Kofi Atta Annan (* 8. April 1938 in Kumasi, Goldküste; † 18. August 2018 in Bern, Schweiz) war ein ghanaischer Diplomat und von 1997 bis 2006 der siebte Generalsekretär der Vereinten Nationen. 2001 erhielt er gemeinsam mit den Vereinten Nationen den Friedensnobelpreis für seinen „Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“.

Leben

Familie

Kofi Annan wurde am 8. April 1938 als Sohn von Henry Reginald Annan und Rose Eshun in der ghanaischen Stadt Kumasi geboren und einen Tag später getauft. Ghana war zu dieser Zeit noch eine britische Kolonie und unter dem Namen Goldküste bekannt. Kofi Annans Familie gehörte zur Elite des Landes und stammte aus der mehr zur Küste hin beheimateten Ethnie der Fante. Seine beiden Großväter und ein Onkel waren sogenannte Chiefs. Sein Vater arbeitete lange Zeit als Exportmanager für die Firma Lever Brothers. Mit seiner 1991 verstorbenen Zwillingsschwester Efua Atta teilte er den Zweitnamen Atta, was in der Akan-Sprache ‚Zwilling‘ bedeutet. Bei den Akan gibt es die Tradition, Kinder entsprechend dem Wochentag ihrer Geburt zu benennen. Kofi ist der Akan-Vorname, der dem Freitag zugeordnet ist, dem Wochentag, an dem Annan geboren wurde. 1965 heiratete er Titilola Alakija. Aus dieser Ehe stammen zwei Kinder; Sohn Kojo und Tochter Ama. Die Ehegatten trennten sich in den 1970er Jahren und ließen sich 1983 scheiden. In zweiter Ehe war Annan ab 1984 mit der schwedischen Anwältin und Künstlerin Nane Maria Annan verheiratet, Tochter des schwedischen Juristen Gunnar Lagergren und Nichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg.

Sein Neffe zweiten Grades ist Anthony Annan, ein bekannter ghanaischer Fußballnationalspieler.

Ausbildung

Von 1954 bis 1957 besuchte Annan die Mfantsipim School, ein methodistisches Internat in Cape Coast, Ghana. 1958 begann er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften am Kumasi College of Science and Technology. Mit Hilfe eines Stipendiums der Ford-Stiftung setzte er seine Studien in den USA am Macalester College in Saint Paul (Minnesota) fort und erlangte dort 1961 einen Bachelor-Abschluss. Anschließend studierte Annan für ein Jahr am Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien der Universität Genf. 1972 erlangte er außerdem noch einen Master of Business Administration von der Sloan School of Management des Massachusetts Institute of Technology.

Frühe Karriere

1962 trat Kofi Annan in die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen ein. Von 1974 bis 1976 arbeitete er als Tourismusdirektor in Ghana. Darauf kehrte er wieder zu den Vereinten Nationen zurück und arbeitete als Beigeordneter Generalsekretär in drei aufeinander folgenden Positionen: Sicherheitskoordinator Personalmanagement von 1987 bis 1990, Program Planning, Budget and Finance, and Controller von 1990 bis 1992 – unter anderem verhandelte Annan auch über die Freilassung westlicher Geiseln im Irak während des Zweiten Golfkriegs – und Friedenssicherungseinsätze von März 1993 bis Februar 1994.

1994 war Annan für den Einsatz der UN-Blauhelm-Soldaten unter General Roméo Dallaire zuständig, die dem Völkermord in Ruanda mangels Unterstützung durch die Weltgemeinschaft weitgehend hilflos gegenüberstanden. Die internationale Gemeinschaft habe hier – so Annan – versagt. In seinen Memoiren schrieb Annan später: „Es war eine der erschütterndsten Erfahrungen meines gesamten Berufslebens, die mich tief prägte.“ Dallaire selbst warf Annan jedoch eine Mitschuld am Völkermord vor: Ein Artikel vom 3. Mai 1998 in The New Yorker legt nahe, dass Annan die wiederholten Hilfsersuche und Berichte aus Ruanda über den bevorstehenden Völkermord zurückgehalten und nicht an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet habe.

Annan wurde dann Undersecretary-General bis Oktober 1995, als er zum Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für das ehemalige Jugoslawien ernannt wurde. Nach fünf Monaten in dieser Aufgabe kehrte Annan im April 1996 wieder zu seinem Posten als Undersecretary-General zurück.

Generalsekretär der Vereinten Nationen

Am 13. Dezember 1996 wurde Annan auf Druck der USA von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum UN-Generalsekretär gewählt, womit er Nachfolger von Boutros Boutros-Ghali aus Ägypten wurde. Er trat sein Amt am 1. Januar 1997 als erster Generalsekretär, der direkt aus den Reihen der UN-Mitarbeiter gewählt wurde, und als erster UN-Generalsekretär aus Sub-Sahara-Afrika an. Am 29. Juni 2001 wurde er von der UN-Generalversammlung für eine zweite fünfjährige Amtsperiode bestätigt, die am 31. Dezember 2006 endete. Die Wiederwahl Annans wird als erstaunlich betrachtet, da hierdurch eine dritte afrikanische Amtszeit in Folge entstand. Eigentlich hätte dem Ritus zufolge ein Asiate den Posten übernehmen müssen, aber die asiatischen Länder widersprachen seiner Wiederwahl nicht. Als Grund dafür wird seine Beliebtheit angenommen. Seine Nachfolge trat der bisherige südkoreanische Außenminister Ban Ki-moon am 1. Januar 2007 an.

Annan war während der ersten drei Amtsjahre gezwungen, den UN-Haushalt und den weltweiten Personalbestand der UNO um mehr als zehn Prozent zu kürzen.

Während seiner Amtszeit als Generalsekretär gab es mehrere Beratungen im Sicherheitsrat zur Lage der Situation im Irak, als wichtiger Punkt wurde über den Stand der Erlangung von Massenvernichtungswaffen durch den Irak debattiert. Kofi Annan sagte 2004, dass seiner Meinung nach die Invasion des Iraks illegal gewesen sei. Zu den im Rahmen des Öl-für-Lebensmittel-Programms (englisch Oil-for-Food Programme, OFFP) erhobenen Korruptionsvorwürfen setzte Kofi Annan 2004 eine unabhängige Untersuchungskommission ein.

Im September 2003 setzte Annan ein 16-köpfiges Gremium zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine Reform der Vereinten Nationen ein, die so genannte „Hochrangige Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel“. Darauf aufbauend stellte er am 21. März 2005 sein überraschend weitgehendes 63-seitiges Reform-Dokument In größerer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte für alle vor.

Am 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sprach Kofi Annan in einer Sondersitzung der UN-Generalversammlung deutliche Worte: Er erinnerte daran, dass die UNO gegründet worden sei als Antwort auf „das Böse des Nationalsozialismus“. Und er prägte – in Abwandlung eines Edmund Burke zugeschriebenen Zitates – den Satz: „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit.“

Zuletzt setzte Annan sich für eine globale CO2-Steuer ein und drängte die Weltgemeinschaft zu einer Lösung der Darfur-Krise.

Weitere Tätigkeiten

2007 wurde Annan Vorsitzender der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA), einer im Jahr 2006 mit Geldern der Bill & Melinda Gates Foundation und der Rockefeller-Stiftung (insgesamt 150 Millionen Dollar) gestarteten Initiative. Ziel sei es, die landwirtschaftliche Produktion Afrikas in den kommenden 10 bis 20 Jahren zu verdoppeln oder zu verdreifachen, wobei in den ersten Jahren vor allem Kleinbauern unterstützt werden sollen.

Zwischen Gründung 2007 und Auflösung 2017 leitete Annan das Africa Progress Panel, das zur Überwachung der Zusagen der G8-Staaten bezüglich der Entwicklung des afrikanischen Kontinents in Folge des G8-Gipfels in Gleneagles 2005 von Tony Blair initiiert worden war.

Annan war Gründungsmitglied der Global Elders. Diese Gruppe herausragender Persönlichkeiten hat es sich zum Ziel gesetzt, ihren Einfluss und ihre Erfahrung zur Lösung globaler Probleme einzubringen.

Annan war Präsident des Global Humanitarian Forum mit Sitz in Genf.

Im März 2012 begann er seine neue Tätigkeit als Sondergesandter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien. Wegen eines Mangels an Unterstützung verzichtete Annan auf eine Verlängerung seines sechsmonatigen Mandates. Sein Nachfolger wurde Anfang September 2012 der algerische Diplomat Lakhdar Brahimi.

Kofi Annan war außerdem der Verfasser mehrerer Veröffentlichungen, insbesondere zu weltpolitischen Fragen und zur UNO; seine Autobiografie erschien auf Deutsch 2013 unter dem Titel Ein Leben in Krieg und Frieden.

Tod

Annan hatte bis zu seinem Tod seinen Wohnsitz in Genf. Nach kurzer Krankheit starb er am 18. August 2018 im Kreis seiner Familie in einem Spital in Bern.

Auszeichnungen

Literatur

  • Friederike Bauer: Kofi Annan. Ein Leben. S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-009647-9.
  • Stanley Meisler: Kofi Annan – A man of Peace in a World of War. John Wiley & Sons, New York 2007, ISBN 0-471-78744-2.
  • Kofi Annan im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Commons: Kofi Annan – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Kofi Annan in Berner Spital gestorben. Der ehemalige UNO-Generalsekretär ist im Kreise seiner Familie nach kurzer Krankheit im Alter von 80 Jahren gestorben. Tages-Anzeiger, 19. August 2018, abgerufen am 27. Februar 2020.
  2. Stiftung Deutsches Historisches Museum, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Biografie: Kofi Annan. Abgerufen am 26. Februar 2020.
  3. Kofi – English English Dictionary | English kasahorow. In: en.kasahorow.org. Abgerufen am 6. April 2022.
  4. Peace FM Online: Kofi Annan's Daughter Weds. (peacefmonline.com [abgerufen am 18. August 2018]).
  5. 1 2 CNN Library: Kofi Annan Fast Facts. In: CNN. (cnn.com [abgerufen am 18. August 2018]).
  6. 1 2 Biography of United Nations Secretary-General Kofi Annan. Abgerufen am 18. August 2018.
  7. Thomas Scheen: Völkermord mit Ansage. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 6. April 2014, abgerufen am 18. August 2018.
  8. Kofi Annan: Die internationale Gemeinschaft hat in Ruanda versagt. UNRIC, 6. April 2004, abgerufen am 20. August 2018 (Pressemitteilung).
  9. Ronen Steinke: Chronik des Versagens. In: Süddeutsche Zeitung. 6. April 2014, abgerufen am 18. August 2018.
  10. Philip Gourevitch: The Genocide Fax. The New Yorker, 3. Mai 1998, abgerufen am 7. August 2023.
  11. Lynch, C. (1998, May 5). Annan says big powers failed him in Rwanda. The Boston Globe, p. A1.
  12. Ehemaliger UN-Generalsekretär - "Rockstar der Diplomatie" Kofi Annan ist tot. In: ZDF. 18. August 2018, archiviert vom Original am 14. Januar 2019.
  13. General Assembly appoints Kofi Annan of Ghana as seventh Secretary-General. Vereinte Nationen, 17. Dezember 1996, abgerufen am 20. August 2018 (englisch, Pressemitteilung).
  14. Kofi Annan. Center of the Storm. Life Map. Auf: thirteen.org.
  15. Andreas Zumach: Visionär in einer düsteren Zeit. In: die tageszeitung. 20. August 2018, abgerufen am 26. August 2018.
  16. Annan verurteilt Irak-Krieg als illegal. In: Spiegel Online. 16. September 2004, abgerufen am 14. Juli 2012.
  17. Der Standard (Wien): UN-Vollversammlung gedenkt der Befreiung der NS-Vernichtungslager, 26. Januar 2005
  18. "Das Schweigen der Mehrheit ermöglichte Auschwitz" In: Spiegel Online, 24. Januar 2005.
  19. Annan leitet Afrikas "grüne Revolution". In: Der Standard, 15. Juni 2007.
  20. Global Humanitarian Forum
  21. Assad empfängt Annan mit noch mehr Blutvergießen. In: Spiegel Online, 10. März 2012.
  22. Entnervter Kofi Annan schmeißt hin. In: Spiegel Online, 2. August 2012; abgerufen am 2. August 2012.
  23. Honorary Doctorates. In: ussa.edu. United States Sports Academy, archiviert vom Original am 4. Mai 2014; abgerufen am 4. Mai 2014 (englisch).
  24. All Africa Music Awards. 3. Juni 2012, archiviert vom Original am 3. Juni 2012; abgerufen am 11. April 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  25. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,59 MB)
  26. Hölzerne Armbrust für Kofi Annan an Swiss Economic Forum (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive), BAZ, 4. Mai 2007
  27. Rede des Bundespräsidenten Horst Köhler (Memento vom 5. Juli 2010 im Internet Archive) v. 5. Mai 2008
  28. Kofi Annan mit Reinhard-Mohn-Preis für Nachhaltigkeit geehrt. Neue Westfälische, abgerufen am 7. November 2013.
  29. Staatspräsident Osttimors: PRESIDENT OF THE REPUBLIC BESTOWS UPON TEN INDIVIDUALS AND ENTITIES THE ORDER OF TIMOR-LESTE, 1. September 2019, abgerufen am 3. September 2019.
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