Carl Caspar Siebold, ab 1801 von Siebold, auch Karl Kaspar von Siebold (* 4. November 1736 in Nideggen/Herzogtum Jülich; † 3. April 1807 in Würzburg), war ein deutscher Anatom, Chirurg und Geburtshelfer und von 1769 bis 1803 Professor an der Universität Würzburg. Er gilt als Begründer der modernen akademischen Chirurgie.

Leben und Wirken

Siebold war der einzige Sohn des Wundarztes Johann Christoph Siebold und seiner Ehefrau Esther, geborene Brünninghausen. Nach einem 1752 aufgenommenen und 1753 mit der Promotion abgeschlossenen Philosophiestudium in Köln, wurde Siebold ab 1755 zunächst von seinem Vater als Wundarzt ausgebildet und sammelte ab 1757 erste Erfahrungen als Feldscher in einem französischen Militärlazarett in Wesel, bevor er zunächst nach Frankfurt und dann nach Würzburg verlegt wurde, wo er im Feldspital der Kursächsischen Truppen ärztlich tätig war. Am 1. August 1760 verließ er den französischen Militärdienst. Danach schloss er sich dem Würzburger Anatomieprofessor und Oberchirurgen Georg Christoph Stang (1703–1779) am Juliusspital, der Würzburger Universitätsklinik, als Obergehilfe an und studierte als 24-Jähriger Medizin in Würzburg, wo er am 30. März 1763 sein Examen mit Auszeichnung bestand und erhielt vom Fürstbisch Adam Friedrich von Seinsheim ein Reisestipendium für Paris und „Holland“. Nach dieser annähernd drei Jahre dauernden Studienreise, die mit mehreren Auslandsaufenthalten in Paris (wo er Schüler der Oberwundärzte George de la Faye und Jean-Jacques Moreau war), Rouen (wo er den Steinschnitt-Spezialisten für Blasensteinoperationen Claude Nicolas Lecat traf und dessen Operationsmethode er 1770 im Juliusspital anwandte), London (wo er John Hunter, William Hunter, Caesar Hawkins, Percivall Pott und den Chirurgen William Bromfield kennenlernte) und Leiden verbunden war, wurde er 1766 Leibwundarzt des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim.

Nach dem Erwerb des medizinischen Doktorgrades im Januar 1769 und einer Tätigkeit als Adjunkt des ehemaligen Wundarztes Georg Ludwig Hueber (1703–1779), ein gebürtiger Würzburger, der von 1737 bis 1769 als ordentlicher Professor der Anatomie, Chirurgie, Chemie, Geburtshilfe und praktischen Medizin am Juliusspital vor allem theoretisch wirkte, und dem eher praktisch arbeitenden Oberwundarzt Georg Christoph Stang, trat er nach deren Tod deren auf ihn vereinigte Stellen als Oberwundarzt im Jahr 1769 an und erhielt 1769 die ordentliche Professur und damit den Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe an der Universität Würzburg an. Damit begründete er Ende August 1769 die Chirurgische Universitätsklinik Würzburg. Im Jahr 1771 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt und erhielt dort den Beinamen „Philotimus III“.

Durch Berufung zum Oberwundarzt des Juliusspitals im Jahre 1776 kam Siebold, der 1774 auch Stadt- und Landhebammenmeister geworden war, in die Position, Theorie und Praxis verbinden zu können. Dies äußerte sich besonders in der Entwicklung neuer Operationsmethoden, wie zum Beispiel einer verbesserten Form der Staroperation (Herausschneiden der getrübten Augenlinse) ab 1766 oder der erfolgreichen Anwendung des Blasenschnitts zur Entfernung von Harnsteinen ab 1768, und Hygienemaßstäbe, welche 1805 zu der Einrichtung des ersten modernen Operationssaals der Welt führte, der bis zum Jahr 1890 genutzt wurde.

Um seine (auch in Kontroversen mit der Obrigkeit durchgesetzten) Verdienste als Wundarzt im Krieg um 600 verwundete Soldaten der Schlacht um Würzburg und das Kürnachtal im Jahr 1796 zu würdigen, wurde Siebold, der auch schon 1784 als Princeps chirurgorum galt, 1801 durch den Kaiser Franz II. in den Reichsadelstand erhoben und ihm damit ein erblicher Adelstitel verliehen.

Siebold gehört zu den Ersten in Deutschland, welche die Chirurgie in die Gesamtmedizin integrierten. Er war 1784 entscheidend am Zustandekommen einer ärztlichen Standesordnung beteiligt, nach der „in hochfürstlichen Landen kein Chirurgicus, Wundarzt oder Bader auf- und angenommen wird, wenn solcher nicht vorher von der medizinischen Fakultät gründlich geprüft sei“.

Im Jahr 1803 wurde er emeritiert. Seine Nachfolge als Professor der Chirurgie hatte bereits 1797 Johann Barthel von Siebold angetreten.

An seinem 275. Geburtstag wurde an dem noch vorhandenen Mauerrest seines Geburtshauses eine Gedenkplakette angebracht. Sie wurde am 4. November 2011 von Bürgermeisterin Margit Göckemeyer enthüllt.

Die Zeit, als Siebold und drei seiner Söhne gleichzeitig am Juliusspital wirkten, wird als Sieboldiana bzw. ihre Wirkungsstätte als Academia Sieboldiana bezeichnet.

Schüler von Siebolds waren unter anderem:

Ehe und Nachkommen

Siebold heiratete am 15. Juni 1765 Anna Margaretha Veronica Stang (* 9. Februar 1744; † 12. November 1793). Das Paar hatte mehrere Söhne:

  • (Johann) Georg Christoph Siebold (* 30. Juni 1767; † 18. Januar 1798, gestorben an einem Lungenleiden), führte als Nachfolger seines Vaters am Juliusspital den medizinisch-klinischen Unterricht ein, Professor der Heilkunde, Geburtshilfe und Chirurgie ⚭ Maria Apolonia Josepha Lotz (* 29. September 1768; † 13. November 1845), Eltern von Philipp Franz von Siebold
  • (Johann Heinrich) Theodor Damian (* 14. August 1768; † 6. Dezember 1828), Medizinalrat ⚭ 1795 Marianne Regine Caroline Josephine Henning verw. Heiland (* 14. Dezember 1771; † 28. Februar 1849), Mediziner und Ehrendoktor
  • Johann Bartholomäus (* 3. Februar 1774; † 28. Januar 1814), Chirurg und Anatom ⚭ Magarethe Schmitt
  • Adam Elias (* 5. März 1775; † 12. Juli 1828), Mediziner
⚭ 1800 Sophie Luise Schaeffer (1779–1816), Eltern von Carl von Siebold, Arzt und Zoologe
⚭ 1823 Friederike Auguste Pauly (1806–1845)

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Rede von den Vortheilen, welche der Staat durch oeffentliche anatomische Lehrveranstaltungen gewinnt. Bey der feyerlichen Einweyhung des neuen anatomischen Theaters im Julius Spital zu Wirzburg den 9. Julius 1788. Grattenauer, Nürnberg 1788.
  • Historia tumoris et haemorraghiae alveolaris chronicae feliciter sanatae cum epicrisis. Programma, quo ad inaugurationem solemnem theatri anatomici in nosocomio a divo Iulio erecto, munificentia clementissima Principis exstructi, ampliati, exornati, die IX. Julii MDCCLXXXVIII oratione peragendam invitat C. C. Siebold. Stiftung Juliusspital, Würzburg 1788 (in Juliusspital-Archiv, Akte 4486).
  • Chirurgisches Tagebuch. Grattenauer, Nürnberg 1792 (online Internet Archive).
  • Über Quacksalber im Wirzburgischen und dessen Nachbarschaft. In: Journal von und für Franken. Band 5, 1792, S. 454–562.
  • Dissertatio Inauguralis Philosophico-Medica Sistens Tentamen Evolvendi Notionem De Sanitate Hominis. F. E. Nitribitt, Würzburg 1794. (Digitalisat)
  • mit Adalbert Friedrich Marcus: Beschreibung der letzten Krankheit des Hochwürdigsten […] Herrn Franz Ludwig, Bischofes zu Bamberg und Würzburg […] aus dem reichsfrey-adeligen Geschlechte von und zu Erthal. Sartorius, Würzburg 1795.
    • mit anderen: Historia morbis feralis […] Domini Francisci Ludovici, Episcopi Bambergensis et Wirceburgensis […]. Sartorius, Würzburg 1795.

Literatur

  • Franz von Winckel: Siebold, Karl Kaspar von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 186.
  • Werner E. Gerabek: Siebold, Carl Caspar. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 326 f. (Digitalisat).
  • Werner E. Gerabek: Siebold, Karl Kaspar von. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1328 f.
  • Siebold, 1) Karl Kaspar von. In: Meyers Konversations-Lexikon 1885–1892, 14. Band, Seite 948.
  • Max Kappis: Die Bedeutung von Carl Caspar von Siebold für die deutsche Chirurgie. In: Bruns Beiträge zur klinischen Chirurgie. Band 166, 1937, S. 286–297.
  • Gundolf Keil: Karl Kaspar von Siebold. In: Arnulf Thiede, Yoshiki Hiki, Gundolf Keil (Hrsg.): Philipp Franz von Siebold and His Era. Prerequisites, Developments, Consequences and Perspectives. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York 1999, S. 37–45.
  • Gundolf Keil: Karl Kaspar von Siebold and Anatomy in Würzburg. In: Arnulf Thiede, Yoshiki Hiki, Gundolf Keil (Hrsg.): Philipp Franz von Siebold and His Era. Prerequisites, Developments, Consequences and Perspectives. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York 1999, S. 47–61.
  • Ernst Kern: Zur Geschichte der Chirurgie an der Universität Würzburg. In: Peter Baumgart (Hrsg.): Vierhundert Jahre Universität Würzburg. Eine Festschrift. Degener & Co. (Gerhard Gessner), Neustadt an der Aisch 1982 (= Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Würzburg. Band 6), ISBN 3-7686-9062-8, S. 827–839, hier: S. 827–831.
  • Hans Körner: Die Würzburger Siebold. Eine Gelehrtenfamilie des 18. und 19. Jahrhunderts. Degener, Neustadt a.d. Aisch 1967 (= Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Würzburg. Band 3).
  • Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser. Teil B, 1922, S. 855 f.
  • Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg (Druck: Bonitas-Bauer), Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 88, 94–108, 384, 400–415, 585–586, 607 und 609–612.
  • Oskar Siber: Karl Kaspar von Siebold. Seine reformatorischen Verdienste um die Universität Würzburg. Stürtz, Würzburg 1927 (Zugleich Medizinische Dissertation Würzburg); auch in: Franz Frisch, Ferdinand Flury (Hrsg.): Festschrift zum 46. Deutschen Ärztetag in Würzburg vom 6. bis 10. September 1927. Stürtz, Würzburg 1927, S. 169–219.
  • Johannes Steudel: Die Siebolds. Ein hervorragendes Ärzte-Geschlecht aus dem Dürener Lande. Degen und Kuth, Düren 1954.

Einzelnachweise

  1. Der Todestag des Chirurgen Caspar von Siebold
  2. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 95, 384, 609–610 und 823.
  3. Henning Bärmig: Carl Caspar von Siebold. In: Die Personalbibliographien der an der Medizinischen Fakultät der Alma Mater Julia zu Würzburg von 1582 bis 1803 lehrenden Professoren mit biographischen Angaben. Medizinische Dissertation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1969, S. 51–55, hier: S. 51–52.
  4. Vgl. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 96, 384 und 393–400 (Georg Christoph Stang und Georg Ludwig Hueber).
  5. Georg Fischer: Chirurgie vor 100 Jahren. Historische Studie. Gewidmet der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 1876; Neudruck mit dem Untertitel Historische Studie über das 18. Jahrhundert aus dem Jahre 1876 und mit einem Vorwort von Rolf Winau: Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York 1978, ISBN 3-540-08751-6, S. 228.
  6. Wolfgang Scheppach, Martina Schneider: In: Juliusspital.de: Carl Caspar von Siebold.
  7. Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 243–244.
  8. Mitgliedseintrag von Carl Caspar von Siebold bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 29. Februar 2016.
  9. Johann Ferdinand Neigebaur: Geschichte der Kaiserlichen Leopoldino-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher während des zweiten Jahrhunderts ihres Bestehens. Frommann, Jena 1860, S. 230 Archive
  10. Caspar Carl von Siebold (Memento vom 4. Juni 2008 im Internet Archive)
  11. Der Würzburg Fürstbischof schrieb: „Es wird dem Oberwundarzt sehr respektwidriges Betragen und Schreiben allen Ernstes hierdurch mit dem Beysatz verwiesen, besser zu lernen, was ein Diener und Unterthan dem Regenten schuldig ist.“ Zitiert aus Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. Ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 243–244.
  12. Ernst Kern: Zur Geschichte der Chirurgie an der Universität Würzburg. In: Peter Baumgart (1982), S. 827–839, hier: S. 828.
  13. Werner Dettelbacher: Philipp Franz von Siebold. Zwei Aufsätze zum Jubiläumsjahr 1996. Nachdruck eines Beitrags im Jahresbericht 1966/67 des Siebold-Gymnasiums Würzburg. Zitiert in: Christine Demel: Leinach. Geschichte – Sagen – Gegenwart. Gemeinde Leinach, Leinach 1999, S. 150.
  14. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 102.
  15. Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. Ecomed, Landsberg am Lech 2000. ISBN 3-609-20149-5, S. 9.
  16. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. 2001, S. 384.
  17. https://www.aachener-nachrichten.de/lokales/dueren/erinnerung-an-pioniere-der-modernen-medizin_aid-31617349
  18. Robert Schwab: Über die Bedeutung des Juliusspitals für die Entwicklung der Inneren Medizin. In: Das Juliusspital Würzburg in Vergangenheit und Gegenwart: Festschrift aus Anlaß der Einweihung der wiederaufgebauten Pfarrkirche des Juliusspitals am 16. Juli 1953. Hrsg. vom Oberpflegeamt des Juliusspitals. Würzburg 1953, S. 14–24, hier: S. 17.
  19. Andreas Mettenleiter: Academia Sieboldiana. Eine Würzburger Familie schreibt Medizingeschichte. Ausstellungsdokumentation. Akamedon, Pfaffenhofen 2010, ISBN 978-3-940072-03-0.
  20. Vgl. auch Georg Sticker: Eine Teutsche Akademie der Chirurgie im Jahr 1805. In: Proteus. Band 1, (Bonn) 1931, S. 41–45.
  21. Werner Dettelbacher: Philipp Franz von Siebold. Zwei Aufsätze zum Jubiläumsjahr 1996. Nachdruck eines Beitrags im Jahresbericht 1966/67 des Siebold-Gymnasiums Würzburg.
  22. Robert Schwab: Über die Bedeutung des Juliusspitals für die Entwicklung der Inneren Medizin. In: Das Juliusspital Würzburg in Vergangenheit und Gegenwart: Festschrift aus Anlaß der Einweihung der wiederaufgebauten Pfarrkirche des Juliusspitals am 16. Juli 1953. Hrsg. vom Oberpflegeamt des Juliusspitals. Würzburg 1953, S. 14–24, hier: S. 17 f.
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