Kreuzerlass ist die Bezeichnung verschiedener Verwaltungsakte zum Aufhängen oder Abhängen von Kreuzen in staatlichen Gebäuden.

Kreuzerlass (2018)

Im April 2018 verfügte Markus Söder (CSU) in einer seiner ersten Amtshandlungen als bayerischer Ministerpräsident, dass zum 1. Juni 2018 die Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden in Bayern (AGO) in die folgende Fassung geändert wird:

§ 28 (Anbringen von Kreuzen in Dienstgebäuden) Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern

Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.

Rund 1.100 Behörden des Landes Bayern sind von dieser Pflicht betroffen.

Im Grundrechte-Report wurde die Verordnung als Verstoß gegen das objektive Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität und der Verletzung der negativen Religionsfreiheit bewertet. Sowohl Behördenmitarbeiter als auch Bürger würden im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses gezwungen, in Behörden ein Verwaltungsverfahren „unter dem Kreuz“ zu führen. Dem Staat sei jedoch eine Identifikation mit einem bestimmten Glauben untersagt.

Am 5. Oktober 2018 reichten der Bund für Geistesfreiheit und 25 Unternehmer, Politiker und Künstler, darunter Konstantin Wecker, Klage gegen die Verordnung ein. Am 27. Mai 2020 entschied das Verwaltungsgericht München, dass die Aufhebung des § 28 AGO im Wege der Normenkontrollklage zu behandeln sei und verwies den entsprechenden Teil der Klage an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Am 17. September 2020 wies das Verwaltungsgericht München die anderen Teile der Klage ab, da laut Gericht nicht hinreichend dargelegt worden sei, durch welche Kreuze die Kläger betroffen seien und es nicht hinsichtlich der Häufigkeit und Schwere der Betroffenheit differenziert worden sei. Am 25. Mai 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof statt; am 2. Juni 2022 wurden die Klagen abgewiesen. Die Kläger kündigten eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht an.

Kreuzerlass (1936)

Der oldenburgischen Minister der Kirchen und Schulen, Julius Pauly, verfügte am 4. November 1936, dass aus allen staatlichen Gebäuden und damit auch aus den katholischen Konfessionsschulen religiöse Zeichen wie Statuen, Bilder und vor allem Kreuze entfernt werden sollten.

Der Erlass hatte folgenden Wortlaut:
Sämtliche öffentlichen Gebäude des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände gehören dem ganzen Volke ohne Rücksicht auf das religiöse Glaubensbekenntnis der einzelnen Volksgenossen. Es ist daher nicht zulässig, daß öffentliche Gebäude kirchlich eingeweiht oder eingesegnet werden. Aus gegebener Veranlassung wird darauf besonders hingewiesen.
Öffentliche Verwaltungsgebäude des Staates sind von alterher mit konfessionellen Zeichen - z. B. Kruzifix oder Lutherbild - nicht ausgestattet worden. Dies entspricht auch schon deshalb einem sachlichen Bedürfnis, weil der Staat das ganze deutsche Volk umfaßt. Für alle öffentlichen Gebäude müssen die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sein. Schulgebäude des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände sind nicht anders zu behandeln. Auch die Volksschulgebäude machen davon keine Ausnahme, denn sie gehören der Gesamtheit und nicht irgendeiner bestimmten Glaubensrichtung.
Demgemäß ordnen wir an, daß künftig in Gebäuden des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände kirchliche oder andere religiöse Zeichen oben erwähnten oder ähnlichen Charakters nicht mehr angebracht werden dürfen. Die bereits vorhandenen sind zu entfernen. Über das Veranlaßte ist bis zum 15. Dezember d.J. zu berichten.
gez. Dr. Pauly

Als Folge des Kreuzkampfes wurde der Erlass am 25. November durch Gauleiter Carl Röver aufgehoben: „Die Verfügung vom 4. November 1936 wird auf dem gleichen Wege über die Amtsleute, Oberbürgermeister, Bürgermeister, Schulräte wieder zurückgenommen. Die Kreuze bleiben in den katholischen Kirchen, die Lutherbilder in den evangelischen Schulen.

Einzelnachweise

  1. Bayern: Kreuz-Erlass von CSU-Regierungschef Markus Söder ist amtlich. In: Der Spiegel. 22. Mai 2018, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. Juni 2022]).
  2. Jacqueline Neumann: Bayerns „Kreuz-Erlass“: Ein Verfassungsverstoß. In: Bellinda Bartolucci, Iris Burdinski, Marie Diekmann, Rolf Gössner, Julia Heesen, Martin Heiming, Hans-Jörg Kreowski, Britta Rabe, Rosemarie Will (Hrsg.): . Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2019, ISBN 978-3-596-70434-7, S. 67.
  3. Staatliche Neutralität ade? Klage gegen die bayerische Kreuzpflicht. In: Institut für Weltanschauungsrecht. Abgerufen am 2. Juni 2022.
  4. Pressemitteilung Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Klagen gegen sog. Kreuzerlass bleiben ohne Erfolg. In: vgh.bayern.de. 2. Juni 2022, abgerufen am 2. Juni 2022.
  5. Thomas Balbierer: Bayern: VGH-Richter weisen Klagen gegen Kreuzerlass zurück. Abgerufen am 2. Juni 2022.
  6. Anlass war die Einweihung der Volksschule Bösel am 24. Oktober 1936.
  7. Steinwascher, Gerd, Heuvel, Christine van den: Geschichte Niedersachsens in 111 Dokumenten. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-4058-9, S. 344.
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