Kein schöner Land in dieser Zeit ist ein bekanntes Volkslied, das auf Anton Wilhelm von Zuccalmaglio zurückgeht und 1840 erstmals veröffentlicht wurde.

Geschichte

Zuccalmaglio stellte im zweiten Band der von Andreas Kretzschmer begonnenen Sammlung Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen 382 Volkslieder vor, die er, so sein Vorwort, selbst gesammelt habe. Einige Liedtexte wurden allerdings von Zuccalmaglio „im Sinne eines romantischen Volksliedkonzeptes“ selbst verfasst. Darunter befindet sich auch Kein schöner Land in dieser Zeit, das er auf den Seiten 494–495 mit der Überschrift Abendlied als Nr. 274 veröffentlichte.

Nach der Veröffentlichung von Kein schöner Land 1912 im Liederbuch Unsere Lieder des Österreichischen Wandervogels etablierte sich das Lied rasch in der Wandervogelbewegung. Sie sangen es am Lagerfeuer und sorgten so für eine weitere Verbreitung in der Jugend- und Singbewegung. Die hohe Popularität des Liedes schlug sich bereits in den 1920er Jahren in einer Anzahl von Umdichtungen zur traditionellen Melodie nieder, so existieren eine sozialistische Umdichtung von 1929 und eine etwa gleichzeitige Fassung für evangelische Mädchen- und Frauenkreise. Eva Öhlke, Mitglied der Neuwerk-Bewegung, fügte in den 1924 veröffentlichten Sonnenliedern den vier bekannten Strophen eine weitere hinzu, die über den Kreis der Neuwerker hinaus Bekanntheit erlangte.

Das Lied findet sich bis heute in nahezu allen Sammlungen traditioneller deutschsprachiger Lieder.

Liedherkunft

Zuccalmaglios Herkunftsangabe „Vom Niederrhein“ ist laut Historisch-kritischem Liederlexikon eine literarische Fiktion, die eine Herkunft aus dem niederrheinischen Volksgut vorspiegeln soll. Möglich ist auch, dass sich die Brüder Anton Wilhelm und Vinzenz Jakob von Zuccalmaglio, die in Schlebusch am Rand des Bergischen Landes aufgewachsen waren, als Anwohner des Niederrheins verstanden.

Text

Das in Wir-Form gehaltene Lied schildert das „Idealbild freundschaftlicher Zusammenkünfte an Sommerabenden in freier Natur“ mit gemeinsamem Gesang. Die Sänger sprechen ihre Hoffnung auf weitere gleichartige Treffen aus und stellen dies der Gnade Gottes anheim, bevor sie sich in der letzten Strophe gegenseitig eine „gute Nacht“ unter Gottes Schutz wünschen.

Alle vier Strophen sind endgereimte Fünfzeiler, die dem Reimschema [aabba] folgen.

Melodie

Die Melodie greift verschiedene Volkslieder auf, einzelne Passagen stammen unter anderen aus den Liedern Ich kann und mag nicht fröhlich sein und Ade, mein Schatz, ich muss nun fort. In einer Synopse hat Walter Wiora in seinem Buch Die rheinisch-bergischen Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms dargestellt, wie die Worte der unterschiedlichen Liedtexte mit der Melodie übereinstimmten. Er führt das Lied in der Rubrik „I. Alte rheinische und bergische Volksliedweisen“ auf. Zuccalmaglio habe der unveränderten Weise durch sein Gedicht lediglich einen neuen Charakter eingeprägt und zu neuer Bedeutung und Verbreitung verholfen.

Adaptionen

Das Melodiethema findet sich unter anderem in Chorwerken von Hans Lang (Kein schöner Land. Volksliederspiel für zweistimmigen Jugendchor), Otto Jochum (An die Heimat: sein Werk beschauend. Variationen-Suite über das Volkslied „Kein schöner Land …“, op. 152) und Hermann Erdlen (Kleine Hausmusik zum Singen und Spielen über das Volkslied „Kein schöner Land“). Kaum zu überblicken ist die Anzahl der Liedfassungen für Chöre unterschiedlichster Besetzung. Moderne Bearbeitungen stammen von Dieter Süverkrüp (Ein schönes Land, 1963) und der Folkrock-Gruppe Ougenweide (1980). Süverkrüps Parodie des Liedes wurde unter anderem vom Folk-Duo Zupfgeigenhansel auf deren 1983 erschienenes Album Kein schöner Land zur bekannten Melodie aufgenommen und später auch von dessen ehemaligem Mitglied Erich Schmeckenbecher ins Programm genommen. Dieter Süverkrüp beklagt in seinem von religiösen Bezügen befreiten Text in der ersten Strophe die Naturzerstörung („wenn auch die Linden sich selt'ner finden“) und fordert in der letzten Strophe seine Mitmenschen dazu auf, die Erde vor Zerstörung („Todesnacht“) zu bewahren – ohne hier Gefahren wie Krieg oder Raubbau ausdrücklich zu benennen.

Die Titelzeile war namensgebend für Liederbücher, Tonträger und Fernsehsendungen, darunter die von Günter Wewel moderierte Fernsehserie Kein schöner Land und die Politsatire Kein schöner Land unter der Regie von Klaus Emmerich nach einem Drehbuch von Elke Heidenreich. Auch als Buchtitel wurde sie für verschiedenste Literaturgattungen genutzt, Beispiele sind der 2008 mit dem 3sat-Preis ausgezeichnete Roman Kein schöner Land von Patrick Findeis, das Theaterstück Kein schöner Land von Felix Mitterer und die Sachbücher Kein schöner Land. Ein deutscher Umweltatlas von Emanuel Eckardt und Kein schöner Land. Die Zerstörung der sozialen Gerechtigkeit von Heribert Prantl.

Literatur

  • Helmut Jensen: Bergisches Liederbuch. Ein praktisches Sing- und Musizierbuch. Heider, Bergisch Gladbach 1990, ISBN 3-87314-226-0.
  • Johannes Koepp: Kein schöner Land in dieser Zeit.: Das deutsche Volkslied, Jahrgang 1935, S. 73–75 (online bei ANNO).
  • Walter Wiora: Die rheinisch-bergischen Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms. Voggenreiter, Bad Godesberg 1953.
  • A. Wilh. v. Zuccalmaglio: Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen, unter Mitwirkung von E. Baumstark, „als Fortsetzung des A. Kretzschmer’schen Werkes“. Zweiter Theil. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1840, Nr. 274, S. 494 f. (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
Commons: Kein schöner Land in dieser Zeit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Abendlied (Zuccalmaglio) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. 1 2 A. Wilh. v. Zuccalmaglio: Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen, unter Mitwirkung von E. Baumstark, „als Fortsetzung des A. Kretzschmer’schen Werkes“. Zweiter Theil. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1840, Nr. 274, S. 494 f. (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  2. A. Kretschmer: Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen. Unter Mitwirkung des Herrn Professor Dr. Maßmann in München, des Herrn von Zuccalmaglio in Warschau, und mehrerer anderer Freunde der Volks-Poesie nach handschriftlichen Quellen herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von A. Kretzschmer, Königlichem Geheimem Kriegsrathe und Ritter etc. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1838 (Digitalisat).
  3. 1 2 3 4 5 6 7 Waltraud Linder-Beroud, Tobias Widmaier: Kein schöner Land in dieser Zeit (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
  4. Antje Vollmer: Die Neuwerkbewegunng. Zwischen Jugendbewegung und religiösem Sozialismus. Herder: Freiburg, Basel, Wien 2016. ISBN 978-3-45131504-6. S. 120
  5. Walter Wiora: Die rheinisch-bergischen Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms. Voggenreiter, Bad Godesberg 1953, S. 165.
  6. Irmgard Hantsche: Atlas zur Geschichte des Niederrheins. Band 1. Pomp, Bottrop/Essen 1999, ISBN 3-89355-200-6, S. 15 ff.
  7. Horst Breiler: Das andere Heimatlied. in: Auslese Rhein & Berg, Ausgabe 2/2012, ISSN 2190-8729
  8. Guido Wagner: „Kein schöner Land“ meint das Bergische. Bergische Landeszeitung, 23. Februar 2012, abgerufen am 26. April 2017
  9. Herbert Stahl: Kein schöner Land in dieser Zeit. Woher stammen die Volkslieder „Vom Niederrhein“ von Anton Wilhelm von Zuccalmaglio, genannt Wilhelm von Waldbrühl? In: Rheinisch-Bergischer Kalender 2012, Jahrbuch für das Bergische Land, 82. Jahrgang, Bergisch Gladbach o. J., ISBN 978-3-87314-462-0, S. 133 ff.
  10. Walter Wiora: Die rheinisch-bergischen Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms. Voggenreiter, Bad Godesberg 1953, S. 182.
  11. Walter Wiora: Die rheinisch-bergischen Melodien bei Zuccalmaglio und Brahms. Voggenreiter, Bad Godesberg 1953, S. 14 und 99.
  12. Dieter Süverkrüp: Ein schönes Land. In: Erich Schmeckenbecher: Schmeckenbecher 2007. Abgerufen am 9. April 2019. Dieter Süverkrüps Liedtext ist durch Anklicken des Liedtitels einsehbar.
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