Karl Friedrich Reinhard, französisch Charles Frédéric, comte Reinhard, (* 2. Oktober 1761 in Schorndorf, Württemberg; † 25. Dezember 1837 in Paris) war ein französischer Diplomat, Staatsmann und Schriftsteller deutscher Herkunft. Talleyrand nannte ihn „Das Geschenk Tübingens an Frankreich“.
Leben
Reinhard war ein Sohn des Pfarrers Georg Christoph Reinhard (1732–1800) und der Schorndorfer Dekanstochter Katharina Benedikte Hiemer (1742–1786), Enkelin von Eberhard Friedrich Hiemer. Reinhard besuchte die Lateinschule in Schorndorf, von 1774 bis 1778 die Evangelischen Klosterschulen in Denkendorf und Maulbronn und studierte anschließend in Tübingen Theologie und Philologie. Er wurde 1787 Erzieher in einem Handelshaus in Bordeaux, erhielt 1791 in Paris durch Sieyès eine Sekretärstelle im Außenministerium und ging 1792 als erster Gesandtschaftssekretär nach London und 1793 nach Neapel.
Unter der Schreckensherrschaft bekleidete er die Stelle eines Divisionschefs im Außenministerium, wurde 1795 französischer Gesandter bei den Hansestädten, 1798 in Florenz. 1799 war er einige Monate Minister des Auswärtigen, dann Gesandter in der Schweiz, 1801 in Mailand, 1802 wieder in Hamburg und endlich 1805 französischer Generalkonsul und Resident in Jassy, wo er beim Einmarsch der Russen 1806 mit seiner Familie verhaftet, auf Befehl Zar Alexanders aber wieder freigegeben wurde. 1809 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt. Seit 1795 war er Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres.
Nach Frankreich zurückgekehrt, lebte er auf seinem Gut Falkenlust am Rhein, bis ihn Napoleon I. 1808 zum Gesandten am westfälischen Hof zu Kassel ernannte. Nach der ersten Restauration wurde er Kanzleidirektor im Ministerium des Auswärtigen und Staatsrat, von Ludwig XVIII. 1815 zum Grafen ernannt und nach der zweiten Restauration Gesandter beim Bundestag des Deutschen Bundes in Frankfurt am Main. 1829 wurde er in den Ruhestand versetzt, doch war er nach der Julirevolution bis 1832 wieder Gesandter am sächsischen Hof in Dresden. Er wurde 1832 zum Pair ernannt und als Franzose naturalisiert.
Er starb am 25. Dezember 1837 in Paris und wurde auf dem Friedhof Montmartre beigesetzt. Sein „Briefwechsel mit Goethe“ erschien 1850 in Stuttgart.
Reinhard war seit 1796 mit Christine Reimarus, Tochter von Sophie Reimarus, verheiratet (der Ehe entstammten drei Kinder), danach seit 1825 mit Virginie von Wimpffen (1801–1886).
Literatur
- Ina Ulrike Paul: Karl Friedrich Graf Reinhard (1761–1837). Diplomat und homme de lettres. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte. Bd. 82 (2023), S. 247–269.
- Ina Ulrike Paul: Karl Friedrich Reinhard – Charles-Frédéric Comte de Reinhard. Französischer Verfassungspatriot und Weltbürger. In: Francia, Jg. 43 (2016), S. 367–390.
- Hans-Werner Engels: Der deutsch-französische Minister – Deutschland war seine Heimat, Frankreich sein Schicksal, Weimar seine Welt: Das erstaunliche Leben des Karl Friedrich Reinhard, der für kurze Zeit sogar das Pariser Außenamt führte. In: Die Zeit. 7. Januar 2010 (Web-Ressource).
- Ina Ulrike Paul: Reinhard, Karl Friedrich Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 355–357 (Digitalisat).
- Theodor Heuss: Graf Reinhard. In: Ders.: Schattenbeschwörung. Randfiguren der Geschichte. Wunderlich, Stuttgart u. a. 1947; Klöpfer und Meyer, Tübingen, 1999, ISBN 3-931402-52-5.
- Hermann Uhrig: Karl Friedrich Reinhard. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 7, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4, Sp. 1543–1555.
- Jean Delinière: Ein deutscher Aufklärer im Dienste Frankreichs (1761–1837). Kohlhammer, Stuttgart 1989, ISBN 3-17-009960-4.
- Else R. Gross (Hrsg.): Karl Friedrich Reinhard 1761–1837. Ein Leben für Frankreich und Deutschland. Gedenkschrift zum 200. Geburtstag. Stuttgart 1961.
- Wilhelm Lang: Graf Reinhard: Ein deutsch-französisches Lebensbild 1761–1837. Buchner, Bamberg 1896, Digitalisat
- Wilhelm Lang: Reinhard, Karl Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 44–63.
- Adolf Wohlwill: Reinhard als französischer Gesandter in Hamburg und die Neutralitätsbestrebungen der Hansestädte in den Jahren 1795–1797. In: Hansische Geschichtsblätter. Band 2, 1875, S. 53–121. (Digitalisat)
- Gottschalk Eduard Guhrauer: Graf Karl Friedrich Reinhard. In: Historisches Taschenbuch. 7. Bd. Brockhaus, Leipzig 1846, S. 187–275, Digitalisat
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 199.
- ↑ Hans-Werner Engels: Der deutsch-französische Minister – Deutschland war seine Heimat, Frankreich sein Schicksal, Weimar seine Welt: Das erstaunliche Leben des Karl Friedrich Reinhard, der für kurze Zeit sogar das Pariser Aussenamt führte, DIE ZEIT Nr. 2, 7. Januar 2010.
- ↑ Franklin Kopitzsch, Daniel Tilgner (Hrsg.): Hamburg Lexikon. 4., aktualisierte und erweiterte Sonderausgabe. Ellert & Richter, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8319-0373-3, S. 574.
- ↑ Erhard Fischer: Lebensbilder aus Schorndorf. Schorndorf 1988, S. 90.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Louis-Grégoire Le Hoc Jean Benedict Lemaître (Gt) | Französischer Gesandter bei den Hansestädten 1795 bis 1798 1802 bis 1805 | Jean Benedict Lemaître (Gt) Louis Antoine Fauvelet de Bourrienne |
Französischer Gesandter in der Toskana 1798 bis 1799 | ||
Charles-Maurice de Talleyrand | Französischer Außenminister 20. Juli 1799 bis 22. November 1799 | Charles-Maurice de Talleyrand |
– | Französischer Gesandter beim Deutschen Bund 1818 bis 1830 | Jean Baptiste de Alleye de Ciprey |
Louis Charles Victor de Riquet de Caraman | Französischer Gesandter in Sachsen 1830 bis 1832 | Paul-Charles-Amable de Bourgoing |