Labyrinth bezeichnet ein System von Linien oder Wegen, das durch zahlreiche Richtungsänderungen ein Verfolgen oder Abschreiten des Musters zu einem Rätsel macht. Labyrinthe können als Bauwerk, Ornament, Mosaik, Pflanzung (u. a. Maislabyrinth), Zeichnung oder Felsritzung ausgeführt sein. Darüber hinaus wird der Begriff im übertragenen Sinne verwendet, um einen Sachverhalt als unüberschaubar oder schwierig zu kennzeichnen.

Wortherkunft

Die Herkunft des Wortes Labyrinth (altgriechisch λαβύρινθος labúrinthos) ist ungeklärt.

MacGillivray will es auf den Pränomen Labaris des ägyptischen Pharaos Amenemhet III. zurückführen. Laut Egli ist das griechische Wort verderbt aus ägyptisch Lope-ro-hun.t („Palast am Eingang des Sees“), in Bezug auf ein Gebäude an einem See, wo Statuen von König Amenemhet III. und dessen Gemahlin stehen.

Eine alte Theorie sieht einen Zusammenhang zwischen den Worten Labyrinth und Labrys (was ursprünglich (Doppel-)Axt bedeutet haben könnte) mit der Ortsendung -inthos. Der Kunsthistoriker Henry M. Sayre (* 1948) vermutet, dass die Griechen den komplex gebauten Palast von Knossos, aufgrund der zahlreichen Abbildungen von Doppeläxten im Palast, „das Haus der Doppeläxte“ nannten (labyrinth) und das Wort später dann seine Bedeutung Irrgarten erhielt.

Nach Karl Kerényi bezeichnete das Wort Labyrinth einen Steinbruch mit vielen Schächten und Gängen. Eine der ältesten Quellen für das Wort ist eine bei Knossos gefundene Steintafel in Linear B, welche die Wörter da-pu₂-ri-to-jo po-ti-ni-ja enthält, was als /daburintʰojjo potnijā/ „Herrin des Labyrinths“ gedeutet wird (vgl. Ariadne). Aus da-pu₂-ri-to-jo könnte das griechische Wort λαβύρινθος entstanden sein.

Arten von Labyrinthen

Die Formen von Labyrinthen sind vielfältig. Anhand der Linienführung (des Wegemusters) lassen sich zwei Arten unterscheiden:

  • Labyrinth im ursprünglichen Sinn: ein verschlungener, verzweigungsfreier Weg, dessen Linienführung unter regelmäßigem Richtungswechsel zwangsläufig zum Ziel, dem Mittelpunkt, gelangt.
  • Labyrinth im weiteren Sinn: ein System mit Verzweigungen, das Sackgassen oder geschlossene Schleifen enthalten kann. Diese Art Labyrinth wird auch Irrgarten genannt. Dort ist ein Verirren möglich und meist Sinn der Anlage.

Das Gebäude, das der mythologische Daidalos für den kretischen König Minos in Knossos als Gefängnis für den Minotauros errichtete, besaß ein verzweigtes Gangsystem, wie der zur Orientierung verwendete Ariadnefaden nahelegt.

Labyrinthische Muster mit Verzweigungen sind in Europa vereinzelt ab dem 15. Jahrhundert belegt; echte Irrgärten entstanden im 16. Jahrhundert. Die ersten mit hohen Hecken ausgestatteten Anlagen, in denen man sich verirren konnte, kamen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf (Verona, um 1570). Von diesem Zeitpunkt an nahm die Entwicklung der Labyrinthe im weiteren Sinn (der „echten“ Irrgärten) eine eigenständige Entwicklung, die bis heute zu immer komplizierteren Mustern und Wegenetzen geführt hat.

Aus dem kretischen Muster kann durch vierfache Wiederholung das römische, durch Ineinanderfügen zweier verkleinerter römischer das mittelalterliche oder „christliche“ Muster entwickelt werden. Dass sich die Muster wirklich auf diese Weise gebildet haben, ist nicht belegbar. Überlegungen, durch Aufschneiden einer Spirale oder konzentrischer Kreise und Verbinden der dabei entstehenden offenen Wegestücke sei die Grundform der labyrinthischen Figur entstanden, sind Spekulationen des späten 19. Jahrhunderts und entbehren jeder Grundlage.

Aus diesen Grundformen entwickelten sich differenziertere Muster. Die Gangsysteme des römischen Labyrinths wurden in dreierlei Weise abgewandelt: so kamen Muster mit Serpentinen, Spiralen und einfachen oder komplexen Mäandern zustande.

Geschichte

Viele Steinlabyrinthe und Rasenlabyrinthe sind schwer datierbar, da es sich oft um Rekonstruktionen handelt, deren historische Vorbilder zum Teil nicht mehr nachweisbar sind. Die Kanten der Routen bestehen häufig aus Steinen, die zur Hälfte in der Erde vergraben sind. Troy Town Maze auf St. Agnes, Scilly-Inseln, ein Steinlabyrinth, wurde zum Beispiel 1729 von einem Leuchtturmwärter nach dem Vorbild einer Trojaburg angelegt. Lichenometrie ist eine Datierungsmethode, die aber sehr ungenau und problematisch ist.

Die Datierung von Labyrinthen in Felsritzungen ist ebenfalls strittig. Ein Labyrinth ist z. B. in die Wand des Felsengrabes von Luzzanas auf Sardinien, lokal „Tomba del Labirinto“ genannt, eingeritzt.

Altertum

Ägypten

Strabon berichtet über den im Fayyum-Becken gelegenen Totentempel bei der Pyramide des Amenemhet III. (1844–1797 v. Chr.) in Hawara, den er als Labyrinth bezeichnet.

In hieroglyphischer Schreibweise hieß er l-p-r-n-t, was als lo-pe-ro-hunt („Palast am See“) vokalisiert wird.

Griechenland und Kreta

Eine Tontafel mit einem Text in Linear-B-Schrift trägt auf der Rückseite ein Labyrinth. Diese älteste sicher datierbare Abbildung stammt aus dem Palast des Nestor im griechischen Pylos und entstand um 1200 v. Chr.

Die Ruinen des Palastes von Knossos werden häufig als „Labyrinth von Knossos“ bezeichnet. Eine Struktur, die Ähnlichkeit mit einem klassischen Labyrinth aufweist, wurde dort bis heute nicht aufgefunden. Eine Tontafel mit (mykenischer Linear-B-Schrift) aus der Zeit um 1200 v. Chr. aus Knossos beschreibt Opfergaben und meint möglicherweise ein Labyrinth oder den Palast als Ganzes. Die Bezeichnung da-pu₂-ri-to-jo ist vielleicht die Benennung der labyrinthischen Architektur.

Labyrinthe mit sieben Umgängen waren zwischen 431 und 67 v. Chr. auf kretischen Münzen abgebildet. Es handelt sich sowohl um runde als auch viereckige Labyrinthe, die in figürlich einer Swastika, einem Rutenbündel, oder Mäandern ähneln. Gelegentlich ist der Schriftzug Knossos hinzugefügt.

Etrusker und Römer

In eine etruskische Oinochoë aus Tragliatella ist ein Speerträger eingeritzt, gefolgt von zwei Reitern. Am Schweif des letzten Pferdes hängt ein kretisches Labyrinth, in den ersten Umgang ist „Truva“ eingeritzt. (660–620 v. Chr.). Matthews interpretierte dies als Abbild des Troja-Spiels.

An einer Säule des Peristyls im Haus des Marcus Lucretius (Via Stabiniana) in Pompeji befindet sich eine Zeichnung zusammen mit der Inschrift Labyrinthus hic habitat Minotaurus („Labyrinth, hier wohnt der Minotauros“), der aus der Zeit der Katastrophe (79 n. Chr.) stammen dürfte.

Labyrinthe sind auch auf römischen Fußbodenmosaiken abgebildet. Etwa sechzig dieser Labyrinthe sind erhalten. Sie finden sich im gesamten Römischen Reich. Die Ornamente sind zu klein, um begangen zu werden. Sie entstanden zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 5. Jahrhundert n. Chr. Einige zeigen Minotauros oder den Kampf des Theseus' mit dem Ungeheuer im Zentrum (Minotauromachie). Gut erhalten ist das Labyrinth in der Villa des Theseus in Nea Paphos (Cypern). Andere Labyrinthe der römischen Zeit sind mit Mauer- und Stadttor-Abbildungen umgeben. Das Mosaik von Loig bei Salzburg (275–300 n. Chr.) hat dreizehn Umgänge und im Zentrum eine Minotauromachie.

Das früheste bekannte Labyrinth in einer christlichen Kirche befindet sich in Reparatus in El Asnam (Wilaya de Chlef, Algerien), ein Spiralmuster mit elf Umgängen. Die Darstellung stammt von 324 n. Chr. In der Mitte des labyrinthischen Quadrats befindet sich ein Anagramm mit dem Schriftzug Sancta Ecclesia.

Mittelalter

In vielen mittelalterlichen Kathedralen gibt es Fußbodenlabyrinthe. Sie dienten zu Bußübungen, bei denen der Pönitent auf Knien dem Muster folgte und an bestimmten Stationen Gebete sprach. Das Labyrinth symbolisierte den Weg der Seele zur Erlösung und gleichzeitig die Pilgerfahrt nach Jerusalem. Beispiele finden sich in der Basilika Saint-Quentin (Nordfrankreich, achteckig), in der Kathedrale von Amiens (Frankreich) und im Dom von Siena (Italien). Es handelt sich um die Form des christlichen Labyrinths, das nach dem Muster in der Kathedrale von Chartres als „Chartres-Typ“ bezeichnet wird. Dieses wohl bekannteste Fußbodenlabyrinth geht auf eine Zeichnung von Villard de Honnecourt zurück (1200/1210). Es hat einen Durchmesser von 12,8 m und elf Umgänge. Es ist in blauem und weißem Stein ausgeführt, ein Kranz von 112 regelmäßig angeordneten Zacken bildet die Außenkante. Das runde Zentrum entspricht mit einem Durchmesser von 3,1 Meter dem inneren Teil des Fensters in der Hauptfassade.

Das Labyrinth in der Kathedrale von Bayeux besteht aus roten und schwarzen Ziegel, hat zehn Umgänge, Durchmesser 3,75 m (um 1200). Das Labyrinth in der Kathedrale von Reims (quadratisch mit Eckbastionen, elf Umgänge) aus dem frühen 13. Jahrhundert wurde 1779 zerstört.

Ein rundes Fingerlabyrinth ist in die Wand am Westeingang der Kathedrale von Lucca (Norditalien) senkrecht eingemeißelt; so kann es mit dem Finger nachgefahren werden. Eine Sandsteinplatte mit Labyrinth stammt aus der Klosterkirche San Pietro de Conflentu in Pontremoli (bei La Spezia, Italien). Rasenlabyrinthe symbolisieren ebenfalls den Chemin de Jerusalem, ihre Datierung ist jedoch selten gesichert. Vermutlich ahmen sie die Fußbodenlabyrinthe der mittelalterlichen Kathedralen nach.

In Woodstock in England wurde angeblich im 12. Jahrhundert ein gemauertes Labyrinth erbaut, das zu den frühesten säkularen Anlagen gehören dürfte. Es wurde durch die Affäre von Heinrich II. mit der schönen Rosamunde bekannt. Es ist nicht erhalten.

Neuzeit

Im nur in unvollständigen Abschriften erhaltenen Architekturtraktat des Antonio Averlino (genannt Filarete) aus dem 15. Jahrhundert finden sich drei Zeichnungen von Labyrinthen, die offenbar Entwürfe für Verteidigungsanlagen waren. In Sebastiano Serlios Sette libri dell'architettura („Sieben Bücher über die Architektur“) werden im vierten Buch (1537) zwei quadratische Labyrinthe dargestellt, eines mit fünf, das andere mit sieben Umgängen. Sie dürften als ornamentaler Schmuck oder als Pflanzschema für Blumen oder Kräuter gedacht sein und treten in der Folgezeit zahlreich an anderen Stellen auf.

Im Palazzo ducale in Mantua befindet sich ein beschädigtes Fresko eines unbekannten Meisters, das zwischen 1521 und 1523 entstanden sein dürfte und den Olymp inmitten eines Wasserlabyrinths zeigt. Im Palazzo del Te in Mantua sind zahlreiche Darstellungen von Labyrinthen und mit Bezug zum Minotauros-Mythos, meist als Impresen vorhanden.

In der späten Renaissance treten Muster auf, die sich durch zahlreiche Verzweigungen und Sackgassen von den Wegesystemen der bis dahin bekannten Labyrinthe deutlich unterscheiden. Diese Irrgärten sind eine eigenständige Entwicklung. Die ersten begehbaren Irrgärten finden sich in norditalienischen Gärten, Anlagen mit kopfhohen Wänden entstehen im italienischen Manierismus. Die frühen Irrgärten sind meist aus Spalierhecken gebildet, beschnittene Hecken treten verstärkt erst im Barock auf. Im Gegensatz zum unverzweigten Labyrinth zeichnen sich Irrgärten durch ein komplexes Wegenetz mit zahlreichen Abzweigungen, Kreuzungen und Sackgassen aus. Irrgärten vermitteln die Gefahr des Irrgangs, das Vergnügen der Zielsuche und das Spiel des Versteckens. Viele Irrgärten des Barock wurden in den Lustgärten von Residenzschlössern zum Zeitvertreib der höfischen Gesellschaft angelegt, sie finden sich aber auch als Attraktion für jedermann in den Gasthausgärten in den Niederlanden des beginnenden 17. Jahrhunderts. In England ließ Heinrich VIII. 1690 einen Irrgarten in Hampton Court anlegen, der 66 × 25 m misst und noch heute erhalten ist.

Das Entstehen der Irrgärten stellt eine Parallelentwicklung dar, die das Labyrinth weder als Schmuck noch als Symbol verdrängte.

In den Emblembüchern des 16. bis 18. Jahrhunderts werden Labyrinthdarstellungen als Warnungen vor der Verwicklung des Menschen in die „sündige Welt“ verwendet. In der Tafelbildmalerei finden sich zwei Gartenlabyrinthe bei Lucas van Valckenborch von 1584 und 1587. Bartolomeo Veneto malte um 1510 einen jungen Mann mit einem runden Labyrinth auf der Brust und einem mit Salomonsknoten geschmückten Mantel.

Ein Fußbodenlabyrinth schmückt einen Saal im Rathaus von Gent (helle und dunkle Fliesen, 13 × 11 m, von 1533), es bildet das zerstörte Fußbodenmosaik der Klosterkirche von St. Bertin in Saint-Omer nach. In der Kathedrale von Ely (Cambridgeshire) wurde 1870 ein Fußbodenlabyrinth neu geschaffen (schwarze und weiße Fliesen, 6 × 6 m). Ein Beispiel für ein Pflasterlabyrinth findet sich im Ende des 19. Jahrhunderts begonnenen Neuen Rathaus in München. Es liegt im linken Innenhof und stellt ein auf neun Umgänge verkleinertes Muster vom Chartres-Typ dar (17,5 × 18,5 m). Im Thorvaldsen-Museum in Kopenhagen befindet sich ein Fußbodenlabyrinth (römischer Typ, rote und weiße Fliesen, etwa 5 × 5 m, 1839–48).

Die Häufung der Steinsetzungen mit diesem Muster an den Küsten Skandinaviens ist auffällig. Nur wenige scheinen aus dem Mittelalter zu stammen, die meisten Bauwerke fallen in das 18. und 19. Jahrhundert. Beispiele: auf Blå Jungfrun (Gotland, erstmals 1741 beschrieben), Steinvåg bei Gamvik (Finnmark) und zwölf Steinlabyrinthe auf den Solowezki-Inseln (Weißes Meer). Die 35 Labyrinthe auf Bolschoi Sajazki, einer der den Solowezki-Inseln im Weißen Meer, (lokal vavilonsBabylons – genannt) sind die weltweit größte, noch erhaltene Konzentration von Labyrinthen. Sie sind undatiert.

Gegenwart

Bauwerke

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahmen verschiedene Künstler das Labyrinthmotiv wieder auf, so der Bildhauer und Schriftsteller Michael Ayrton, der sich dem antiken Mythos von Dädalus und Ikarus widmete, die Künstlerin Alice Aycock, eine Vertreterin der Konzeptkunst, und, seit den 1980er Jahren, der Designer Adrian Fisher, der Pflasterlabyrinthe mit Darstellungen des Minotauros schuf. Eine Neu-Interpretation eines Kirchenlabyrinthes wurde 1981 in Grey’s Court bei Reading durch Robert Runcie, den Erzbischof von Canterbury eröffnet. In Cornwall (Kerdroya) entsteht zurzeit (2021) ein Labyrinth aus traditionellen kornwalisischien Trockenmauern von 56 m Durchmesser in Bodmin Moor, das angeblich größte Beispiel seiner Art. Es wird von dem Cornwall council, dem Arts Council England und dem National Lottery Heritage Fund gefördert und soll an den 60ten Jahrestag der Auszeichnung von Bodmin Moor als Area of Outstanding Natural Beauty im Jahr 2019 erinnern.

Ein begehbares Pflasterlabyrinth wurde 2007 im Erholungspark Marzahn in Berlin eröffnet. Es stellt eine vergrößerte Nachbildung des Chartres-Labyrinths dar. Der Durchmesser der Anlage, die an den Vorplatz eines Hecken-Irrgartens angrenzt, beträgt 20,8 Meter. Der Entwurf stammt von dem Landschaftsarchitekten Thomas Michael Bauermeister. Im Schlosspark Schönbrunn in Wien wurde in Nachbarschaft zu einem 1999 wiederhergestellten Hecken-Irrgarten ein Labyrinth mit einem Feng-Shui-Stein errichtet. „Feministische Labyrinthe“ finden sich auf dem Zeughausplatz in Zürich und in Frankfurt (Frauengedenklabyrinth). Die religiöse Sinngebung des Labyrinths soll mit seinen Heilpflanzen und Weidenfiguren das im Jahre 2007 eingeweihte „Lebendige Labyrinth“ der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) auf dem Gelände des Klosters Helfta neu erfahrbar machen.

In Bernau im Schwarzwald wurde 2017 ein Labyrinth aus 500 Kubikmetern Schnee gebaut.


Literatur

Auch in Literatur und Film spielen Labyrinthe eine Rolle, so bei Jorge Luis Borges und im Roman Der Name der Rose von Umberto Eco.

Im Roman Das Haus – House of Leaves von Mark Z. Danielewski spielt das Labyrinth sowohl in seiner räumlichen als auch der mythologischen Bedeutung eine zentrale Rolle in der Handlung, aber auch im Gesamtkonzept; der experimentelle Roman selbst wird durch zahlreiche Fußnoten und Querverweise in seinem Verlauf mehr und mehr zum Labyrinth in Buchform. Diese nehmen häufig Bezug auf fiktive Quellen, münden in weitere, teils viele Seiten umfassende Fußnoten (welche weitere Fußnoten enthalten können) oder müssten einige Seiten zuvor oder weiter hinten im Buch stehen und sind dort zum Teil überhaupt nicht aufgeführt. Damit bilden sie die Sackgassen, Irrwege und Rückwege durch bereits begangene Passagen nach, welche für Labyrinthe charakteristisch sind.

Esoterik

Der Reiz des Geheimnisvollen und unbekannte Ursprung des Labyrinths ließen es vor allem für esoterische, christliche und feministische Gruppen zur Projektionsfläche ihrer Vorstellungen werden. Zahlreiche neue Labyrinthe wurden angelegt, gepflegt und für Veranstaltungen genutzt. Es gibt sowohl im anglo-amerikanischen als auch im deutschen Sprachraum eine Labyrinth-Bewegung, die sich mit der Bedeutung des Labyrinths beschäftigt. Das Abschreiten eines begehbaren Labyrinths, das als Symbol des verschlungenen Lebensweges verstanden wird, dient der Meditation und fordert zum Überdenken des eigenen Lebensweges auf. Zusätzlich kann in einem Advents-Labyrinth die Symbolik des Lichtes aufgegriffen werden. Es steht für Jesus Christus, der die Menschen aus der Dunkelheit erlöst. Im Zentrum kann sich als Ziel etwa das Licht in Form einer Kerze oder symbolisiert durch ein Evangeliar als Wort Gottes befinden.

Forschungsgeschichte

Eine intensivere Beschäftigung mit Labyrinthen begann mit dem wachsenden Interesse an der Antike Anfang des 18. Jahrhunderts. So besuchte 1700 im Rahmen einer Expedition Joseph Pitton de Tournefort die Höhle bei Gortyn auf Kreta, wo man das antike kretische Labyrinth vermutete. Im 19. Jahrhundert entstanden spekulative Theorien, die sich weitgehend an den Schilderungen antiker Autoren orientierten. Das römische Labyrinthmosaik von Loig bei Salzburg wurde 1815 entdeckt, die Weinkanne von Tragliatella 1877 geborgen. Arthur Evans legte 1922 die Ruinen des Palastes von Knossos frei, in denen fortan – ohne nachvollziehbare Begründung – das Labyrinth des Daidalos gesehen wurde. Die Pylos-Tafel wurde 1957 ausgegraben.

William Henry Matthews (1882–1948) unternahm 1922 mit seinem Buch Mazes and labyrinths („Irrgärten und Labyrinthe“) eine erste systematische Darstellung. 1967 folgte mit Il libro dei labirinti („Das Buch der Labyrinthe“) von Paolo Santarcangeli (1909–1995) eine weitere ausführliche Darstellung der labyrinthischen Thematik. Die auf Ausstellungen in Mailand und München (Haus der Kunst, 1982) zurückgehende, umfangreiche Veröffentlichung von Hermann Kern dokumentierte erstmals katalogartig die mannigfaltigen Labyrinthformen ausführlich. In der Folgezeit wurde das Werk Bezugspunkt und Quelle weiterer Forschungen. Der Brite Jeff Saward gründete 1983 die kleine Zeitschrift Caerdroia.

Literatur und Quellen

Allgemeinverständliche Darstellungen in deutscher Sprache

  • Janet Bord: Irrgärten und Labyrinthe. Verlag DuMont, Köln 1976, ISBN 3-7701-0923-6.
  • Greg Bright: Wer findet sich heraus? 35 knifflige Labyrinthe. Verlag DuMont, Köln 1975, ISBN 3-7701-0923-6.
  • Greg Bright: Der Irrgarten. Aussergewöhnliche Puzzles für aussergewöhnliche Leute. Verlag Benteli, Bern 1975, ISBN 3-7165-0057-7.
  • Gernot Candolini: Labyrinth. Inspiration zur Lebensreise Verlag Herder, Freiburg 2015, ISBN 978-3-451-31596-1.
  • Gernot Candolini: Das geheimnisvolle Labyrinth. Mythos und Geschichte. Pattloch, München 2008, ISBN 978-3-629-02160-1.
  • Frithjof Hallman: Das Rätsel der Labyrinthe. Woher kommen sie? Wie alt sind sie? Wo liegen sie? Damböck, Ardagger, NÖ 1994, ISBN 3-900589-15-1.
  • Jürgen Hohmuth: Labyrinthe & Irrgärten. Frederking & Thaler, München 2003, ISBN 3-89405-618-5 (Fotobildband mit Aufnahmen aus einem Ballon).
  • Hermann Kern: Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen. 5000 Jahre Gegenwart eines Urbilds. 4., unveränderte Auflage. Prestel, München 1999, ISBN 3-7913-2096-3. (Erstausgabe 1982)
  • Ulrich Koch: Das große Buch der Labyrinthe. Irrwege, Wirrgärten, Suchbilder, 80 Labyrinthe. / The Book of Mazes [Mit einer Daidaleia von Hans-Peter Niebuhr und einem Ariadnefaden für Verirrte]. Anaconda, Köln 2010, ISBN 978-3-86647-450-5. (deutsch und englisch)
  • John Kraft: Die Göttin im Labyrinth. Spiele und Tänze im Zeichen eines matriarchalen Symbols. Edition Amalia, Bern 1997, ISBN 3-905581-00-0.
  • Jeff Saward: Das große Buch der Labyrinthe und Irrgärten. AT, Aarau/ München 2003, ISBN 3-85502-921-0.
  • Bruno Schnetzer: Labyrinthe in der Schweiz, tredition verlag, Hamburg 2018, ISBN 978-3-7469-1331-5.
  • Ilse M. Seifried (Hrsg.): Das Labyrinth oder die Kunst zu wandeln. Haymon, Innsbruck 2002, ISBN 3-85218-400-2.
  • Simon Stalenhag: Das Labyrinth. Ein illustrierter Roman. Aus dem Schwedischen von Stefan Pluschat. Fischer Tor, Frankfurt am Main 2022, ISBN 3-596-70692-0.
  • Thomas Thiemeyer, Bertrun Jeitner-Hartmann: Magische Labyrinthe. Reisen durch Raum und Zeit. ars edition, München 2001, ISBN 3-7607-1835-3.
  • Erzähl mir Labyrinth. Frauenkultur im öffentlichen Raum. 20 Jahre Labyrinthplatz Zürich. Christel Goettert Verlag, 2011, ISBN 978-3-939623-33-5.

Wissenschaftliche Literatur

  • Helmut Birkhan: Labyrinth. In: Engelbert Kirschbaum (Hrsg.): Lexikon der christlichen Ikonographie. Band 3: Allgemeine Ikonographie. Rom 1971, Sp. 2–4.
  • Fabio Collonese: Il labirinto e l'architetto. Kappa, Rom 2006, ISBN 88-7890-740-5. (italienisch)
  • Maria Cristina Fanelli: Labirinti. Storia, geografia e interpretazione du un simbolo millenario. Cerchio Iniziative, Rimini 1997, ISBN 88-86583-30-3. (italienisch)
  • Matthias Hennig: Das andere Labyrinth. Imaginäre Räume in der Literatur des 20. Jahrhunderts, Fink, München/Paderborn 2015, ISBN 978-3-7705-5974-9.
  • Bruno Hervé: Avatars du labyrinthe de la protohistoire à la postmodernité. In: Bruno Hervé: Le jardin comme labyrinthe du monde. PUPS, Paris 2008, ISBN 978-2-84050-602-7, S. 17–66. (französisch)
  • Adrian Fisher, Georg Gerster: Labyrinth. Solving the riddle of the maze. Verlag Harmony Books, New York 1990, ISBN 0-517-58099-3.
  • William Henry Matthews: Mazes and labyrinths. A general account of their history and developments. London 1922, Online-Version (englisch)
  • Kurt Röttgers: Kopflos im Labyrinth. Die Blaue Eule, Essen 2013, ISBN 978-3-89924-353-6.
  • Paolo Santarcangeli: Il libro dei labirinti. Storia di un mito e di un simbolo. Sperling & Kupfer, Mailand 2000, ISBN 88-200-2960-X. (italienisch)
  • Manfred Schmeling: Der labyrinthische Diskurs, Frankfurt am Main, 1987.
  • Jørgen Thordrup: Alle tiders labyrinter. KunstCentret, Silkeborg 2002, ISBN 87-87643-97-9. (dänisch)
  • Labyrinthes. Du mythe au virtuel. Paris-Musées, Paris 2003, ISBN 2-87900-776-3. (französisch)
  • Labyrinthus. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 16, Leipzig 1737, Sp. 35–37.

Einzelnachweise

  1. Alexander MacGillivray: The astral labyrinth at Knossos. In: British School at Athens Studies. 12, 2004, S. 330. (Knossos: Palace, city, state)
  2. Johann Jakob Egli: Nomina geographica. Sprach- und Sacherklärung von 42000 geographischen Namen aller Erdräume. Friedrich Brandstetter, 2. Aufl. Leipzig 1893, S. 519
  3. 1 2 Fritz Schachermeyr: Die Minoische Kultur des alten Kreta. 1964, S. 161, 237, 238.
  4. Henry M. Sayre: The Greek World. In: Discovering the Humanities: Culture, Continuity & Change. 2. Auflage. Prentice Hall, Upper Saddle River 2010.
  5. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka, Berlin und New York 1967, S. 416 f. (‚Haus der Doppelaxt‘)
  6. Labyrinth-Studien. Labyrinthos als Linienreflex einer mythologischen Idee. (= Albae Vigiliae. Band 15). Amsterdam u. a. 1941.
  7. H. G. Orpen: The Hollywood Stone and the Labyrinth at Knossos. In: Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland 13/2, 1923, fig. 2.
  8. H. G. Orpen: The Hollywood Stone and the Labyrinth at Knossos. In: Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland 13/2, 1923, S. 179
  9. H. G. Orpen: The Hollywood Stone and the Labyrinth at Knossos. In: Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland 13/2, 1923, fig. 3.
  10. Anon 1853, The Cathedral of Chartres, in France. In: Illustrated Magazine of Art. 2/7, 1853, S. 10
  11. 1 2 3 4 Penelope Hobhouse: A Book of Gardening. Ideas - Methods - Designs. A practical Guide. Pavillon, London 1986, S. 44
  12. W. H. Matthews: Mazes and Labyrinths, London 1922, Online-Version (englisch), Kapitel 19: The Bower of "Fair Rosamond"
  13. Weissenfels Labyrinth
  14. Mary Keen, The Glory of the English Garden. Litte, Brown and Co., Boston 1989, S. 17.
  15. https://goldentree.org.uk/projects/kerdroya/
  16. https://www.theguardian.com/uk-news/2021/jan/09/its-about-finding-yourself-cornish-hedgers-plan-record-breaking-labyrinth
  17. Ulrike Spiegelhalter: Bernau: Vergängliches Kunstwerk: In Bernau steht Deutschlands größtes Schneelabyrinth. Badische Zeitung, 29. Januar 2017, abgerufen am 2. Februar 2017.
  18. Vergl.: Labyrinthplatz Zürich (Memento des Originals vom 30. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
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Wikibooks: Rekursive Labyrinthe – Lern- und Lehrmaterialien
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