Ein Kinoerklärer war eine Person, die vor dem Aufkommen des Tonfilms die öffentlich gezeigten Stummfilme den Besuchern als zusammenhängende Darstellung möglichst dramatisch präsentierte. Es handelte sich um einen Beruf, zumindest jedoch um eine Tätigkeit in Berlin. Beispielhaft berichtete die Schauspielerin Henny Porten über eine Szene aus dem Jahr 1910, in der sie als „treulos verlassene Braut vergeblich auf den Geliebten im Tiergarten wartete“: „Als in einem Kino im Norden Berlins der Film gespielt wurde, begleitete der Kinoerklärer die Szene mit den Worten: In strömendem Regen wartete sie stundenlang und stundenlang auf ihn. Wer aber nicht kam, war er [...] und sie war Neese.“
Wie sehr die Institution Kinoerklärer mit vergangenen Zeiten in Zusammenhang gebracht wird, zeigt folgender Bericht aus dem Berliner Tageblatt vom August 1932: „[...] in der Joachimsthaler Straße, einer Seitenstraße des Kurfürstendamms, lief unter dem Titel Kino von 1905 eine Abnormitätenschau, die zum Amüsement der Zuschauer noch einmal einen Kinoerklärer präsentierte.“ Der letzte Kinoerklärer war gerade wegen der Umstellung auf Tonfilm entlassen worden.
Einzelnachweise
- ↑ Die Tätigkeit wurde häufig von stellungslosen Schauspielern, Rezitatoren und Conférenciers übernommen, vgl. Georg Herzberg: Der Kinoerklärer, in: Neue Filmwelt 1949 Nr. 1, S. 30; Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Berlin, Rembrandt Verlag 1956, S. 311. Ein spätes Zeugnis für das Wirken dieses Standes hat 1929 Charlie Roellinghoff (1897–1935) in seinem humoristischen Vortrag Der letzte Kinoerklärer der Nachwelt überliefert; er ist auf der Grammophonplatte Homocord 4-3256 (Matr. TC 1397/98) A 17. August 1929 erhalten.
- ↑ Fortsetzungsserie Das war und ist Berlin aus Neue Berliner Illustrierte (NBI) um das Jahr 1971, Teil 2. Der überlieferte Zeitungsausschnitt trägt kein Datum.
- ↑ Joachim-Felix Leonhard: Medienwissenschaft: ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, Teil 2. ISBN 9783110163261-Verlag Walter de Gruyter, 2001, S. 1114.