Bei der Kauterisation (von lateinisch cauterisatio: Brennen mit dem Brenneisen oder einem Ätzmittel) oder Kauterisierung wird Gewebe durch den Kauter oder chemische Mittel (Ätzmittel) zerstört. Dadurch kann z. B. eine Blutung gestoppt oder eine gutartige Wucherung entfernt werden.

Kauter

Der Kauter (griechisch kautêr) oder das Kauterium (lateinisch cauterium; Verbrenner, Brenneisen, Glüheisen) ist ein chirurgisches Instrument zum Kauterisieren (auch „Kautern“ genannt), das bereits in der Zeit der Pharaonen in Ägypten erfunden wurde und heute als Elektrokauter in Form einer feinen, durch elektrischen Strom erhitzten Drahtschlinge zum Einsatz kommt. Im Wesentlichen dient der Kauter während einer Operation zur Blutstillung oder zum Schneiden. Die entsprechende Operationstechnik ist die Elektrokaustik.

Synonym wird für die Kauterisation mittels Elektrokauter oft der Begriff Diathermie gebraucht.

Geschichte

Die Kauterisation mit dem Glüheisen wird seit der Antike, so in der griechisch-römischen Medizin, als Alternative zu Torsion und Ligatur (Gefäßunterbindung) verwendet (etwa bei Antyllos), um Blutungen zu stoppen. Das frühere Verfahren, etwa im Rahmen von Amputationen, war einfach: Ein Stück Metall wurde über Feuer erhitzt und auf die Wunde aufgetragen. Dies führte dazu, dass sich Gewebe und Blut schnell auf extreme Temperaturen erhitzten, was eine Koagulation des Blutes zur Folge hatte und somit die Blutung auf Kosten umfangreicher Gewebeschäden kontrollierte.

Kauterisation war bereits im Mittelalter eine häufige Behandlung, manchmal unbeabsichtigt wie beim Hubertusschlüssel.

Der Kauter wird im Corpus Hippocraticum beschrieben. Auch im 7. Jahrhundert verwendeten chirurgisch tätige Ärzte, wie Paulos von Aigina berichtete, das Glüheisen, um Blutungen zu vermeiden. Um 960 entwickelte Abu Al-Qasim Techniken und Instrumente zur Kauterisierung und beschrieb sie in seinem Buch At-Tasrif. So setzte er das Glüheisen etwa bei Leistenbruchoperationen ein. Seine Techniken beeinflussten die medizinische Welt fünf Jahrhunderte lang weiter. Der im Mittelalter als Glühkauter aus Gold oder Eisen bestehende Kauter wurde bereits in der Antike vielseitig eingesetzt: als Gegenreiz, als Hämostatikum, als unblutiges Messer, als Mittel zur Zerstörung von Tumoren und vieles mehr. Später wurden spezielle medizinische Instrumente, sogenannte Cutter, verwendet, um Arterien zu kauterisieren. Die bereits im 2. Jahrhundert bekannte Technik der Arterienligatur als Alternative zur Kauterisation oder zum Einsatz von Styptica wurde später von Ambroise Paré verbessert und effektiver eingesetzt. Im Jahr 1930 gab Gustav Maurer (* 1895) mit der Thorakokaustik bzw. „Ausschälungsthorakokaustik“ ein verbessertes Verfahren zu Lösung pleuraler Verwachsungen von der Brustwand bekannt.

Chemische Kauterisation

Viele chemische Reaktionen können Gewebe zerstören und einige werden routinemäßig in der Medizin eingesetzt, meist zur Entfernung kleiner Hautläsionen wie Warzen oder nekrotischem Gewebe oder zur Blutstillung. Da Chemikalien in Bereiche gelangen können, die nicht für die Kauterisation vorgesehen sind, sind Laser- und elektrische Methoden praktischer. Einige Kauterisationsmittel sind:

  • Silbernitrat ist der Wirkstoff des Lunarkaustiks, eines Stabes, der traditionell wie ein großes Streichholz aussieht. Er wird in Wasser getaucht und für einige Momente auf die Läsion gedrückt.
  • Trichloressigsäure
  • Cantharidin ist ein Extrakt des Blasenkäfers, der epidermale Nekrose und Blasenbildung verursacht. Es wird zur Behandlung von Warzen eingesetzt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Friedrun R. Hau: Kauterisation. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 730.
  2. Vgl. Friedrun R. Hau: Kauterisation. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Berlin/ New York 2005, S. 730.
  3. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 2.
  4. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 11.
  5. Chad Colarusso: The Presocratic Influence upon Hippocratic Medicine. 5. September 1995, archiviert vom Original am 4. November 2001; abgerufen am 16. Mai 2018 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. Christian Neubert, Ludwig Faupel, Uwe Katzenmeier: Bauchwandbrüche. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 139–152, hier: S. 140 f.
  7. Christian Neubert, Ludwig Faupel, Uwe Katzenmeier: Bauchwandbrüche. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 139–152, hier: S. 141.
  8. Karl Sudhoff: Beiträge zur Geschichte der Chirurgie im Mittelalter. 2 Bände. Leipzig 1914/1918 (= Studien zur Geschichte der Medizin. Band 10 und 12), hier: Band 2 (1918), S. 178, 220 und 284.
  9. Surgical Instruments from Ancient Rome – Ancient Roman Surgical Instruments. Abgerufen am 16. Mai 2018 (amerikanisches Englisch).
  10. Vgl. auch Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 22.
  11. Vgl. Wolfram Kock: Zur Frühgeschichte der Laparoskopie, der Thorakoskopie und der Thorakokaustik. In: Christa Habrich, Frank Marguth, Jörn Henning Wolf (Hrsg.) unter Mitarbeit von Renate Wittern: Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag. München 1978 (= Neue Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe. Band 7/8), ISBN 3-87239-046-5, S. 517–528, hier: S. 522 ff.
  12. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 66.
  13. Ravi Shankar Jangra, Sanjeev Gupta, Somesh Gupta, Anu Dr: Chemical cautery pen. In: Journal of the American Academy of Dermatology. 82. Jahrgang, Nr. 6, 1. Juni 2020, ISSN 0190-9622, S. e193–e194, doi:10.1016/j.jaad.2019.03.032, PMID 31653459 (englisch, jaad.org).
  14. J. G. Toner, A. P. Walby: Comparison of electro and chemical cautery in the treatment of anterior epistaxis. In: The Journal of Laryngology and Otology. 104. Jahrgang, Nr. 8, 1990, ISSN 0022-2151, S. 617–618, doi:10.1017/s0022215100113398, PMID 2230555 (englisch, nih.gov).
  15. Chuong Ho, Charlene Argáez: Topical Silver Nitrate for the Management of Hemostasis: A Review of Clinical Effectiveness, Cost-Effectiveness, and Guidelines (= CADTH Rapid Response Reports). Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health, Ottawa (ON) 2018 (englisch, nih.gov).
  16. Satish S. Satpute, Samir V. Joshi, Ripudaman Arora, Neel Prabha, Prashant Keche, Nitin M. Nagarkar: Cryosurgery Vs Trichloroacetic Acid Chemical Cautery for the Treatment of Hypertrophied Nasal Turbinate: A Comparative Study. In: Iranian Journal of Otorhinolaryngology. 32. Jahrgang, Nr. 112, 2020, ISSN 2251-7251, S. 303–309, doi:10.22038/ijorl.2019.39039.2293, PMID 33014907, PMC 7515624 (freier Volltext) (englisch).
  17. Michelle M. Lipke: An Armamentarium of Wart Treatments. In: Clinical Medicine and Research. 4. Jahrgang, Nr. 4, 2006, ISSN 1539-4182, S. 273–293, doi:10.3121/cmr.4.4.273, PMID 17210977, PMC 1764803 (freier Volltext) (englisch).
  18. Maurice A. Recanati, Katherine J. Kramer, John J. Maggio, Conrad R. Chao: Cantharidin is Superior to Trichloroacetic Acid for the Treatment of Non-mucosal Genital Warts: A Pilot Randomized Controlled Trial. In: Clinical and Experimental Obstetrics & Gynecology. 45. Jahrgang, Nr. 3, 2018, ISSN 0390-6663, S. 383–386, doi:10.12891/ceog4112.2018, PMID 30078935, PMC 6075835 (freier Volltext) (englisch).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.