. Nach dem Tod des Ugbaru setzte Kyros II. seinen Sohn Kambyses II. als Nachfolger ein und verlieh ihm den Titel „König von Babylon“, während er selbst den übergeordneten Rang „König der Länder“ führte. Kassandane, die Gattin des Perserkönigs, erlitt wenige Monate später das gleiche Schicksal wie Ugbaru und starb am 28. März 537 v. Chr. Nach der angeordneten siebentägigen Staatstrauer begannen am 5. April 537 v. Chr. die offiziellen Feierlichkeiten des babylonischen Neujahrsfests. Kambyses II., der anscheinend mit dem babylonischen Protokoll nicht vertraut war, erschien in Heereskleidung zur Begrüßung der babylonischen Gottheiten. Er löste damit einen Eklat aus, der die Priesterschaft brüskierte und beleidigte. Wahrscheinlich musste Kambyses II. deshalb bald darauf sein Amt dem Nachfolger Gobryas übergeben, der in der babylonischen Chronik offiziell ab 536 v. Chr. als Satrap von Babylon und der Transeuphratene geführt wurde. Noch bevor Kyros II. einige Jahre später zu seinem letzten Feldzug aufbrach, bestimmte er – um die Thronfolge zu gewährleisten – Kambyses II. zu seinem Nachfolger. Er folgte seinem Vater im Juli/August 529 v. Chr. auf den persischen Königsthron.
Ägyptenfeldzug
Als Kambyses II. die Macht von seinem Vater übernahm, war Ägypten das einzige Reich, das neben Persien eine ernstzunehmende Macht darstellte. Bereits Kyros II. hatte die Absicht, Gebiete jenseits des Euphrats an Babylonien anzuschließen, „was über kurz oder lang die tatsächliche Unterwerfung der Länder zwischen Euphrat und Nil voraussetzte“. Dadurch kamen die persischen Interessen mit denjenigen von Ägypten in Konflikt, das zu griechischen Städten und Inseln in Europa und Kleinasien verschiedenste wirtschaftliche Verbindungen hatte.
Die ab 526 v. Chr. durchgeführten Kriegsvorbereitungen waren sorgfältig geplant. Dies kann daran abgelesen werden, dass Kambyses II. ein Bündnis mit Polykrates von Samos abschloss, dessen Bruder Syloson ein Flottenkontingent von Samos nach Ägypten führte, das allerdings meuterte. Angeblich war auch Krösus als Berater am Feldzug beteiligt. Die Wasserversorgung für den Wüstenzug der Truppen wurde durch einen Vertrag mit den Arabern der Sinai-Halbinsel gesichert. Die Schlacht bei Pelusium im Mai 525 v. Chr. brachte den Sieg über die ägyptischen Grenztruppen. Die Hauptstadt Memphis mit der versammelten Flotte wurde nach einer kurzen Belagerung genommen.
Der Aufenthalt des Kambyses II. in Ägypten von nahezu drei Jahren lässt einigen Raum für Spekulationen. Nach Herodot führte er einen Feldzug nach Nubien durch. Dieser scheint Herodot zufolge erfolglos verlaufen zu sein, doch deuten archäologische Funde darauf hin, dass die Perser wenigstens im nördlichen Nubien einige Erfolge verbuchen konnten. Eine laut Herodot zur Oase Siwa entsandte Armee soll in einem Sandsturm untergegangen sein.
Nach Herodot (3,1) heiratete er die – mindestens 40 Jahre alte – ägyptische Prinzessin Nitetis, wahrscheinlich die letzte Überlebende der saitischen Dynastie, um seinen Anspruch auf den ägyptischen Thron zu legitimieren.
Tod
Durch die Inschrift von Behistun (DB§ 11) und babylonische Archivaufzeichnungen ist belegt, dass Kambyses II. nach dem 1. Juli 522 v. Chr. gestorben ist und sich gemäß Herodot zum Zeitpunkt seines Todes in Syrien befand. Die Umstände seines Todes sind unklar. Die Inschrift von Behistun spricht von einem Tod „durch eigene Hand“. Nach heutigem Wissensstand kann diese Aussage als natürlicher Tod, ein Unfall oder als Selbstmord interpretiert werden. Neben der Behistun-Inschrift berichten ägyptische und antike Quellen über das Ende von Kambyses II. Die Demotische Chronik sagt, dass er auf seiner Reise gestorben sei. Herodot berichtet von einem selbstverschuldeten Tod, als Kambyses II. sein Pferd besteigen wollte und sich mit seinem eigenen Schwert dabei verletzte. Gemäß einem weiteren antiken Schriftsteller, Ktesias von Knidos, sei der König Zuhause in Babylon verunfallt.
Kambyses II. hinterließ keine Kinder. Bei Pasargadae hatte er sich ein dem Grab seines Vaters ähnliches Grabmal bauen lassen, das jedoch nicht vollendet wurde.
Literarische Rezeption
Spätestens seit Herodot galt Kambyses in der antiken Literatur als Inbegriff des tyrannischen Herrschers. Im spätantiken koptischen Kambysesroman etwa wird Kambyses als grausam, feige und hinterlistig geschildert und dem ebenfalls als gottlosem Despoten verrufenen babylonischen König Nebukadnezar II. gleichgesetzt. Diese Einschätzung spiegelt die persische und ägyptische Propaganda gegen Kambyses II. wider. Er war bei der persischen Stammesaristokratie unbeliebt, weil er dazu neigte, die Macht in seinen eigenen Händen zu zentralisieren. Die ägyptischen Priester wiederum verbreiteten falsche Geschichten über ihn, weil er die Einnahmen ihrer Tempel reduziert hatte.
Stammbaum des Kambyses II.
Achaimenes 1. König, Regent von Persien | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Teispes 2. König, Regent von Anschan | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ariaramna I. 3. König, König in der Persis | Kyros I. 4. König, König von Anschan | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Arschama I. Regionalregent | Kambyses I. 5. König, König von Anschan | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hystaspes Satrap | Kyros II. 6. König, Regent von Persien | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Dareios I. 9. König, Regent von Persien | Kambyses II. 7. König, Regent von Persien | Bardiya 8. König, Regent von Persien (oder Gaumata als Smerdis) | Artystone Prinzessin | Atossa Prinzessin | Roxane Prinzessin | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Xerxes I. 10. König, Regent von Persien | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Artaxerxes I. 11. König, Regent von Persien | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Verheiratet war er mit seinen Halbschwestern Atossa und Roxane († 523 v. Chr. in Ägypten an einer Fehlgeburt) sowie der genannten Nitetis. Er hinterließ keine Kinder.
Siehe auch
Literatur
- Leo Depuydt: Saite and Persian Egypt, 664 BC–332 BC (Dyns. 26–31, Psammetichus I to Alexander’s Conquest of Egypt). In: Erik Hornung, Rolf Krauss, David A. Warburton (Hrsg.): Ancient Egyptian Chronology (= Handbook of Oriental studies. Section One. The Near and Middle East. Band 83). Brill, Leiden/ Boston 2006, ISBN 978-90-04-11385-5, S. 265–283 (Online).
- Heidemarie Koch: Achämeniden-Studien. Harrassowitz, Wiesbaden 1993, ISBN 3-447-03328-2.
- Otto Kaiser, Bernd Janowski, Gernot Wilhelm, Daniel Schwemer (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 1 – Neue Folge, Gütersloh 2004, ISBN 3-579-05289-6.
- Thomas Schneider: Lexikon der Pharaonen. Albatros, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-96053-3, S. 142–143.
- Josef Wiesehöfer: Das antike Persien 550 v. Chr bis 650 n. Chr. Patmos, Düsseldorf 2005, ISBN 3-491-96151-3.
- Karen Engelken: KAMBYSES. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 992–999.
Weblinks
- Kambyses II. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. (englisch, iranicaonline.org – mit Literaturangaben).
Anmerkungen
- ↑ Paris, Louvre Inventarnummer N 407, (Datenbankeintrag beim Louvre).
- ↑ Roland Grubb Kent: Old Persian. Grammar, Texts, Lexicon. 2. Revidierte Edition (= American Oriental Series. Band 33). American Oriental Society, New Haven 1953, S. 117; siehe auch Manfred Mayrhofer: Iranisches Personennamenbuch. Band 1, Wien 1979, S. II/23.
- ↑ Wilhelm Gemoll, Karl Vretska, Heinze Kronasser: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. 9. Auflage, G. Freytag, München/ Hölder-Pichler-Tempsky, Wien; beide 1979, S. 406 linke Spalte.
- ↑ Konrat Ziegler, Walther Sontheimer (Hrsg.): Der Kleine Pauly. Band 3: Iuppiter bis Nasidienus. Druckenmüller, Stuttgart 1969, Spalte 418.
- ↑ In der Literatur wird auch die Angabe kurz danach verwendet und das Jahr 539 v. Chr. angesetzt. Rüdiger Schmitt verweist jedoch in der Encyclopædia Iranica auf die Möglichkeit von einem Jahr. Die Chronologie der Nabonaid-Chronik setzt entsprechend auch eine einjährige Amtsdauer an.
- ↑ Gemäß Nabonaid-Chronik in der Nacht des 11. Arahsamna. Im proleptischen julianischen Kalender 538 v. Chr. fiel der 11. Arahsamna auf den 25. Oktober und der Frühlingsanfang auf den 28. März. In Umrechnung auf den heutigen gregorianischen Kalender müssen daher 7 Tage in Abzug gebracht werden. Berechnungen nach Jean Meeus: Astronomische Algorithmen – Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5, Barth, Leipzig 2000 und Ephemeris Tool 4,5 Umrechnungsprogramm.
- ↑ Hubert Cancik: Der Neue Pauly (DNP) – Enzyklopädie der Antike. Band 6, Metzler, Stuttgart 2003, S. 219.
- ↑ Dietz-Otto Edzard: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie (RLA). Band 6, Berlin 1983, S. 402.
- ↑ Herodot, Historien 2, 1; 3, 2.
- ↑ Gemäß Nabonaid-Chronik am 26. Adaru. Im proleptischen julianischen Kalender 537 v. Chr. fiel der 26. Adaru auf den 4. April und der Frühlingsanfang auf den 28. März. In Umrechnung auf den heutigen gregorianischen Kalender müssen daher 7 Tage in Abzug gebracht werden. Berechnungen nach Jean Meeus: Astronomische Algorithmen – Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5, Barth, Leipzig 2000 und Ephemeris Tool 4,5 Umrechnungsprogramm.
- ↑ Gemäß Nabonaid-Chronik am 4. Nisanu (8 Tage nach dem Todesdatum der Kassandane).
- ↑ Nach Urkunden im 4. Regierungsjahr von Kyros II., vgl. dazu Hubert Cancik: Der Neue Pauly (DNP) – Enzyklopädie der Antike. Band 4, Metzler, Stuttgart 2003, S. 1126. Ein genaues Datum wird in der Chronik nicht genannt. Nach babylonischer Zählung der Regierungsjahre wird das gesamte Jahr dem alten Amtsinhaber zugeschlagen, auch wenn er nicht das volle Jahre regiert hat. Die Amtsübergabe an Gobryas erfolgte im Laufe des Jahres 537 v. Chr.; die Nennung als neuer Amtsinhaber wurde dann offiziell ab 536 v. Chr. chronologisch vermerkt.
- ↑ Pierre Briant: Histoire de l’Empire perse. De Cyrus à Alexandre. Paris 1996, S. 61.
- ↑ Pierre Briant: From Cyrus to Alexander. Winona Lake 2002, S. 54–55.
- ↑ Herodot, Historien 3.62. (online).
- ↑ Herodot, Historien 3.64 online
- ↑ Muchammad Dandamajew: Kambyses II. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 15. Dezember 1990 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 20. Mai 2022] mit Literaturangaben).
- ↑ Erika Bleibtreu: Achaimenidische Kunst. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 186–219, hier: S. 188.
- ↑ Truesdell S. Brown: Herodotus’ Portrait of Cambyses. In: Historia. Band 31, Nr. 4, 1982, S. 387–403; John Dillery: Cambyses and the Egyptian Chaosbeschreibung Tradition. In: The Classical Quarterly. Band 55, Nr. 2, 2005, S. 387–406.
- ↑ Alan B. Lloyd: Cambyses in late tradition. In: Christopher Eyre, Anthony Leahy, Lisa Montagno Leahy (Hrsg.): The Unbroken Reed. Studies in the Culture and Heritage of Ancient Egypt in Honour of A. F. Shore. London 1994, S. 195–204; S. 196.
- ↑ Muchammad Dandamajew: Kambyses II. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 15. Dezember 1990 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 20. Mai 2022] mit Literaturangaben).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Kyros II. | Persischer König 529–522 v. Chr. | Dareios I. |
Psammetich III. | Pharao von Ägypten 27. Dynastie | Dareios I. |
Kyros II. | König von Babylonien 538–537 v. Chr. (Amtsenthebung) | unklar, ob Kyros II. den Titel wieder übernahm |