Die Kleine Festung (Malá pevnost) ist ein Teil von Theresienstadt, die unter Kaiser Josef II. 1780 bis 1790 als Festungsanlage erbaut wurde.

k.u.k. Monarchie

Die Kleine Festung auf der gegenüberliegenden Seite der Eger wurde schon bald nach ihrer Errichtung als Gefängnis verwendet. Neben zahlreichen Militärgefangenen inhaftierte die Habsburgermonarchie hier politische Gefangene, unter anderem den griechischen Freiheitskämpfer Alexander Ypsilantis, ungarische und tschechische Aufständische der Revolution von 1848/49 oder auch die Täter des Attentats von Sarajevo (Gavrilo Princip u. a.), deren Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich-Este den Ersten Weltkrieg einleitete.

Der Erste Weltkrieg und die Verfolgung der Russen (Rusynen/Ruthenen)

Zwischen 1914 und 1918 verfolgten die österreichisch-ungarischen Behörden die Russen. Dies äußerte sich zu Beginn in der Verhaftung aller Ortsbewohner, die sich als Russen bzw. Moskauphilen erkannten, einen russischen Namen trugen, Russisch lasen oder ein Buch, eine Postkarte oder eine Notiz auf Russisch bei sich hatten. Die Festgenommenen wurden oft an Laternenpfählen, Bäumen und Denkmälern gehängt, wo österreichische Soldaten mit sichtbarem Vergnügen in der Nähe der Toten fotografierten – der Rest wurde in das Konzentrationslager Theresienstadt geschickt, wo sie den ganzen Tag Drecksarbeit in der Festung und Stadt verrichten mussten: Reinigung von Straßen, Kanälen, Latrinen in Infektionskrankenhäusern, Arbeit in Gärten und Feldern. Einige wurden von den Wärtern ausgehungert und geschlagen. Die Überlebenden wurden anschließend nach Thalerhof gebracht. Der Abgeordnete des österreichischen Parlaments, der Tscheche Juri Strzybrny, stellte in seiner Rede am 14. Juni 1917 fest, dass ihm Informationen von 70 Häftlingen vorliegen, dass im Talerhof 2.000 Menschen starben. Ein Abgeordneter desselben Parlaments, der Pole Sigismund Lyasotsky, sammelte vor Ort persönlich Informationen über Talerhof und sagte in seiner Rede am 12. März 1918, dass es im Talerhof bis zum 20. Februar 1915 zirka 1360 schwerkranke Patienten gab, von denen 1100 starben unter schrecklichen Bedingungen. Damals erkrankten 464 Menschen an Typhus. Innerhalb von anderthalb Jahren starben 15 % der Talergof-Häftlinge, also über 3000 galizische und bukowinische Russen.

Gestapo-Gefängnis

Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei wurde unter der Besatzung durch Nazi-Deutschland im Juni 1940 in der Kleinen Festung ein Gestapo-Gefängnis eingerichtet.

Die Nazis nutzten die vorhandene Infrastruktur aus und bauten den Ort zu einem Bestandteil ihres Repressions- und Vernichtungsapparates aus. Das Gefängnis wurde von der Gestapo-Dienststelle in Prag verwaltet. Zu Anfang gab es nur männliche Häftlinge; erst nach dem erfolgreichen Attentat auf Reinhard Heydrich wurde im Juni 1942 eine Frauenabteilung eingerichtet. Zu den bestehenden drei Gefängnishöfen kam 1943 ein vierter hinzu, der für männliche Häftlinge bestimmt war.

Zwischen 1940 und 1945 überstellte die Gestapo rund 27.000 Männer und 5.000 Frauen an das Gefängnis Theresienstadt, zunächst mit Inhaftierten aus Prag, dann aus ganz Böhmen und ab 1944 auch aus Mähren. In der Kleinen Festung wurden bis Kriegsende überwiegend Tschechen festgehalten, darunter viele Widerständler gegen das Nazi-Regime. In den letzten Jahren dann auch Bürger der Sowjetunion, aus Polen, Jugoslawien und gegen Kriegsende Kriegsgefangene aus den Reihen der alliierten Armeen.

Von den Insassen kamen etwa 8.000 in anderen Lagern um, in die sie bis zum Ende des Krieges deportiert wurden. 2.500 starben im Lager nach Folter, Krankheiten und aufgrund der Arbeits- und Lebensbedingungen. 250 Insassen wurden in der Festung selbst hingerichtet. Unter den Opfern befindet sich auch eine Gruppe von Juden aus dem Rheinland, die von Köln aus per Bahn deportiert worden waren und am 4. Oktober 1944 – „irrtümlicherweise“ – in der Kleinen Festung statt im „Ghetto“ ausgeladen worden waren. Fast alle wurden ermordet.

Kommandant des Gestapo-Gefängnisses war seit dessen Einrichtung SS-Hauptsturmführer Heinrich Jöckel, der die 1. Kompanie des SS-Wachbataillons Böhmen und Mähren kommandierte.

Opfer

  • Josef Beran (1888–1969), Erzbischof von Prag
  • Felix Bloch (Zeichner) (1898–1944), Zeichner und Werbegrafiker aus Wien und seine Ehefrau Antonie
  • Martin Finkelgruen (1876–1942), Kaufmann, „erschlagen“ in der Kleinen Festung
  • Fancia Grün (1904–1945), Widerstandskämpferin, Sekretärin, erschossen in der Kleinen Festung
  • Karl Herxheimer (1861–1942), Medizinprofessor (Universität Frankfurt) und Mäzen
  • Karel Kosík (1926–2003), Philosoph und Literaturtheoretiker
  • Paul Thümmel (1902–1945), Doppelagent
  • Theodor Veidl (1885–1946), Komponist und Musikschriftsteller, am 18. Februar 1946 eines Hungertodes gestorben
  • Benno Wolf (1871–1943), Höhlenforscher

Täter

  • Heinrich Jöckel (1898–1946), SS-Hauptsturmführer, Kommandant, zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet
  • Wilhelm Schmidt, stellvertretender Kommandant, am 12. November 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet
  • Rudolf Burian, Aufseher, zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet
  • Anton Malloth (1912–2002), Aufseher, 2001 vom Landgericht München I wegen Ermordung eines Häftlings zu lebenslanger Haft verurteilt.
  • Albert Neubauer, Aufseher, zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet
  • Stefan Rojko, Aufseher, 1963 vom Landgericht Graz zu lebenslänglicher Haft wegen Tötung und Misshandlung mit Todesfolge von politischen Häftlingen und Juden verurteilt
  • Kurt Wachholz (1909–1969), Aufseher, vom Ost-Berliner Stadtgericht 1968 zum Tode verurteilt und hingerichtet
  • Julius Viel (1918–2002), im „Ravensburger Kriegsverbrecherprozess“ 2001 zu 12 Jahren Haft verurteilt.

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Kleinen Festung ein Internierungslager für Deutsche eingerichtet, die aus Tschechien vertrieben werden sollten. Während der Vertreibung wurden hier insgesamt etwa 3800 Deutsche interniert, darunter auch Kinder. Insgesamt starben von den Internierten etwa 600 Menschen. Das Lager wurde vom kommunistischen Innenministerium verwaltet. Eine Ausstellung in Räumen der Kleinen Festung behandelt diesen Teil der Geschichte von Theresienstadt.

Auf Initiative ehemaliger Gefangener und Hinterbliebener aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschloss die tschechoslowakische Regierung 1947, aus der Kleinen Festung von Terezín eine Gedenkstätte zu machen. Ein Ghetto-Museum befindet sich in der „Magdeburger Kaserne“ in der Großen Festung, die Sitz des von der SS eingerichteten Judenrats war.

Literatur

  • Hans Günther Adler (behandelt vorwiegend die große Festung): Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft. 2. Auflage des Reprints der 2. Auflage von 1960. Mit einem Nachwort von Jeremy Adler. Wallstein-Verlag, Göttingen 2012, ISBN 978-3-89244-694-1, WBG: ISBN 978-3-534-25355-5.
  • Wilhelm Turnwald Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort. Verlag Aufstieg, 1992. ISBN 9783761201992.

Einzelnachweise

  1. Malá pevnost, Prag 1988, S. 46.
  2. Martina Schneibergová: Senator Bartha: Internierungslager für Deutsche wurde vom kommunistischen Innenministerium verwaltet. In: radio.cz. 27. Januar 2006, abgerufen am 27. April 2019.

Koordinaten: 50° 30′ 45″ N, 14° 9′ 26″ O

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