Das Kleinseitner Gymnasium (auch Gymnasium auf der Kleinseite; lateinisch Gymnasium Regio Micropragensi) war eine Bildungseinrichtung auf der Prager Kleinseite vom 18. bis 20. Jahrhundert.

Geschichte

1625 gründeten Jesuiten ein Collegium für Jungen auf der Prager Kleinseite. Es war das zweite nach dem Altstädter. 1773 wurde der Orden aufgelöst.

Seit 1788 führten Karmeliten eine Jungenschule, aus der bald ein Gymnasium entstand. 1839 wurde ein neues Schulgebäude in der Karmelitengasse 1/529 (Karmelitská ulice) eröffnet. Um 1884 entstand in der Nähe ein eigenständiges tschechisches Kleinseitner Gymnasium (mit böhmischer Unterrichtssprache).

Um 1888 wurde ein neues Schulgebäude in der Karmelitengasse 385 bezogen.

Auch nach der Gründung des tschechoslowakischen Staates 1918 gab es ein deutsches Gymnasium auf der Kleinseite. Dieses bestand bis nach 1940.

Strukturen

Das Kleinseitner Gymnasium war das deutscheste aller Gymnasien in Prag. Es hatte den höchsten Anteil an deutschsprachigen Schülern der drei älteren Gymnasien. Es gab fast keine tschechischen Muttersprachler und auch der Anteil der jüdischen Schüler war der niedrigste aller deutschsprachigen Gymnasien in der Stadt. Auch die Grundeinstellung der meisten Lehrer und des Unterrichtsplanes war stärker deutsch-national ausgerichtet als in den anderen Gymnasien. Die Unterrichtsfächer waren Religion, deutsche, lateinische und griechische Sprache, Geographie und Geschichte, Mathematik und Physik, sowie tschechische Sprache, Gesang und Turnen als Freifächer, wie in den anderen Gymnasien auch.

Es gab eine Burschenschaft „Quercus“ unter einigen Schülern um 1875, sowie eine Fußballmannschaft in den 1890er Jahren.

Persönlichkeiten

Schüler

Der Schriftsteller Fritz Mauthner hat in seinen Lebenserinnerungen ausführlich über seine Schulzeit ab 1866 im Kleinseitner Gymnasium berichtet. Friedrich Torberg veröffentlichte 1930 seinen Roman Der Schüler Gerber, in dem er seine Erlebnisse nach einem missglückten Maturaversuch eindrücklich verarbeitete.

Weitere Schüler waren der tschechische Nationaldichter Jan Neruda (um 1847/50), Philipp Weber von Ebenhof, Karel Freja, Karl Damian von Schroff, Carl Herloßsohn (1813 bis etwa 1819), Jan Pětr Jordan (1831 bis 1837), Franz Löbmann (bis 1876), Franz Moth (bis etwa 1819), Raphael Pacha und Joseph Hantschl.

Lehrer

Ein Lehrer war Ferdinand Kindermann von Schulstein

Literatur

  • Gottlieb Biermann: Geschichte des Gymnasiums der Kleinseite in Prag, In: Programm des Gymnasiums der Kleinseite, Prag 1880
  • Handbuch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie

Einzelnachweise

  1. Jezuitský klášter s kostelem sv. Mikuláše a zvonicí. ÚSKP 38926/1-491. In: pamatkovykatalog.cz. Národní památkový ústav (tschechisch).
  2. Byvalá malostranská škola Pamatkovy katalog, mit Geschichte und Architektur des Gebäudes, jetzt vom Ministerium für Schulwesen genutzt (gibt 528 an, das historische Adressbuch aber 529)
  3. Adreßbuch für die Königliche Hauptstadt Prag, 1871, S. 248, mit Adresse Karmelitengasse 1/529 und Lehrern
  4. Hof- und Staatshandbuch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie für 1918, S. 849, K. K. Kleinseitner Ober-Gymnasium (mit deutscher Unterricgtssprache) (III, 385), mit Lehrern; vgl. auch Prager Adressbücher
  5. Mitteilungen des Statistischen Zentralamtes des Protektorats Böhmen und Mähren, 1942, Nr. 81–82 (PDF), gibt für 1940 ein deutsches Gymnasium auf der Kleinseite (Prag III) an
  6. Das Altstädter Akademische Gymnasium war schon immer stark tschechisch orientiert, und im Neustädter Gymnasium gab es jeweils etwa ein Drittel tschechischer Schüler und allgemeine Sympathien für tschechische nationale Bestrebungen
  7. Jan Havránek: Die Juden zwischen den Tschechen und Deutschen in Prag, in Manfred Hettling, Uwe Schirmer, Susanne Schötz (Hrsg.): Figuren und Strukturen. Historische Essays für Hartmut Zwahr zum 65. Geburtstag. München 2002. S. 413–422, hier S. 421; im Kleinseitner Gymnasium gab es im 19. Jahrhundert nur etwa 9,5 % Schüler mit jüdischer Religion, weniger als in jedem anderen deutschsprachigen Gymnasium; nur im tschechischen Kleinseitner Gymnasium gab es offiziell gar keine jüdischen Gymnasiasten
  8. Fritz Mauthner: Lebenserinnerungen, 1918, Kapitel Das Kleinseitner Gymnasium beschrieb systematische Hänseleien und Erniedrigungen tschechischer Schüler durch ihren Klassenlehrer (der allerdings auch deutsche Schüler quälte)
  9. Raphael Pacha, Austria Wiki, sonst bisher keine Informationen über diese Strukturen bekannt
  10. Karel Freja als Kapitän
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